Hamburg. Katja Kröger, Betreiberin des Hotels Alster Au, nimmt 20 Flüchtlinge auf. Schicksal der Ukrainer trübt das Idyll immer wieder.
Normalität im Krieg wirkt absurd. Urlaub erst recht. Im Hotel Alster Au in Duvenstedt prallen diese Welten jedoch aufeinander. Hier, im Norden Hamburgs, herrscht Stadtrandidylle. Katja Kröger betreibt das Hotel mit Reetdach.
Um das Backsteinhaus zwitschern die Vögel, Kinder spielen im Garten. Gegenüber grasen Pferde. Es riecht nach Blumen, es fühlt sich nach Urlaub an. Doch die aktuellen Bewohner des Hotels sind nicht im Urlaub, sondern auf der Flucht.
Hotel Hamburg: Hier kommen Geflüchtete kommen unter
Ende Februar ist die 47-jährige Katja Kröger selbst im Urlaub auf Ibiza, als sie zusammen mit ihrer Freundin Anna Birkigt am Telefon beschließt: Wir nehmen Menschen auf. Über Hilfsnetzwerke bieten sie Unterkünfte an. Kröger beendet ihren Urlaub frühzeitig. „In so einer Situation reicht spenden nicht. Man muss etwas tun.“
Als sie Anfang März zurückkommt, ist schon eine Familie im Hotel untergebracht. „Insgesamt nahmen wir elf Erwachsene und neun Kinder auf“, sagt Kröger. Für all diese Menschen sind die beiden Frauen seit drei Wochen Ansprechpartnerinnen. Sie sammeln Spenden, Kröger bittet bei den Hotellieferanten für Lebensmittel um Unterstützung. „Manche zeigten sich sehr großzügig.“ Gegessen wird abends gemeinsam im großen Speisesaal. „Das war schon idyllisch“, so Birkigt. Doch immer wieder wird das Idyll unterbrochen. Es treffen Informationen von Verstorbenen aus der Ukraine ein – oder die Menschen erzählen einfach von ihrem Schicksal.
Ukrainer befestigten weiße Flagge am Auto
Beispielsweise Illya Krukivskyi. Er ist mit seiner Ehefrau Victoria und vier Kindern geflüchtet. Er sitzt in der Sonne auf der Terrasse, sein kleiner Sohn auf seinem Schoß, als er beginnt zu erzählen. Von Kiew flüchtete seine Familie erst in ein kleines Dorf. Dort harrten sie mit sieben weiteren Personen in einem Haus aus. Sie entschieden, das Land zu verlassen, als 300 Meter von ihnen entfernt Raketen einschlugen. „Wir setzten uns ins Auto und befestigten eine weiße Flagge“, erzählt Krukivskyi.
„Wir fuhren über Wälder und Wiesen an russischen Panzern vorbei. Das war der gruseligste Moment unseres Lebens.“ Mit diesen Bildern verlässt er seine Heimat – und kommt irgendwann im Hotel in Duvenstedt an: „Wir weinten. So eine Unterkunft hatten wir nicht erwartet“, sagt er. „Es ist besser als im Urlaub.“
Beerdigung unter kreischenden Sirenen
Auch Tanja Ostapchuk und ihr Ehemann Olek sind begeistert über die Unterkunft im Hotel Alster Au. Sie flohen vergangene Woche aus der Stadt Ostroh im Westen der Ukraine. Früher ging es nicht, sie wollten bei ihrem schwerkranken Schwiegervater bleiben. „Wir hatten Glück, ihn überhaupt beerdigen zu können“, sagt Ostapchuk.
Während der Geistliche bei der Beerdigung sprach, kreischten die Sirenen über der Stadt. Fliegeralarm. „Da habe ich verstanden, wie wichtig Frieden ist“, sagt die dreifache Mutter. Trotz all dem Erlebten betont sie im Gespräch immer wieder: „Wir sind hier nicht, um Urlaub zu machen. Wir wollen arbeiten.“
Langfristige Unterkünfte gesucht
Katja Kröger und Anna Birkigt helfen dabei. Die beiden Frauen organisieren nicht nur den Alltag und die Registrierung der Familien – sondern suchen für sie langfristige Unterkünfte. Fast alle kommen nun bei Privatpersonen in den Walddörfern unter. Kröger sagt: „Hier haben alle Häuser mit Einliegerwohnung oder Partykellern. Der Platz ist doch da.“ Nach ein bisschen „Klinkenputzen“ hat sich vieles zusammengefunden, was passt: So wohnt eine geflüchtete Frau, die kurz vor der Entbindung steht, bei einer Hebamme.
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„Da geht mir das Herz auf“, sagt Kröger. Langfristig sucht sie noch eine Unterkunft für eine Familie mit drei Kindern, die gerade bei einer älteren Dame untergekommen sind. Und für ein Rentnerehepaar. Aber Kröger ist zuversichtlich: „Mein Ziel war es, bis Ostern alle zu vermitteln. Das ging schneller als gedacht.“ Das ältere Ehepaar könne notfalls im Hotel bleiben: „Es ist ja nur ein Zimmer.“ Da spiele es auch keine Rolle, wie lang die Menschen bleiben.
Hotel Hamburg: Betreiberinnen bleiben Ansprechpartner
Das weiß ohnehin keiner. Viele wollen so bald wie möglich zurück. Kröger erzählt, eine Frau habe für ihre Flucht Sonderurlaub eingereicht. Sie sei schon von ihrem Arbeitgeber gefragt worden, wann sie zurückkomme. Doch daran sei jetzt nicht zu denken.
Und so helfen die Frauen schnell, dass die Geflüchteten auch langfristig hier leben können. Die Ersten erhalten schon Sozialhilfe, die ersten Kinder können in die Schule. Ranzen und Rucksäcke sind besorgt. „Sogar Rucksäcke für die coolen Jungs“, sagt sie lachend. Denn für die beiden Frauen ist klar, dass es mit der ersten Unterbringung nicht getan ist. Auf die Frage, wie lang Kröger und Birkigt planen, für die Geflüchteten da zu sein, gibt es eine einstimmige Antwort: „Na, für immer!“, lautet sie. Von ihrer Belastungsgrenze seien sie noch weit entfernt.