Hamburg. Entscheidung im Prozess um die Ukw-Frequenz 97,1 MHz könnte Konsequenzen für gesamte Hamburger Kulturwirtschaft haben.

Es ist eine bisher einmalige Angelegenheit für die Hamburger Justiz und könnte Konsequenzen für die Weiterentwicklung der gesamten Hamburger Kultur- und Kreativwirtschaft nach sich ziehen: Der Prozess um die Ukw-Frequenz 97,1 MHz. Am 3. März könnte das Oberverwaltungsgericht Hamburg eine Entscheidung fällen, die nicht nur die Hamburger Radiobranche beträfe.

Es schien alles wie ein schlechter Traum: Nach gut zwanzig Jahren und insgesamt drei Versuchen sollte Markus Kuehns und Mona Rübsamens Vision von „einer Alternative im Radio“ für Hamburg Wirklichkeit werden. Die beiden Geschäftsführer und Gründer des Radiosenders FluxFM bekamen im November 2019 von der Medienanstalt Hamburg/Schleswig-Holstein die langersehnte eigene Ukw-Frequenz im Rahmen einer Neuvergabe zugewiesen. Die Freude war riesig, weshalb Kuehn und Rübsamen, die bereits seit gut zehn Jahren mit FluxFM einen Standort in Berlin betreiben, direkt ein Team zusammenstellten.

Radio FluxFM Hamburg: Ende um Ukw-Frequenzstreit in Sicht

Doch drei Tage bevor es am 1. August 2020 mit FluxFM Hamburg auf Sendung gehen sollte, setzte der Schock ein. Das Verwaltungsgericht Hamburg legte ihre Pläne mit sofortiger Wirkung auf Eis: Energy Hamburg, der die FluxFM zugewiesene Frequenz bis dato zwanzig Jahre lang unterhielt und sich ebenfalls um eine erneute Zuweisung bei der MA HSH beworben hatte, klagte mit einem Eilantrag beim Verwaltungsgericht gegen die Zuweisungsentscheidung der Medienanstalt HSH und erhielt Recht. Auch ein anschließendes Hauptverfahren endete zugunsten Energys mit der Begründung, dass „die Beigeladene (FluxFM) ihrem Antrag keinen den Ausschreibungsanforderungen genügenden Finanzplan beigefügt habe“, wie das Verwaltungsgericht Hamburg mitteilt.

Zu diesem Zeitpunkt ist es beinahe ein Jahr her, dass sich der Medienrat der MA HSH „mit einer deutlichen Mehrheit“ für FluxFM anstatt für den zum französischen Medienkonzern NRJ gehörende und nach eigenen Angaben „europaweit führende“ Radiosender „Energy“ entschieden hatte, wie die Sprecherin der MA HSH, Simone Bielfeld, mitteilt. Wie es in einer Pressemitteilung der MA HSH heißt, habe sie den von FluxFM der Bewerbung beigefügten Finanzplan „als berücksichtigungsfähig eingestuft“ und „die Vorgaben zum Finanzplan nicht als Ausschlusskriterien für das Zuweisungsverfahren“ formuliert. Das Gericht stütze laut Medienanstalt HSH seine Entscheidung „allein darauf, dass sich der von FluxFM mit der Antragstellung eingereichte Finanzplan nicht auf die nach der Ausschreibung geforderten fünf Jahre ab Zuweisungsbeginn, sondern nur auf drei Jahre bezogen habe.“

Für Markus Kuehn war die Entscheidung des Verwaltungsgerichts ein Schock, hatten er und seine Geschäftspartnerin Mona Rübsamen doch vor, den Hamburger Standort ähnlich wie den Berliner aufzubauen: Mit wöchentlichen kostenlosen Konzerten und einer Veranstaltungsstätte für „die ganzen Leute aus der Kultur- und Kreativbranche“, wie der Geschäftsführer sagt. „In Berlin waren wir für unzählige Bands die Startrampe und das würden wir auch gerne in Hamburg sein. Denn wir glauben, dass Hamburg das verdient hat.“ Für die gesamte Hamburger Musikbranche wäre Kuehn und Rübsamen zufolge eine endgültige Absage an FluxFM, eine „sehr traurige“ Nachricht, da die „massive Unterstützung von allen Seiten“ darauf hindeute, das FluxFM etwas sei, was Hamburg fehle.

