Hamburg. Innenbehörde spricht von „explosionsartigen Anstieg“ der Geflüchtetenzahlen. Viele fühlen sich unzureichend informiert.

Als Luba Dimandt Montagmittag an der Zentralen Erstaufnahmeeinrichtung (ZEA) in Rahlstedt ankommt, befinden sich dort bereits Hunderte Geflüchtete, um sich registrieren zu lassen. Vorbei an wildgeparkten Autos zeichnet sich bereits beim Einbiegen in den Bargkoppelweg ab, welch ein Chaos ankommende Geflüchtete an der ZEA zu erwarten haben.

Dass die ukrainische Familie, die Luba Dimandt als freiwillige Helferin unterstützt, zur Erstregistrierung nach Rahlstedt muss, wisse sie nur, weil sie sich „seit Tagen damit beschäftigte“, wie sie erzählt. „Ich entnehme alle Informationen aus Facebook-Gruppen“, sagt sie. Doch was nun genau nach der Ankunft vor dem ZEA zu tun ist, weiß auch sie nicht. Genauso wenig wie alle anderen, die dort warten. „Brauche ich einen gültigen Corona-Test, um hereinzukommen?“, fragt eine aufgebrachte Frau auf Ukrainisch. „Was passiert als Nächstes?“, fragt eine weitere. „Es fehlt einfach die Information“, sagt Luba Dimandt und schaut sich ratlos um.

Ukraine-Krieg: Chaos am ZEA in Hamburg-Rahlstedt

Ratlos und regelrecht wütend ist auch Viktor Zilke, der mit seinen beiden Schwägerinnen vor dem Zentrum wartet. Der Ukrainer lebt bereits seit 27 Jahren in Hamburg und kann es nicht fassen: „Ich war schon vor drei Tagen hier, und auch da gab es keinerlei Informationen und keine Ordnung. Einfache Maßnahmen wie Absperrgitter oder Schilder mit Informationen würden ja schon helfen“, sagt Zilke. Von einem Wachmann des Bezirksamts Mitte habe er erfahren, dass die Geflüchteten sich hier registrieren lassen müssten, nachdem er vor ein paar Tagen ratsuchend im Rathaus abgewiesen worden sei.

Während der gebürtige Ukrainer sich über die fehlende Logistik ärgert, treffen immer mehr Menschen ein. Die Schlange reicht nun bis zu einem Areal, wo sich Ankommende auf Corona testen lassen und etwas zu trinken und zu essen erhalten können. Doch plötzlich wird es still. Eine junge Frau stürmt sichtlich aufgebracht durch das Tor des Zentrums und schreit die Wartenden auf Ukrainisch an. Die Einfahrt des Zentrums müsse für hereinfahrende Fahrzeuge frei gehalten werden, und die Geflüchteten sollten sich gefälligst ordentlich anstellen, übersetzt eine Wartende. Auch ein Mann schreit auf Ukrainisch und deutet auf das Eingangstor des ZEA, hinter dem sich das Zelt für die Registrierung befindet. Viele Wartende schauen sich eingeschüchtert an. Doch einige von ihnen machen sich auch bereits wieder auf den Heimweg. Diejenigen nämlich, die eine vorübergehende Bleibe hätten, sollten übermorgen wiederkommen, bittet die ZEA.

Geflüchtete: Unterkunft in Messehallen

Dass es zu derartigen Situationen kommt, führt der Staatsrat der Behörde für Inneres und Sport, Bernd Krösser, auf den „explosionsartigen Anstieg“ der Zahl der Geflüchteten zurück. Rund 750 Menschen erreichten Hamburg momentan pro Tag, was „alle Mitarbeitenden des Ankunftszentrums vor große Herausforderungen“ stelle, erklärt Krösser. Rund 50 Personen seien allein mit der Registrierung beschäftigt. Weiteres Personal der Einheit „fördern und wohnen“ kümmere sich darüber hinaus um eine Bleibe für die Geflüchteten.

Auch in den Messehallen entstehen Mini-Wohnungen für Flüchtlinge.
Auch in den Messehallen entstehen Mini-Wohnungen für Flüchtlinge. © Michael Arning

Diese könnte sich künftig in den Messehallen befinden. Das Deutsche Rote Kreuz (DRK) hat dort im Auftrag der Sozialbehörde für rund 1000 Menschen eine Unterkunft in sogenannten Compartments eingerichtet – ähnlich wie im Jahr 2015. Anders als damals gebe es jedoch richtige Betten sowie Schränke und Stühle in den 16 Quadratmeter großen Bereichen, die den Familien „wenigstens noch ein Minimum an Privatsphäre“ gewährleisten sollen, sagt Markus Kaminski vom DRK Hamburg.

Bis Sonntag: 1279 Kriegsflüchtlinge registriert

Doch nicht nur in den Messehallen bereitet sich die Stadt auf die Ankunft weiterer Geflüchteter aus der Ukraine vor. In der ganzen Stadt würden Standorte, die bereits während früherer Flüchtlingskrisen genutzt wurden, für eine Unterbringung eingerichtet. „Wir fahren die Kapazitäten jetzt sukzessive hoch“, sagte der Sprecher der Innenbehörde, Daniel Schaefer. Auch in Hotels und Jugendherbergen werden bereits Geflüchtete untergebracht. Bei größeren Ankünften am Hauptbahnhof werden Shuttlebusse des HVV eingesetzt, um die Menschen ins Ankunftszentrum nach Rahlstedt zu bringen.

Wie viele Ukrainer in der nächsten Zeit in Hamburg Schutz suchen werden, blieb jedoch offen. Bis einschließlich Sonntag seien 1279 Kriegsflüchtlinge offiziell registriert worden, hieß es. Die tatsächliche Zahl sei jedoch höher, weil viele Geflüchtete privat unterkommen. Nicht alle werden aktuell registriert, auch weil der Andrang im Ankunftszentrum derzeit zu groß ist.

Registrierungsprozess kann nachgeholt werden

„Unsere Priorität liegt derzeit darauf, diejenigen unterzubringen, die nicht wissen, wo sie sonst unterkommen sollen“, sagte Schaefer. Wer nicht durch die Behörden untergebracht werden muss, solle sich deshalb erst Mitte oder Ende der Woche am Ankunftszentrum anmelden. „Wir holen den Registrierungsprozess dann nach“, so der Behördensprecher.

Dafür steht ab Mittwoch der Standort des Amtes für Migration an der Hammer Straße 32-34 in Wandsbek (täglich geöffnet von 8 bis 17 Uhr) zur Verfügung. Personen, die noch eine Unterkunft brauchen, sollen sich aber wie bisher auch an das Ankunftszentrum in Rahlstedt zur Registrierung wenden.