Peter Pedersen hat Dutzende Tiny Houses verkauft, er kennt alle Vor- und Nachteile. Wo er die Häuser in Hamburg für sinnvoll hält.

  • Tiny Houses – Menschen ab 50 sind die Hauptinteressenten
  • Im Tiny House ist der Raum maximal optimiert, jedes Möbelstück nach Maß gefertigt
  • Tiny Houses sind nichts für Großstädte

Vielleicht liegt es an Peter Lustig und „Löwenzahn“. Vielleicht aber auch am „Nichtraucher“ aus Erich Kästners „Das fliegenden Klassenzimmer“. Der Wunsch nach einem kleinen Heim, vielleicht sogar auf vier Rädern, hat viele Deutsche erfasst. In Zeiten von Nachhaltigkeit und Digitalisierung erleben die winzigen Häuser, neudeutsch „Tiny Houses“ genannt, eine riesige Nachfrage.

Ob im Hinterhof, am verwunschenen See oder gleich als Dorf aus Kleinsthäusern geht es um eine neue Form des Wohnens. Mit seiner Neumünsteraner Firma Rolling Tiny Houses gilt Peter L. Pedersen als Pionier. Er stellt die Minihäuser nicht nur her, sondern berät bundesweit Kommunen, die neue Wohnformen ermöglichen wollen.

Peter Pedersen: Tiny Houses sind "normale Häuser"

Der gebürtige Däne kommt weder aus der Peter-Lustig-Fanecke noch hat er mit der Bauwagen-Bewegung etwas am Hut – mitunter stößt er sogar auf Vorbehalte. In Bayern lehnte ein Bürgermeister Tiny Houses mit der Begründung ab, man wolle kein fahrendes Volk im Ort haben. Im Podcast „Was wird aus Hamburg“ stellt der Unternehmer klar: „Tiny House steht im Englischen für winziges Haus und nicht für winziger Bauwagen.“

Es gehe hier um normale Häuser, „nur eben deutlich kleiner als übliche Gebäude“. Die Anforderungen sind dieselben: Sie benötigen ein Baugrundstück, eine Baugenehmigung und müssen alle baurechtlichen Bedingungen erfüllen. „Das ist der riesige Unterschied zum Thema Wohn- oder Bauwagen.“

Pedersen verkaufte 2021 insgesamt 65 Tiny Houses

Zum Thema kam Pedersen wie die Jungfrau zum Kinde. Auslöser war sein Sohn, der zum Studieren nach Greifswald gewechselt war. „Dort sollte er eine höhere Miete zahlen als in der Großstadt Rostock. Zu dieser Zeit kam ich durch Zufall auf eine US-Webseite von Tiny Houses. Da sagte ich mir: So etwas baue ich ihm und suche dann irgendwo in der Altstadt einen Hinterhof.“ Ein Zulieferer in der Nähe von Prag reagierte aufgeschlossen auf die Idee. „So bin ich dazu gekommen.“

Inzwischen hat der 64-Jährige mehr als eine Million Euro investiert, sich mit Designern, Architekten, Statikern, Juristen und Ingenieuren zusammengesetzt, um verschiedene Modelle zu entwickeln. Im vergangenen Jahr, dem besten des Unternehmens, hat er 65 Häuser verkauft. Produziert wird an drei Standorten: in Bad Segeberg, Schwerin und neuerdings auch in Polen.

Es gibt viele verschiedene Modelle

Mehrere Modelle hat Rolling Tiny Houses im Angebot – eine nordische Bauernkate, Bungalows, aber auch Zwittermodelle aus Wohnwagen und Haus, die man auf dem Anhänger durch die Lande fahren kann. Am besten läuft der Bungalow, der in der größeren Version auf 40 bis 50 Quadratmeter Grundfläche kommt.

Der Hybrid, die Kombination aus Haus und Fahrzeug, falle zwar besonders ins Auge, habe es aber im deutschen Rechtssystem schwer. „Man muss zwei Rechtsbereiche erfüllen: das Baurecht und die Straßenverkehrszulassung.“ Man könne weder irgendwo das Haus hinstellen und wohnen noch einfach damit umziehen.

