Hamburg. Eines der innovativsten Projekte Hamburgs nimmt Fahrt auf. Viva con Agua und Heimathafen planen eine Wirtschaft, die die Welt verändert.

Einen Grundstein kann jeder legen, aber einen Grundsteinbrunnen nur die neue Villa Viva am Hühnerposten im Münzviertel. Zwischen Hauptbahnhof und Deichtorhallen nimmt nun eines der innovativsten Projekte der Hansestadt Fahrt auf. Mit viel Prominenz, darunter Finanzsenator Andreas Dressel (SPD), Viva-con-Agua-Initiator Benjamin Adrion und Musiker Jan Delay, wurde Freitagmittag der Grundstein für die Villa Viva gelegt. "Heute ist ein außergewöhnlich besonderer Tag“, sagte Adrion, der sich freute, dass bei der Grundsteinlegung 25.000 Euro Spenden zusammenkamen. Mit dem Geld kann Viva con Agua mindestens zwei Brunnen in Äthiopien finanzieren und so die Trinkwasserversorgung für etwa 2500 Menschen sichern.

Das Gebäude ist mehr als ein Haus, es soll Hotel, Plattform, Verstärker, Initiator, Weltverbesserer sein – vor allem aber Gasthaus. In das zwölfgeschossige Gebäude wird auch die Hamburger Hilfsorganisation Viva con Agua einziehen. Was als kleine Hilfsidee am Rande einer Mannschaftsreise des FC St. Pauli 2005 begann, ist längst eine internationale Wasserbewegung geworden, die allen Menschen Zugang zu sauberem Trinkwasser und sanitärer Grundversorgung verschaffen will. Gemeinsam mit Partnern wie der Welthungerhilfe konnte Viva con Agua über 3,6 Millionen Menschen mit seinen Projekten erreichen.

Restaurant in Hamburg: Viva con Agua baut Gasthaus im Münzviertel

Das neue Gasthaus in Hammerbrook wird das vierte soziale Geschäftsmodell von Viva con Agua – neben dem Verkauf von Mineralwasser, der Millerntor Gallery und dem Toilettenpapier Goldeimer. Zur Grundsteinlegung haben sich die wichtigsten Projektbeteiligten entschieden, für den ersten Brunnen zusammenzulegen. Die dafür nötigen 10.000 Euro sollen beim heutigen Steinverkauf zusammenkommen.

Im vierten Quartal, voraussichtlich im Oktober oder November, 2023 soll das Gebäude fertig sein – das Gasthaus mit rund 300 Betten, Bar und Restaurant und zugleich ein Haus, das Brunnen baut. „Wir wollen Wasserprojekte unterstützen“, sagte Adrion. „Wir wollen das nicht nur mit Spenden machen. Wir wollen das mit Social Business machen.“ Die Idee: Jede Übernachtung unterstützt weltweit Trinkwasserprojekte.

Das innovative Gasthaus wird gemeinsam umgesetzt von Viva con Agua und dem Hotelanbieter Heimathafen. Heimathafen betreibt mehrere Häuser wie die Beach Motels in St. Peter-Ording und Heiligenhafen, das Lighthouse Hotel & Spa in Büsum, die Bretterbude in Heiligenhafen sowie das Fliegerdeich Hotel in Wilhelmshaven.

Hotel in Hamburg mit Zauberkiosk statt Rezeption

„Die Gäste werden Teil des faszinierenden Kosmos von Viva con Agua, der sich wie ein roter Faden durch das Haus zieht“, sagt Jens Sroka von Heimathafen Hotels. Statt einer Rezeption gibt es einen Zauberkiosk, Künstler werden die Räume gestalten. Fünf Veranstaltungsräume ermöglichen Events mit bis zu 250 Personen. Auf dem Dach soll eine Bar entstehen mit Sauna und Whirlpool. Wichtig ist den Machern der offene Gedanke, der sich durch die gesamte Villa Viva ziehen wird. In der Gastronomie etwa sollen Gäste Obdachlosen eine warme Mahlzeit spendieren können.

