Hamburg. Die Region in Österreich gilt noch als Geheimtipp. Zu Gast bei „Vier Flaschen“ ist in dieser Folge Experte und Winemaker Martin Muschlin.
Der Österreicher Alfred Riedl ist eigentlich für seine Uhren bekannt, sein Unternehmen Jacques Lemans ist international tätig, in den USA wirbt Schauspieler Kevin Costner für die Produkte. Die Weine, die Riedl seit wenigen Jahren auf dem Weingut Burg Taggenbrunn produzieren lässt, sind dagegen noch ein Geheimtipp.
Das will Michael Kutej, Weinkenner und Inhaber der Hamburger Hanse Lounge, in unserer Reihe „Vier Flaschen“ ändern – auch weil er sich besonders freut, dass aus seiner Heimat Kärnten plötzlich Weine kommen, die sich mit denen aus den bekannten Weinregionen Österreichs (etwa Wachau/Kremstal) messen lassen können. Zusammen mit Rieslingliebhaber Lars Haider, Apfelsaftschorlentrinker Axel Leonhard und, vor allem!, dem Kärntner Weinmacher Martin Muschlin testet Kutej einen Brut Rosé, einen Chardonnay, einen Weißburgunder und einen sogenannten Gemischten Satz.
Und das mit gemischten Gefühlen. Denn einerseits hat Kärnten im Weinbau eine lange Tradition, die sich bis ins neunte Jahrhundert zurückverfolgen lässt, andererseits war die Weinherstellung im 19. Jahrhundert komplett zum Erliegen gekommen. Heute werden auf einer immer noch überschaubaren Fläche von 200 Hektar in Kärnten Weine angebaut, rund 40 Hektar davon gehören allein dem Weingut Burg Taggenbrunn, das eine halbe Stunde von Klagenfurt entfernt liegt, und damit Alfred Riedl.
„Vier Flaschen“: Wein aus Kärnten
Der hat mit Muschlin einen Winemaker in sein Unternehmen geholt, der vorher überall in der Welt unterwegs war, in Kalifornien, Südafrika, Neuseeland und Australien, aber wie Kutej gebürtiger Kärntner ist – und deshalb froh, wieder in seiner Heimat zu sein: „Die Bedingungen für den Weinanbau bei uns sind gut, weil es zwischen Tag und Nacht große Temperaturunterschiede gibt.“ Das macht die Weine frischer, das Klima sorgt auch dafür, dass man in Kärnten verhältnismäßig spät ernten kann, nämlich im Oktober.
Zur ersten Flasche, einem Gemischten Satz aus dem Jahr 2019, einer Mischung aus den Rebsorten Chardonnay, Pinot Blanc, Sauvignon blanc, Grüner Veltliner und Muskateller. In Österreich ist vorgeschrieben, dass die Trauben gemeinsam verarbeitet werden, sonst darf man nicht von einem Gemischten Satz sprechen.
Der wiederum ist nicht mit dem Wiener Gemischten Satz zu verwechseln, bei dem die verwendeten Trauben sogar vom selben Hang stammen müssen. Der Wein riecht wie ein Sauvignon blanc, schmeckt aber nicht so, „der Unterschied zwischen der Nase und dem Gaumen ist sehr groß“, sagt Kutej, der unter anderem Wiesenkräuter, grünen Apfel und Zitrone schmeckt und auf die „höhere Säurestruktur“ aufmerksam macht: „Es ist diese Säure, die einen Wein am Leben hält.“
„Chardonnay hat in Deutschland ein Imageproblem“
Zu Flasche Nummer zwei, und damit zu einer Rebsorte, die weltweit zu den am meisten angebauten und beliebtesten gehört, in Deutschland aber umstritten ist. Es geht um Chardonnay, der wie der allseits getrunkene Grauburgunder aus der Burgunder-Familie stammt, aber nicht nur in der Hanse Lounge von Kutej kaum bestellt wird: „Chardonnay hat in Deutschland ein Imageproblem“, sagt Lars Haider und gibt zu, dass er sich davon beim Test des Weins aus Kärnten, Jahrgang 2019, nicht lösen kann: „Das ist einer dieser Weine, bei dem ich mich morgen nicht mehr werde erinnern können, wonach er geschmeckt hat.“ Nämlich nach Pfirsich und gelbem Apfel und, wegen der Schieferböden, auf dem die Reben stehen, Salz. Kutej findet, dass der Chardonnay „eine gute Länge und eine Tiefe hat, ich mag den ganz gern“.
Mit dem Pinot Blanc in Flasche Nummer drei, einem sieben (!) Jahre alten Weißburgunder, kann der Chardonnay allerdings nicht mithalten, der Vergleich verbietet sich. 2016 wurde der Pinot Blanc zu einem der 200 besten Weine Österreichs gewählt, zu Recht, so Kutej: „Ich finde es erstaunlich, wie frisch der nach so einer langen Zeit noch ist. Das beweist, dass man Weißburgunder viel, viel länger lagern und danach noch gut trinken kann, als das gemeinhin behauptet wird.“
Muschlin glaubt, dass man diesen Pinot Blanc, der nach Fenchel und Karamell schmeckt, 30 bis 40 Jahre aufbewahren könnte – und dass er wunderbar zu einem Essen passt, das auch mal etwas schwerer sein darf.
Rechtsstreit um Jacques Paagnier
Die schönste Geschichte kann der Weinmacher aber zur letzten Flasche erzählen, einem Brut Rosé, also einem Schaumwein, mit dem schönen Namen Jacques Paagnier. „Wenn man das schnell ausspricht, klingt es fast wie Champagner“, sagt Kutej, und tatsächlich ist das nicht nur in Österreich aufgefallen: „Es hat dazu gerichtliche Auseinandersetzungen gegeben, die wir allerdings für uns entschieden haben“, sagt Muschlin.
Soll heißen: Der orange schimmernde Sekt darf trotz der phonetischen Ähnlichkeit zum großen Vorbild aus Frankreich als Jacques Paagnier verkauft werden; er riecht dezent nach Himbeeren und schmeckt nicht wie ein Rosé, sondern wie ein „richtiger, ernsthafter Wein“, so Kutej.
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Die „Vier Flaschen“ können Sie sich auch unter www.abendblatt.de/podcast anhören oder auf dem YouTube-Kanal des Hamburger Abendblatts ansehen. Im Wechsel mit der bekannten, etwa 90 Minuten langen Folge gibt es alle zwei Wochen eine schnelle Variante: In maximal 9:59 Minuten testen Kutej, Haider und Leonhard eine Flasche Wein, die unter zehn Euro kosten muss und die am Ende mit Punkten von eins bis zehn bewertet wird.
Das passende Magazin „Vier Flaschen“ gibt es u. a. in der Abendblatt-Geschäftsstelle und auf abendblatt.de/shop. Es kostet 9 Euro.