Hamburg. Gewerkschaft bittet Eltern um Verständnis und Unterstützung – Träger kritisieren Ausstand als “verfrüht“ und “unsensibel“.

Viele Eltern von Kindergartenkindern dürften am Dienstag im gesamten Norden vor verschlossenen Türen gestanden haben. Unter dem Motto „Mehr braucht mehr“ hatte die Dienstleistungsgewerkschaft Ver.di im Rahmen der aktuell laufenden Tarifverhandlungen um verbesserte Arbeitsbedingungen im Sozial- und Erziehungsdienst zu einem bundesweiten Streik der Beschäftigten aufgerufen.

Allein in Hamburg waren wegen der Arbeitsniederlegung vieler Beschäftigter mehr als ein Dutzend Kindertagesstätten geschlossen, teilt Ver.di-Sprecher Michael Stock vom Hamburger Landesbezirk mit. In Hannover waren es 41. In Bremen blieben hingegen alle Einrichtungen geöffnet, da sich die Beschäftigten dort auf einen sogenannten „Delegiertenstreik“ einigten, bei dem aus jeder Kindertagesstätte eine Person „entsandt“ worden war, wie Sprecher Tobias Morchner vom Ver.di Landesbezirk Niedersachsen-Bremen erklärte.

Tarifverhandlungen: Keine Einigung in erster Runde

Bremen kam deshalb auf rund 100 Personen, die sich an dem Streik beteiligten und Hannover auf 800, so Morchner. In Hildesheim nahmen Beschäftigte hingegen erst nach Dienstschluss an Kundgebungen und Aktionen teil.

Hintergrund der Proteste war die erste Runde der Tarifverhandlungen mit der Vereinigung der kommunalen Arbeitgeberverbände (VKA) am 25. Fe­bruar, bei der es zu keiner Einigung zwischen den Parteien gekommen war. Ursprünglich waren die Verhandlungen bereits für 2020 angesetzt gewesen, wegen der Pandemie jedoch verschoben worden.

Gewerkschaft fordert „Vorbereitungszeit“

Zwar tue es der Gewerkschaft um die Belastung der Eltern leid, aber sie bitte „nicht nur um (…) Verständnis, sondern auch um (…) Unterstützung, denn letzten Endes ziehen (…) alle an einem Strang“, wie es in einer Information an die Eltern heißt. Konkrete Forderungen bezüglich verbesserter Arbeitsbedingungen umfassen beispielsweise das Einräumen einer sogenannten „Vorbereitungszeit“, die Beschäftigte in Kindertagesstätten und sozialen Einrichtungen benötigten und angerechnet bekommen sollen, um sich in pädagogische Konzepte einzulesen. „Man muss sich inhaltlich vorbereiten und diese Zeit liegt derzeit im Graubereich“, erklärt Stock. Zudem müsse das Thema „Praxisanleitung“ angegangen werden.

„Es gibt einfach zu wenig Zeit, um künftige Kolleginnen und Kollegen anzuleiten und einzuarbeiten“, betont Stock. Dies müsse insbesondere angesichts des Fachkräftemangels verbessert werden. Darüber hinaus fordert die Gewerkschaft eine verbesserte Bezahlung von Kindertagesstätten-Leitungen und eine Veränderung der Bewertungskriterien für die Bezahlung des Leitungspersonals. Diese richteten sich derzeitig allein nach der Anzahl der zu betreuenden Kinder und nicht nach der Anzahl des Personals der Kindertagesstätte, erklärt Stock. „Teilweise gibt es 30 oder 40 Beschäftigte in einer Kindertagesstätte und das will schließlich erstmal geleitet sein“, so der Sprecher.

„Elbkinder“ kritisiert Aufruf zum Streik

Kritik kommt von der Vereinigung der kommunalen Arbeitgeberverbände Schleswig-Holstein, da die „diesjährigen Tarifverhandlungen für die Beschäftigten im kommunalen Sozial- und Erziehungsdienst (…) erst am Anfang“ stünden. „Ich kann gut verstehen, dass die Erwartungen der Beschäftigten nach der ersten Verhandlungsrunde nicht erfüllt wurden“, sagt Karin Welge, Präsidentin und Verhandlungsführerin der VKA SH. „Dass die Gewerkschaften Ver.di und dbb nun nach nur einer Verhandlungsrunde zum Streik aufrufen“, entspreche allerdings nicht dem tatsächlichen Verhandlungsstand, so Welge.

Auch der größte kommunale Träger von Kindertagesstätten in Hamburg, „Elbkinder“, äußerte sein Unverständnis und beurteilte den Aufruf der Gewerkschaft für „ausgesprochen unsensibel“ und „verfrüht“. Ähnlich positioniert sich der Arbeitgeberverband „Arbeitsrechtliche Vereinigung Hamburg e. V.“: „Wie viele andere verstehen wir nicht, weshalb es bereits zu diesem Zeitpunkt zu einem Streik kommt“, sagte Geschäftsführer Urban Sieberts. „Normalerweise gibt es eine erste Verhandlungsrunde, nach der man sich zurückzieht und die Forderungen bespricht. Danach folgt eine zweite, die ja auch bereits seit Langem auf den 21. und 22. März terminiert ist, sodass wir spätestens Mitte Mai zu einer Einigung kommen können“, so Sieberts.

Tarifverhandlungen: Ver.di Hamburg reagiert auf Kritik

Diesem Vorwurf tritt Ver.di Hamburg jedoch klar entgegen: „Wenn in der ersten Verhandlungsrunde alle Forderungen abgelehnt werden“, müsse man „schnell“ handeln, sagt Sprecherin Anja Keuchel. Die „überwältigende Teilnahmebereitschaft von mehr als 2000 Beschäftigten“ allein in Hamburg zeige wie wichtig dieser Aspekt für die Arbeitnehmer sei, so die Sprecherin. In Niedersachsen sind von den Tarifverhandlungen insgesamt mehr als 30.000 Beschäftigte direkt betroffen. In Bremen sind es mehr als 2600 und in Schleswig-Holstein laut Ver.di Nord rund 23.000 Beschäftigte, die „mittelbar oder unmittelbar von der Tarifrunde betroffen sind.“