Hamburg. Die Hamburger Schulen bereiten sich auf viele geflüchtete Kinder aus der Ukraine vor. Dabei gibt es zwei große Unbekannte.

Auch das Außergewöhnliche kann zur Gewohnheit werden: Der Schulbeginn – diesmal nach den zweiwöchigen Märzferien – stand einmal mehr im Zeichen der Pandemie. Bevor der eigentliche Unterricht beginnen konnte, absolvierten die Schülerinnen und Schüler die obligatorischen Corona-Schnelltests. Wer positiv aus dem Frühjahrsurlaub zurückkam, musste oder durfte gleich wieder gehen und sich in häusliche Isolation begeben.

Und doch war etwas anders: Die ersten Kinder und Jugendlichen, die mit ihren Familien vor dem Angriffskrieg Russlands gegen die Ukraine geflüchtet sind, haben ihren ersten Schultag in einem völlig neuen Umfeld erlebt. Vermutlich wird jedoch erst in den kommenden Wochen absehbar sein, wie viele Flüchtlingskinder aus dem osteuropäischen Staat hier unterrichtet werden. Da im Augenblick auch nicht bekannt ist, ob die Reiserückkehrer an den Schulen wie nach früheren Ferienzeiten zu einem deutlichen Anstieg der Infektionsquoten führen werden, handelt es sich um einen Schulstart mit zwei Unbekannten.

Schulbehörde hat zehnköpfigen Krisenstab eingerichtet

Vor zwei Wochen hat die Schulbehörde einen zehnköpfigen Krisenstab eingerichtet, dessen wichtigste Aufgabe es ist, genügend Unterrichtsangebote für schulpflichtige Kinder aus der Ukraine zu entwickeln. Doch worauf müssen sich die Schulen einstellen?

„Belastbare Zahlen über im Schulsystem registrierte, zugewanderte Kinder und Jugendliche können wir zum Schulbeginn nach den Ferien noch nicht nennen“, sagt eine Sprecherin der Schulbehörde. Es sei nicht zu erwarten, dass alle Menschen, die bereits in Hamburg angekommen sind, sich unmittelbar der Schulplatzsuche widmeten. „Wir gehen davon aus, dass sich die Familien erstmal orientieren und sich etwa 14 Tage nach ihrer Ankunft melden werden“, sagt die Sprecherin.

Ukrainische Eltern können Kinder über zwei Wege anmelden

Etwas unüberschaubar ist die Lage auch deshalb, weil es zwei Wege für ukrainische Eltern gibt, ihre schulpflichtigen Kinder (sechs bis 18 Jahre) für den Unterricht anzumelden: einmal über das Schulinformationszentrum (Tel. 428 99 22 11), mit dem ein Beratungstermin vereinbart werden muss, bei dem die Kinder auch entsprechend ihren Vorkenntnissen eingestuft werden.

Zum anderen können sich Familien auch direkt an eine einzelne Schule in der Nähe ihrer Unterkunft wenden. „Wir wissen aktuell noch nicht, wie viele Anmeldungen schon in den Schulbüros vorgenommen wurden“, heißt es aus der Schulbehörde. Im Schulinformationszentrum gehe es vordringlich um die Suche nach einem Schulplatz und nicht um das Zählen der registrierten Schüler. Im Lauf der kommenden Woche will die Schulbehörde die Gesamtzahlen der ukrainischen Kinder und Jugendlichen in den Schulen ermitteln.

Behörde muss von Schätzungen ausgehen

So bleibt es vorerst bei Schätzungen: Behördenintern wird damit gerechnet, dass ein Viertel der geflüchteten Ukrainerinnen und Ukrainer (derzeit rund 15.000) Kinder und Jugendliche im schulpflichtigen Alter sind. Etwa 80 Prozent der Minderjährigen werden voraussichtlich an den allgemeinbildenden Schulen, 20 Prozent an den berufsbildenden Schulen unterrichtet. Die Erst- und Zweitklässler werden direkt in die Grundschul-Regelklassen eingeschult.

Die älteren Jungen und Mädchen besuchen die Basisklassen und internationalen Vorbereitungsklassen (IVK), die allen Zugewanderten ohne ausreichende deutsche Sprachkenntnisse offenstehen. Auf dem Höhepunkt der Zuwanderung von Flüchtlingen in den Jahren 2015/2016 gab es 525 IVK und Basisklassen, derzeit sind es 225. Geplant ist, in den kommenden Wochen weitere 300 dieser Klassen einzurichten.

Lehrer erwarten gleichmäßige Verteilung der Schüler

„Wir erwarten von der Schulbehörde, eine gleichmäßige Verteilung der geflüchteten Kinder und Jugendlichen auf alle Stadtteile sowie auf alle Schulen, auch auf die Gymnasien, sicherzustellen“, sagt Sven Quiring, Landesvorsitzender der Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW). Nach zwei Jahren Pandemie werde die Ukraine-Zuwanderung eine große Herausforderung für die Schulen, obwohl „sich die Lehrkräfte erfahrungsgemäß sehr für geflüchtete Kinder und Jugendliche engagieren“. Nach Ansicht der GEW werden jetzt zusätzliche Fachkräfte vor allem in den Bereichen Schulsozialarbeit und -psychologie sowie Sprachbildung gebraucht.

Die CDU-Opposition bezeichnete die Vorbereitungen des rot-grünen Senats für Betreuung und Begleitung der schulpflichtigen Flüchtlingskinder als „mager“. Es sei jetzt an der Zeit, die Integrationsklassen wieder zu aktivieren und dafür Personal zu finden.

„Damit Hamburg nicht erneut einen Fehlstart nach den Ferien hinlegt, fordern wir den Senat auf, unverzüglich einen Fahrplan für die Begleitung, Betreuung und Beschulung Minderjähriger aus der Ukraine auszuarbeiten, wie schnellstmöglich das Personal zu rekrutieren ist und die Struktur der IVK-Klassen wiederhergestellt kann“, sagte die CDU-Schulpolitikerin Birgit Stöver. Pensionierte Lehrkräfte wieder in den Schuldienst zu holen, sei dabei nur ein erster Schritt. Erste Zahlen über die Entwicklung der Pandemie an den Schulen werden am Donnerstag der kommenden Woche vorliegen.