Hamburg. Die Gastronomin erklärt, was die Kleinen wirklich brauchen, wie Erwachsene von ihnen lernen können und warum sie Tim Mälzer besucht.

Gerade werden in Hamburg Unterschriften für eine Petition für weiterhin bezahlbares Schulessen gesammelt – dabei geht es vor allem darum, dass alle Kinder auch in Zukunft ein ausgewogenes, gesundes Mittagessen bekommen. Für dieses Ziel setzt sich auch die Gastronomin und Fernsehköchin Sarah Wiener schon seit Jahren leidenschaftlich ein, ob als EU-Abgeordnete oder als Frontfrau ihrer Initiative „Ich kann kochen!“, die sich mit der Ernährung von Kindern im Kita- und Schulalltag beschäftigt.

„Ich habe mich immer für Lebensmittel interessiert, den Transformationsprozess, wie aus einer grauen Pampe ein köstlicher Nusskuchen entsteht“, sagt die Österreicherin. Gemeinsam mit der Barmer Krankenkasse gibt Sarah Wiener über die nach ihr benannte Stiftung und „Ich kann kochen!“ pädagogischem Personal die Möglichkeit, sich kostenfrei als GenussbotschafterIn ausbilden zu lassen. 400 gibt es schon in Hamburg, in insgesamt 150 Kitas und Schulen. Ziel ist es, das Wissen über gutes Essen in Kochkursen an die Kleinen weiter geben.

Sarah Wiener: „Kinder verschlingen, was sie kennen“

Denn auch Geschmack lässt sich schulen. „Kinder verschlingen, was sie kennen“, sagt Wiener. Oft seien das Kohlenhydrate gepaart mit Fett und Salz, wie Nudeln und Pizza. In ihren vielen Stunden mit Kindern am Herd und Ofen habe sie aber auch von ganz anderen Vorlieben erfahren. „Wie bei meinem Sohn, der Rosenkohl und gedämpften Fisch liebte.“

Für Wiener geht es darum, dass Kinder die Möglichkeit bekommen sollten, die Vielfalt der Ernährung kennenzulernen. „Am Ende ist es eine Befreiung von der Vorstellung, Kinder müssten immer so einen Pommesteller mit Ketchup serviert bekommen oder ein ausgebackenes Schnitzel“, sagt Wiener. „Erst damit erwecken wir eine Erwartungshaltung und zementieren etwas, was wir gar nicht zementieren sollten: nämlich eigentlich minderwertiges Essen.“

„Kinder sollten das mitessen, was angeboten wird"

Die Köchin kennt Nörgeleien am Tisch – spielt aber den Ball den Eltern zu. „Wenn man Kindern nix zutraut und ihnen nix abverlangt, dann muss man sich nicht wundern, wenn man zu Hause kleine Quälgeister hat“, meint sie. „Kinder sollten das mitessen, was angeboten wird. Vorauseilend Kinder zu beschränken und zu sagen, die wollen immer nur Spaghetti oder Pizza essen, ist nicht der Engstirnigkeit der Kinder geschuldet, sondern unserer Fantasielosigkeit.“

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So gibt es in Sarah Wieners Rezepten für die Familie und solchen, bei denen Kinder gut mithelfen können, viel Abwechslung: Frischkäsegalette mit Gemüsefüllung etwa, Möhrencremesuppe mit Kräuterrahm, Quark oder süße Hefebrötchen. „Wenn man die Geduld und die Zeit hat – immer die Kinder in die Küche holen und sie mitarbeiten lassen!“, rät Wiener. „Weil sich Kinder dann mehr identifizieren mit dem, was gekocht und gegessen wird. Und sie sehr viel lernen über Geschmäcker und die Vielfalt von Speisen.“ Dies sei ein zentraler Baustein für „gesundes Aufwachsen.“

Ruhe und Zeit für das Kochen einplanen

Klar ist aber auch: Mit knurrendem Magen und gestressten Familienmitgliedern kann das gemeinschaftliche Kochen schwierig werden, denn es braucht sicher mehr Zeit, mithilfe der Kleinen ein Gericht zuzubereiten als allein. Die Basis sei „Ruhe, Zeit und Gelassenheit“, sagt Wiener. „Und: Die Wahrnehmung des Kindes ernst nehmen. Zum Beispiel beim Yoghurt abschmecken: Das Kind möchte viel weniger Zucker oder Kräuter haben als ich – ein gute Übung, andere zu respektieren.“

Keine Gurke müsse akkurat geschnitten sein und Möhrchen nicht in perfekten Halbkreisen auf dem Teller landen. Wichtig sei es, Vertrauen in die Kinder zu haben und sich von festen Vorstellungen zu trennen, wie etwas auszusehen habe. Und außerdem: „Es ist oft viel einfacher und entspannter, Kinder mitarbeiten zu lassen. So züchtet man sich schon den Nachwuchs heran, der einen später bekochen kann. Eine Win-win-Situation.“ Wiener lacht.

„Kinder sind sehr bemüht, etwas zu können“

Zusammen zu kochen ist für die Gastronomin ein „Erweiterungserlebnis des eigenen Seins“. Es gebe heute so wenig Möglichkeiten, „mit allen Sinnen etwas zu spüren, zu schmecken, zu riechen, zu knacken. Etwas zu machen, ein Werk zu kreieren, das schmeckt, genussvoll ist und auch noch von einem selber stammt“, sagt Wiener. „Kinder sind sehr bemüht, etwas zu können. Es ist einfach eine Freude, mit Kindern zu arbeiten, zu sehen, wie sie unbeeindruckt und ohne Vorurteile an die Sache herangehen.“

Ganz wichtig: Man solle die Kleinsten nicht unterschätzen. „Kinder haben sehr viel feinere Geschmacksnerven“, weiß Wiener. „Wir können mit einer Fertigpackerlsuppe aufwachsen und dennoch Lust verspüren auf eine selbst gemachte Tomatensuppe.“

„Wir sind Vorbild, werden fein beobachtet ab Minute eins“

Die Österreicherin erinnert sich schwärmerisch an den gedeckten Apfelkuchen ihrer Mutter – auch „fünfzig Versuche“ hätten bisher nicht ausgereicht, um genau den Geschmack zu treffen, den sie aus ihrer Kindheit kenne. „Geschmackserlebnisse, Erinnerungen, Gefühle und die Eltern oder Großeltern selbst sind wichtige Bausteine für die spätere Art und Weise der Ernährung. Wir sind Vorbild, werden fein beobachtet ab Minute eins.“ Wenn Eltern nur Convenience-Food aus der Fritteuse essen würden, sei es absurd anzunehmen, dass das Kind nach einem Grünkern-Bulettchen verlange, sagt die Köchin.

Ihr Rosenkohl liebender Sohn Artur wohnt übrigens in Hamburg. Ihn und seine Familie inklusive kleiner Enkelin besucht Sarah Wiener, die in Berlin Restaurants führt und auf einem Bauernhof in der Uckermark lebt, immer sehr gern. Und schaut dann auch häufig“ bei ihrem liebsten TV-Kollegen Tim Mälzer vorbei: „Weil man eben da gerne hingeht, wo man gut behandelt wird und frisch gekocht wird.“ Liebe geht halt durch den Magen, von Anfang an.