Hamburg. Verantwortlich für das größte innerstädtische Stadtentwicklungsvorhaben Europas: Was Andreas Kleinau für den zentralen Stadtteil plant.

Spuren hinterlassen, der Stadt etwas zurückgeben und im Leben noch mal etwas Neues machen. Das hat Andreas Kleinau daran gereizt, sich beruflich neu aufzustellen. Nach mehr als 20 Jahren erfolgreicher Selbstständigkeit, zuletzt führte der 55-Jährige gemeinsam mit Partnern eine Immobilienberatungsfirma mit rund 100 Mitarbeitern, arbeitet Kleinau heute für die HafenCity Hamburg GmbH.

Genauer gesagt: Er ist der neue Chef, hat im November vergangenen Jahres die Nachfolge von Jürgen Bruns-Berentelg als Vorsitzender der Geschäftsführung angetreten. Dieser lenkte 18 Jahre lang die Geschicke von Hamburgs neuem Stadtteil und hinterlässt große Fußstapfen. Für Unternehmer Kleinau war der Wechsel eine weitreichende Entscheidung. Denn um diesen Job machen zu dürfen, musste er seine Firmenanteile veräußern.

Hamburg Mitte: Andreas Kleinau ist neuer Chef der HafenCity

Andreas Kleinau hat es getan und nicht bereut. Bereits im Herbst 2020 war er als Geschäftsführer in das städtische Unternehmen eingestiegen, und seit zwei Monaten ist Kleinau die Nummer eins. „Als Berater sind Sie erfolgreich, wenn Ihre Kunden Erfolg haben. Aber das ist ein flüchtiges Geschäft, denn mit dem, was Sie erreicht haben, sind Sie nicht sichtbar.“ Das dürfte sich jetzt ändern. Denn Kleinau ist nicht nur verantwortlich für 80 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, sondern auch für das größte innerstädtische Stadtentwicklungs­vorhaben Europas mit einer Fläche von 157 Hektar.

Inzwischen leben hier rund 6500 Menschen, es sind rund 15.000 Arbeitsplätze entstanden. Der erste Bewohner ist 2004 in die HafenCity gezogen. Den Abschluss des Bauvorhabens bildet das Elbbrückenquartier. „Die Aufgaben der HafenCity Hamburg GmbH entwickelten sich explosionsartig. Im Quartier Elbbrücken sind noch einige wenige Grundstücke vorhanden, die wir in den kommenden Jahren Interessenten anbieten werden“, sagt Kleinau.

Warum der Elbtower eine Referenz für die Stadt sein kann

Hier wird bis Anfang 2026 auch der Elbtower entstehen. Ein 245 Meter hoher Wolkenkratzer – als neues Wahrzeichen für Hamburg. Diesen Begriff würde An­dreas Kleinau nicht wählen. „Das ist ein bedeutendes Bauwerk für die Stadt. Der Elbtower, den ich architektonisch ansprechend finde, wird nach seiner Fertigstellung den neuen östlichen Eingang der HafenCity bilden.“

Der HafenCity-Hamburg-Chef sieht das XXL-Gebäude als eine Referenz für die Stadt. „Der Elbtower könnte internationale Konzerne auf Hamburg aufmerksam machen und eine Rolle spielen bei der Entscheidung für diesen Standort“, sagt Kleinau beim exklusiven Abendblatt-Gespräch in einem Besprechungsraum in der Firmenzentrale an der Osakaallee­ mit Blick auf den Magdeburger Hafen.

„Wenn ich mal zu Hause gearbeitet habe, dann im Keller“

Zuvor hatte Andreas Kleinau zu einer kleinen Radtour durch den neuen Stadtteil eingeladen. Er mag die Gegensätze. Die werden schon deutlich, wenn sich auf der einen Seite das Internationale Maritime Museum im historischen Kaispeicher B erhebt und daneben die neu erbauten Elbarkaden stehen – ein 170 Meter langes Wohn- und Bürohaus an der Wasserkante. Weiter geht es Richtung Lohsepark – einem vier Hektar großen Grünzug. „Es ist wichtig, dass wir in der HafenCity viel Grünflächen schaffen, die eine hohe Aufenthaltsqualität bieten.“ Am Eingang zu dem Grünzug hält Andreas Kleinau kurz an. Sein Blick schweift über das Wasser auf die Ericusspitze. Dort thront das Gebäude vom „Spiegel“.

Das von dem Kopenhagener Büro Henning Larsen Architects entworfene 13-geschossige Gebäude mit der markanten Glasfassade hatte das Nachrichtenmagazin im September 2011 bezogen. Den Umzug des Medienhauses von der Brandstwiete in den neuen Hauptsitz hatte Kleinau damals als Berater entscheidend begleitet. Dass die HafenCity der neue Standort wurde, fädelte der Immobilienexperte ein. Dieser Auftrag hatte übrigens maßgeblich dazu beigetragen, dass er zum ersten Mal ein Büro in Hamburg eröffnete. „Bis dahin hatte ich zwar immer in Hamburg gelebt, aber war immer nur unterwegs. Und wenn ich mal zu Hause gearbeitet habe, dann im Keller“, sagt Kleinau lächelnd.

Der erste Arbeitgeber war das Quickborner Team

Der neue „Mister HafenCity“ ist ein Ur-Hamburger, geboren und aufgewachsen in Langenhorn. Dort hat er am Gymnasium Heidberg sein Abitur gemacht. In der Schule sei er im guten Mittelfeld gewesen, sagt er selbst. Danach studierte Kleinau Betriebswirtschaftslehre an der Universität Hamburg und promovierte am Arbeitsbereich für Betriebswirtschaftliche Datenverarbeitung. Sein erster Arbeitgeber war das Quickborner Team.

