Hamburg. Die Heikotel-Kette beherbergt in drei Hamburger Hotels fast 100 Geflüchtete. Hier finden die Kriegsopfer etwas Ruhe. Ein Ortsbesuch.
In einem großen Sessel am Rand der kleinen Hotellobby sitzt mit geschlossenen Augen ein erschöpft wirkender Mann, in der Hand hält er seinen Reisepass. Er trägt Wanderschuhe, an seinen Beinen lehnt ein randvoll gepackter Rucksack. Wenige Meter weiter erklärt die Rezeptionistin einer ukrainischen Familie mithilfe einer Übersetzungsapp den Weg zur zentralen Erstaufnahme in Rahlstedt.
Seit Montag dieser Woche beherbergt das Heikotel City Nord in Barmbek Geflüchtete aus der Ukraine. Heiko Fuhlendorf, Besitzer der Heikotel-Kette, bringt in drei seiner Hamburger Hotels jeweils 30 Geflüchtete unter. „In erster Linie machen wir das aus humanitären Gründen, aber man darf natürlich nicht verhehlen, dass wir aus der Corona-Krise kommen, die Zimmer sind leer. Wenn wir unsere Kosten damit halbwegs decken können, ist das natürlich eine Win-win-Situation.“ Aufgrund von Personalmangel will er Gästen, die arbeiten möchten, außerdem Jobs in einem seiner Hotels anbieten.
Ukraine-Flüchtlinge kommen im Hotel unter
Am Mittwochmittag ist bereits ein Großteil der Zimmer belegt, der Hotelier rechnet mit einer Vollbelegung bis zum Abend. Bis Ende März hat die Stadt die Zimmer angemietet, aktuell ist eine schrittweise Verlängerung bis September vorgesehen. Eigentlich, so Fuhlendorf, bietet sein Hotel nur Frühstück an. Die Bitte der Stadt, den neuen Gästen Vollverpflegung anzubieten, stellt den Betrieb nun noch vor kleinere Startschwierigkeiten. „Ab nächster Woche können unsere Gäste selbst auswählen, was sie essen möchten, gerade übersetzen wir das Menü.“
Bei einer ukrainischen Familie, die alleine im Speisesaal beim Mittagessen sitzt, erkundigt sich Fuhlendorf, ob alles in Ordnung sei. Ein junger Ehrenamtlicher, der die Mutter mit ihren zwei Kindern vom Ankunftszentrum zum Hotel begleitet hat, übersetzt: „Es ist wunderbar hier, wir hatten nicht mit so einer Unterbringung gerechnet.“
Mit fünf Kindern und Mutter aus Ukraine geflohen
Iuliia Vasylenko sitzt am schmalen Küchentisch eines hellen Hotelzimmers, in dem zu anderen Zeiten hauptsächlich Geschäftsreisende unterkommen. Das kleine Appartement ist mit einer eigenen Kochmöglichkeit ausgestattet. Ihre drei Söhne im Alter von vier, sechs und acht Jahren sitzen in ihren Schlafanzügen dicht beieinander auf einem cremefarbenen Ledersessel und schauen auf dem Handy ihrer Mutter kichernd eine laute Kindersendung. Die Strapazen der vergangenen Wochen stehen Iuliia Vasylenko ins Gesicht geschrieben. Erst gestern hat die Familie ihr Zimmer bezogen.
Die gelernte Friseurin arbeitete bis zum Beginn des Krieges in einem kleinen Salon in Charkiw, der ostukrainischen Großstadt, die bereits seit drei Wochen unter russischem Beschuss steht. Ihr Ehemann ist noch dort, das Paar lebt bereits seit Längerem getrennt. Anfang März hatte sie mit ihren fünf Kindern und ihrer Mutter das Land verlassen, in Polen kamen sie für eine Woche in einer Kirche unter. Anschließend reiste die Familie weiter nach Berlin.
Ukraine-Flüchtling: „Viel Druck in mir“
Ihr ältester Sohn und ihre Tochter sind momentan noch zusammen mit der Großmutter in einem Hostel in Berlin untergebracht. Nach fünf Tagen in einer Großunterkunft kann Vasylenko den plötzlichen Tapetenwechsel noch nicht richtig fassen: „Es ist schön hier, aber mir gehen so viele Dinge durch den Kopf.“ Um die Registrierung in Hamburg will sie sich in den nächsten Tagen kümmern. „Jetzt kann ich das nicht. Ich brauche Schlaf, ich habe noch so viel Druck in mir“, sagt sie und ballt die Fäuste. Doch nach der ersten Nacht im eigenen Zimmer fühle sie sich bereits etwas ruhiger.