Die Initiatoren des neuen Gasthauses im Münzviertel: Jens Sroka (l.), Carolin Stüdemann und Benjamin Adrlon.
Die Initiatoren des neuen Gasthauses im Münzviertel: Jens Sroka (l.), Carolin Stüdemann und Benjamin Adrlon. © Villa Viva/Andrin Fretz | Villa Viva/Andrin Fretz

Die Villa Viva versteht sich als Teil des Münzviertels. „Wir wollen kein Ufo sein, sondern ein Stück Stadt schaffen, wir vernetzen uns und bringen uns beispielsweise im Münzviertelbeirat ein“, sagt Leon Roloff von Urban Future Development, einer der Initiatoren der Villa Viva und Planer. „Dieses Projekt bringt so viele Dinge zusammen, weil jeder Beteiligte von den Architekten bis zu den Baufirmen noch mal eine Extrameile geht“, sagt Roloff. Er hofft darauf, dass diese Unterstützung das Projekt weiter bis ins Ziel trägt – allen Problemen von Lieferengpässen und Preisexplosionen bei Baustoffen zum Trotz. „Wenn es Unternehmen gibt, die sich noch engagieren wollen, wir freuen uns“, sagt er.

Möglichmacher des Projektes, das Dressel einen „Leuchtturm der Gemeinwohl-Ökonomie“ nennt, ist eine „Shareholder Gang“. Die sozial engagierten Investoren haben das Eigenkapital in Höhe von 5,5 Millionen Euro für die Villa Viva Holding zur Verfügung gestellt. Diese Gruppe von Anteilseignern besteht aus 16 Privatpersonen, darunter Bela B, Jan Delay, Kevin Kuranyi und Max Kruse. Die Anteile an der Holding gehen zu zwei Dritteln an die Viva con Agua Stiftung und den Verein; ein knappes Drittel verbleibt bei der „Shareholder Gang“. Spendengelder wurden also weder für den Bau noch für den Betrieb angefasst.

Viva con Agua: Prominente investieren sozialorientiert

Eine Kapitalgeberin ist Mitra Kassai, Gründerin von Oll Inclusive. „Wir sind eine Gruppe aus Kunst, Kultur und Sport, die sich über Viva con Agua kennt“, sagt sie dem Abendblatt. „Wir wollen Gutes tun, Menschen Mut machen, ein Tropfen in diesem Wasserprojekt sein.“ Benjamin Adrion lobt: „Die Investoren haben sich darauf eingelassen, ihr Geld nicht renditemaximierend einzusetzen, sondern sozialorientiert. Meine Hoffnung ist, dass wir uns bald alle auf der Dachterrasse treffen können.“

Der Bau ist nicht nur sozial, sondern auch ökologisch ambitioniert. „Die Fassade ist mit Künstlern entwickelt worden, zum Teil begrünt und wird mit aufgefangenem Regenwasser bewässert“, erklärt Roloff. Das Haus wird nach dem im Gewerbe eher unüblichen KfW-55-Standard errichtet, arbeitet mit Solarthermie und Wärmerückgewinnung, verwendet Recyclingbeton. Künstler sollen auch das Treppenhaus in eine Galerie verwandeln. Auch die Mobilität wird im Münzviertel mitbedacht: Jeder Gast erhält ein ÖPNV-Ticket mit der Buchung, auf Stellplätze wird verzichtet.

Wie die Villa Viva ab 2023 funktionieren könnte, lässt sich schon jetzt in Kapstadt erleben: Die dortige Villa Viva Capetown hat seit Jahresbeginn geöffnet und ist seit Wochen fast komplett ausgebucht, wie Adrion verrät. Das Interesse an dem Konzept sei beträchtlich. „Das Modell ist weltweit skalierbar, und in Zukunft sollen möglichst viele Orte dazu kommen. So wird Villa Viva zu einer internationalen Plattform.“