Das klingt nach Provinz. Kleinau schmunzelt. „Die Gründer kamen aus Quickborn, daher kommt der Name. Aber das Unternehmen hatte große Aufträge im In- und Ausland.“ Mit Anfang 30 machte sich Kleinau mit der Macon Gesellschaft für Unternehmensberatung selbstständig. Der Sitz war in München, doch der Gründer lebte weiter in Hamburg und war bedingt durch seine Mandate meist in der Schweiz tätig.

Kleinau sieht sich als Teamspieler und Coach

Im Jahre 2015 fusionierte dann seine Macon mit der Quickborner Team, und daraus wurde die international tätige Immobiliengesellschaft Combine Consulting GmbH mit Niederlassungen in gleich mehreren deutschen Metropolen – Hamburg war auch dabei. Sein Ziel, in zwei Jahren die Zahl der Mitarbeiter von rund 60 auf 100 zu erhöhen, habe er auch erreicht. Bis heute ist seine Maxime: „Ich bin ein Teamplayer und sehe mich auch als Coach für meine Mitarbeiter.“

Zurück in den Lohsepark. Den hat Kleinau auch für den Fototermin gewählt. Entspannt posiert er für den Fotografen, später steht er noch neben der HafenCity Universität am Wasser Modell. Bis vor einigen Jahren eilte der HafenCity der Ruf voraus, dass hier vor allem futuristische Gebäude für eine wohlhabende Klientel hochgezogen werden. Gut, das ist in einigen besonderen Lagen immer noch so. Aber heute wird darauf geachtet, dass neben hochpreisigem Wohnraum auch bezahlbare Wohnungen entstehen.

HafenCity: Mitte der 2020er-Jahre soll Planung abgeschlossen sein

Ein Beispiel dafür ist das Quartier der Generationen am Baakenhafen – hier sind öffentlich geförderte Wohnungen für ab 6,60 Euro Kaltmiete zu haben. „Ich setze auf eine sozial gerechte Stadt. Monokulturen sind nicht mehr zeitgemäß, wir brauchen eine gute Durch­mischung aller Schichten. Die HafenCity ist für alle da und nicht nur für den Mittelstand und Wohlvermögende.“ „Wohlvermögende“ ist eine interessante Wortschöpfung. Man könnte auch „Reiche“ sagen, aber das wäre keine Formulierung, die Kleinau wählen würde.

Er ist ein angenehmer zugewandter Gesprächspartner. Weicht keiner Frage aus und spricht auch Klartext. „Ich hätte diesen Job nicht übernommen, um den Ausverkauf der HafenCity zu organisieren.“ Denn so ab Mitte der 2020er-Jahre soll die Planung der HafenCity weitgehend abgeschlossen sein – dann werden hier bis zu 15.000 Menschen leben und 45.000 Arbeitsplätze entstanden sein – und nach und nach die letzten Gebäude fertiggestellt werden. Aber damit ist die Mission von Kleinau noch lange nicht beendet. Die 100-prozentige Tochter der Stadt ist nämlich auch verantwortlich für die Science City Hamburg Bahrenfeld und das Gebiet Billebogen, das direkt östlich an die HafenCity anschließt.

Grasbrook: Im Sommer erste Ausschreibungen geplant

Und für die Entwicklung des neuen Stadtteils Grasbrook, das ehemalige Hafengebiet, welches am Südufer der Elbe liegt. Dort sollen in Bürogebäuden Arbeitsplätze für rund 16.000 Menschen entstehen und rund 3000 Wohnungen. „Hier haben wir von der ersten Stunde an die Chance, auf die Vielfalt bei den Wohnformen zu achten. Es wird Miet- und Eigentumswohnungen geben. Auch Baugemeinschaften und Genossenschaften werden auf dem Grasbrook zum Zuge kommen“, sagt Kleinau. Demnächst wird der Bebauungsplan öffentlich ausgelegt. „Im Sommer diesen Jahres sollen bereits die Ausschreibungen für die ersten Baufelder erfolgen“, so Kleinau.

Der weitere Zeitplan? „Wir gehen von einem Baubeginn 2023/2024 aus, und wenn alles gut läuft, könnten die ersten Wohnungen bereits 2027 bezogen werden.“ Auf dem Grasbrook wird es viel Grün geben, der Autoverkehr soll von dieser Elbinsel weitgehend verbannt werden. Apropos Auto.

Auf dem Segelboot kann Andreas Kleinau abschalten

Der neue HafenCity-Chef kommt mit dem E-Bike zur Arbeit. Und das nicht nur bei Sonnenschein. „Ich habe eine Satteltasche dabei. Da ist Bekleidung für jede Witterung drin.“ Andreas Kleinau lebt in Hoheluft-Ost, schätzt dort die zentrale Lage, die Geschäfte und Gastronomie. In die HafenCity würde er nicht ziehen. „Ich möchte nicht dort leben, wo ich arbeite.“

Der Immobilienexperte ist ein Familienmensch. Die Söhne aus erster Ehe sind 21 und 23 Jahre alt. Vor Kurzem hat Kleinau wieder geheiratet, und seine Partnerin hat zwei noch schulpflichtige Kinder mit in die Ehe gebracht. Zum Ausgleich stehen für Kleinau Joggen und Spinning – bereits um 6 Uhr morgens – auf dem Programm. Und es gibt einen Rückzugsort. An der Flensburger Förde liegt sein Segelboot. Ablegen bedeutet für ihn „abzuschalten pur“.