Die meisten Kunden sind Best Ager

Die Kunden, die sich für ein Minihaus erwärmen, sind laut Pedersen meist Menschen ab 50. „Es ist nicht das junge, arbeitslose ökologisch angehauchte Pärchen, das mit Hühnern und Gänsen am Waldesrand leben möchte. Unsere Klientel sind zu drei Vierteln Best Ager, die ein Eigenheim oder eine Eigentumswohnung haben.“ Wenn die Kinder aus dem Haus sind, stellen sie fest, dass das Gebäude zu groß geworden ist. „Die wollen kleiner leben, verkaufen ihr Eigenheim und suchen ein kleineres Haus mit kleinerem Grundstück. Oft entscheiden sie sich nicht nur für ein Tiny House, sondern in der Regel auch für ein Wohnmobil.“

Der Trend passt in die Zeit. Der Zeitgeist predigt auf der einen Seite eine neue Bescheidenheit, einen gelebten Minimalismus, auf der anderen macht die Digitalisierung viele Dinge überflüssig. Früher bauten die Menschen über Jahrzehnte eine Bibliothek auf oder eine Plattensammlung. Heute ist alles digital verfügbar. „Momentan fragen sich viele Menschen, was man mit den großen Häusern anfangen soll.“

Tiny Houses sind nichts für Großstädte

Pedersen, der an der Hochschule der Bundeswehr in Wandsbek Wirtschafts- und Organisationswissenschaften studiert hat, berät Kommunen, ob und wie Tiny Houses die angespannten Immobilienmärkte entlasten können. Gerade schrieb die Hamburger CDU Schlagzeilen, als sie ein Flächenkataster für Minihäuser einforderte. „Generell bin ich der Meinung, dass Tiny Houses nichts für Großstädte sind, denn der Preis des Hauses muss zum Preis des Grundstücks passen. Es ergibt keinen Sinn, für 100.000 Euro ein Tiny House zu kaufen und 800.000 Euro für ein Grundstück zu bezahlen.“

Pedersen sieht eine andere Marktlücke für die Mini-Gebäude: „Wir haben knapp 18 Millionen Single-Haushalte in Deutschland, das sind 42 Prozent. In Hamburg liegt der Anteil sogar bei 52 Prozent, darunter sind viele ältere Menschen.“ Viele von ihnen würden sich gern von ihrer zu großen Immobilie trennen.

Große Häuser könnten für Familien frei werden

„Aber wer 30 oder 40 Jahre auf der eigenen Scholle gelebt hat, den bekommen Sie nicht in den sechsten Stock transferiert.“ Diese Menschen könnten sich damit anfreunden, ein kleines Grundstück mit einem kleinen Häuschen zu erwerben. „Es wäre für eine Stadt wie Hamburg interessant, diese Gruppe nicht ans Umland zu verlieren.“ Zugleich würden damit größere Häuser für junge Familien frei.

Der Gedanke ist mehr als Theorie. Die Stadt Celle hat einen Bebauungsplan mit 18 Grundstücken von 250 bis 300 Quadratmetern erstellt - für kleine Häuser mit maximal 50 Quadratmeter umbautem Wohnraum. Pedersen hatte empfohlen, zwei Grundstückspreise anzubieten, neben dem Standardpreis einen Sonderpreis für Celler Bürger, die ihr großes Haus an eine Familie verkaufen.

Tiny House gegen den Personalmangel

Eine andere Idee sind Tiny Houses zur Mitarbeitergewinnung: Auf großen Grundstücken könnten Angestellte eine Parzelle bekommen und mit jedem Jahr Betriebszugehörigkeit Eigentum am Tiny House erwerben. Bayerische Pflegeheime binden so Mitarbeiter. „Damit löse ich zwei Probleme: den Personalmangel und den Wohnraummangel. Wie bekomme ich den neuen Mitarbeiter motiviert, zu kommen und zu bleiben?“ Nach einigen Jahren könnte der Besitzer des Tiny Houses dann mitsamt Gebäude umziehen.

Probleme mit den Minihäusern sieht er anderswo: Manche Tiny Houses seien nicht baugenehmigungsfähig, sie hätten Probleme mit der Statik, der Wärmedämmung und der ökologischen Nachhaltigkeit – kurzum, zu viele unseriöse Anbieter tummelten sich auf dem Wachstumsmarkt. „Da sagen die Aufsichtsbehörden zu Recht: Das machen wir nicht.“ Seine Bauernkate erfülle hingegen die Anforderungen vieler Bebauungspläne in Norddeutschland.