Radio Hamburg trat Ukw-Frequenz 104,1 MHz zweitweise ab

Um die Hamburgerinnen und Hamburger trotz des Gerichtsurteils mit ihrem „stark auf Kultur- und Kreativschaffende“ ausgerichtete Programm versorgen zu können, bemühte sich der Geschäftsführer um eine kurzfristige anderweitige Lösung und fand mit Radio Hamburg einen solidarischen Partner, der seine Ukw-Frequenz 104,1 MHz zeitweise bis zum 31.12.2021 an FluxFM abtrat. Das Musikverständnis von FluxFM gehe weit über aktuelle Charts hinaus, sei durchaus „anspruchsvoll“, und greife auch „gesellschaftskritische“ Themen auf, betonen die Geschäftsführer.

Dass nicht nur die Gründer selbst ihren Sender als Bereicherung für die Hamburger Radiolandschaft sehen, zeigten zum einen „die vielen liebevollen E-Mails“, die sie erhielten, seitdem der Sender nicht mehr über Ukw sendet. Zum anderen stammte die Idee, sich 2019 ein drittes Mal für eine Ukw-Frequenz in der Hansestadt zu bewerben, nicht von den Gründern selbst, wie sie sagen. Vielmehr waren es Musiklabels und weitere musikalische Akteure wie unter anderem das Reeperbahn Festival oder der Anchor Award, die sie auf die Ausschreibung aufmerksam machten.

Hamburger Senat: „rivate Radiosender leisten wichtigen Beitrag

Auch der Hamburger Senat weiß um die Bedeutung einer vielfältigen Radiolandschaft, wie Anja Bornhoeft, Sprecherin der Behörde für Kultur und Medien, sagt: „Private Radiosender leisten einen wichtigen Beitrag zur kulturellen sowie zur Meinungsvielfalt. Für die Akteurinnen und Akteure der Musikszene sind Sender mit Musikschwerpunkt wichtige Partner. Das ist auch in Hamburg als traditionsreicher Musikstadt wichtig, zu der große Institutionen wie die Staatsoper oder die Elbphilharmonie genauso beitragen wie die kreative freie Musikszene und die lebendige Clubkultur.“

Da es sich bei dem konkreten Fall jedoch um ein andauerndes Verfahren handle, mache der Senat hierzu keine Angaben, erklärt die Behörde. Das grundsätzliche Ziel der Behörde für Kultur und Medien sei jedoch, „die Rahmenbedingungen für Kultur, Medien und Kreativwirtschaft optimal zu gestalten, um Künstlerinnen und Künstler genauso wie Kulturinstitutionen und Unternehmen gut durch die Pandemie zu bringen und gute Voraussetzungen für die Weiterentwicklung Hamburgs als Kultur- und Medienstadt zu schaffen.“

FluxFM sendet seit Januar digital

Um den Hamburgerinnen und Hamburgern bis zur Entscheidung am 3. März weiterhin sein alternatives Programm zur Verfügung zu stellen, sendet FluxFM seit dem 1. Januar digital. Doch dies reiche nicht, um seine Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter zu finanzieren, sagt Kuehn und macht klar: „Ohne eine Ukw-Frequenz wird es FluxFM Hamburg nicht dauerhaft geben.“ Für FluxFM sei eine Ukw-Frequenz „absolut notwendig“, um ausreichende Einnahmen für „vernünftige Gehälter der Mitarbeiter“ und laufende Kosten zu generieren. Sowohl die Prozesskosten als auch die Monate ohne UKW-Frequenz zu überbrücken, sei für sie „als kleiner Sender“ sehr herausfordernd.

Auf die Frage hin, wie Energy Hamburg sich zu dem Prozess und der bevorstehenden Entscheidung positioniere und was ein potenzieller Verlust für den Sender bedeuten würde, wollte sich Energy Hamburg nicht äußern.