Wohnbebauung in Kleingärten verboten

„Es gibt zwei neuralgische Punkte: Das eine ist die Dachform, meist muss es ein Satteldach mit mindestens 40 Grad Neigung sein. Das andere ist die Fassade aus Klinker oder Putz. Mit unserer Fachwerkfassade und dem Satteldach haben wir die Lösung gefunden.“ Ein weiteres Pro­blem: Jede Nachbarschaftsbebauung muss sich einfügen. „Da gibt es natürlich Schwierigkeiten, weil es Tiny Houses an Höhe und Größe fehlt.“ Der Teufel liegt oft im Detail. Und in Kleingärten und auf Campingplätzen ist Wohnbebauung ohnehin verboten.

Pedersen fordert – anders als die Hamburger FDP – keine Befreiung der Tiny Häuser von Baugenehmigungen. „Dann bekommen wir Wildwuchs. Wir müssen die ökologische Nachhaltigkeit erfüllen und die Häuser an Strom, Wasser, Abwasser anschließen.“ Tiny Häuser sind ökologisch umstritten. Der BUND Hamburg kritisierte unlängst, ein Minihaus weise ähnlich schlechte Werte auf wie ein Bungalow aus den 80er-Jahren.

Pedersen widerspricht Kritikpunkten

Pedersen hält dagegen, hier würden Äpfel mit Birnen beziehungsweise ein mehrgeschossiges Passivhaus mit irgendeiner Hütte verglichen. „Wir haben es bis 2020 geschafft, Effizienzhäuser der Kategorie 70 zu bauen. Im vergangenen Jahr haben wir mit unserer Bauernkate Kategorie 55 geschafft - und jetzt gehen wir in Richtung 40.“ Im Klartext: Sie verbrauchen pro Quadratmeter nur noch 55 beziehungsweise 40 Prozent der Energie herkömmlicher Häuser.

Damit wären Tiny Häuser sogar nach der Verschärfung der Öko-Richtlinien förderungswürdig. Auch anderen Kritikpunkten widerspricht Pedersen. So sind die Minihäuser nur schwer zu heizen und überhitzen rasch. „Wir arbeiten in der Regel mit nachwachsenden Rohstoffen, nämlich Holzpellets. Glücklicherweise haben wir als Betrieb Zugang zu den Herstellern und konnten mit ihren Ingenieuren die Software so bearbeiten, dass wir die Heizungen auch in Tiny Häusern gut steuern können.“ Forschung und Entwicklung gehöre dazu.

Häuser oft von Schimmel befallen

Denn Probleme treten in der noch jungen Branche immer wieder auf. „Als wir anfingen, die ersten beiden Tiny Houses zu bauen, sind wir von einer Ohnmacht in die andere gefallen. Ein Beispiel: Bei der Straßenverkehrszulassung geht es um die Sicherheit – für die Haltbarkeit aber haftet der Hersteller. „Ich musste mir also einen Karosserie-Statiker suchen, der mir die dynamische Festigkeit nachweist.“ Schnell wurde klar, dass ein Holzrahmen auf einem Stahlträger nicht funktioniert und durch einen Stahlrahmen ersetzt werden muss. „So kamen wir von einem Punkt zum nächsten und lernen bis heute immer noch dazu.“

Ein weiteres Problem ist der Schimmelbefall. „Wir haben in einem Minihaus 60 bis 80 Kubikmeter Luftraum. Wenn ich meine Physikkenntnisse der zehnten Klasse bemühe, kann so ein Luftraum vielleicht einen halben Liter Wasser aufnehmen. Der Rest schlägt sich an Scheiben oder Wänden nieder.“ Jeder Mensch produziert jeden Tag rund einen Liter – schon ohne Waschen und Kochen.

Pedersen ließ Wärmetauscher-System entwickeln

„Jeder, der mal im Wohnwagen übernachtet hat, weiß, dass morgens die Scheiben beschlagen sind. Das mag für ein paar Tage kein Problem sein. Das trocknet, gerade bei Plastik, schnell wieder aus. Aber wenn wir viel mit Holz arbeiten, ist Schimmel programmiert. Ich denke, 90 Prozent aller Schäden, die in einem Tiny House entstehen, kommen durch Schimmelbefall. Pedersen hat eine Strategie dagegen entwickelt – er hat ein spezielles Wärmetauscher-System entwickeln lassen, das klein, leistungsstark, verbrauchsarm und leise sei und rund um die Uhr laufe.

Fünf Fragen

Meine Lieblingsstadt ist Kiel – daran hängen sehr viele Jugenderinnerungen. Dort habe ich mein Abitur gemacht und viele Jahre leben dürfen. Was Großstädte angeht, habe ich einen Hang zu Hamburg, das ist eine faszinierende Metropole.

Mein Lieblingsstadtteil ist Wandsbek mit Jenfeld. Hier habe ich meine Studienzeit verbracht und fast alle Ecken kennengelernt.

Mein Lieblingsort ist der Fischmarkt. Ich musste als junger Mann Geld verdienen. Da kam ich auf die Idee, mit einem Kumpel eine kleine Spielwarenmanufaktur aufzubauen. Wir haben das Krümelmonster als Handpuppe gebaut und diese Puppen jeden Sonntagmorgen auf dem Fischmarkt verkauft. An den Riverkasematten stellten wir unseren VW-Käfer quer, um den Platz zu reservieren. Da trafen wir manches Mal abends auch Udo Lindenberg. Das ist für mich eine ganz besondere Erfindung.

Mein Lieblingsgebäude ist der alte Hamburger Elbtunnel. Ich habe vor Jahren eine Probefahrt mit einem 7er BMW gemacht, der erste mit einem Navigationssystem. Vom Nedderfeld ging es nach Süden. Auf der Rückfahrt probierte ich das Navi aus – es wollte mich dauernd von der Autobahn lotsen. Ich habe mich gefragt, was das soll, bin aber gefolgt und querfeldein gefahren. Irgendwann kam ich mit diesem Riesenschiff, der 7er-Langversion, am Alten Elbtunnel an, den ich vorher gar nicht gekannt hatte. Ich bin ohne Beule auf der anderen Elbseite angekommen, aber schweißgebadet.

Einmal mit der Abrissbirne würde es die Mundsburg-Tower erwischen. Ich hatte einmal das zweifelhafte Vergnügen, einer Besprechung im 26. Stock einer dieser Türme beizuwohnen. Da die Besprechung selten sinnbefreit war, schaute ich gelangweilt aus dem Fenster und peilte über Pfosten des Fensters den Nachbarturm an und beobachtete die massiven Schwankungen der Türme. Binnen 30 Sekunden wurde ich seekrank und musste mich übergeben. Seitdem ist es für mich unverständlich, wie man Menschen in solche unnatürlichen Behausungen stopfen kann.

So viel Forschung hat ihren Preis. Ein Tiny House fängt laut Pedersen derzeit bei ungefähr 75.000 bis 80.000 Euro inklusive Mehrwertsteuer an. „Das ist die Benchmark. Bei unseren Tiny Katen geht das bis 130.000, 150.000 Euro hoch.“ Damit sind die Investoren noch nicht im Ziel: Hinzu kommt das Grundstück, die Erschließung und der Notar. Pedersens Empfehlung: „Bei Grundstück und allen Nebenkosten sollte man noch einmal die gleiche Summe kalkulieren. Man landet also in jedem Fall bei 150.000 oder 200.000 Euro.“

Wohnen im Tiny House: Viele wollen raus aufs Land

Seine Firma Rolling Tiny House arbeitet mit Grundstücksverkäufern zusammen, wo kleine Siedlungen entstehen, wie etwa in Visselhövede, im Wendland oder in Mecklenburg-Vorpommern. „Als ich vor 15 Jahren nach Mecklenburg-Vorpommern ausgewandert bin, haben mich alle gefragt, was ich im deutschen Osten will. Heute fragen meine Freunde mich, ob noch ein bisschen Platz für sie ist. Viele Menschen möchten raus aufs Land. Und da ist das Tiny Haus optimal.“

Wer auf den Geschmack gekommen ist, dem empfiehlt der Tiny-House-Pionier ein paar Tage „Probewohnen“. Im Minihaus ist der Raum maximal optimiert, jedes Möbelstück nach Maß gefertigt. „Das muss ich im Alltag ausprobieren, um zu spüren, ob das Haus zu meinen Lebensgewohnheiten passt.“ In seinem eigenen Garten hat der 64-Jährige ein Tiny House zum Probewohnen aufgestellt. Nur sein Sohn hat immer noch kein Minihaus bekommen – für sein Studium kam das Unternehmen etwas zu spät.