Hamburg. 1755 Einsprüche gab es allein im vergangenen Jahre. Das häufigste Argument: Die Maskenpflicht war nicht bekannt .

„Ich wusste nicht …“ „Ich wollte doch nur ...“ „Das war keine Absicht!“ Der Redefluss von Angelika B. ist kaum zu stoppen, die 60-Jährige ist aufgebracht. Nein, sie sei keine Corona-Leugnerin, beteuert die Hamburgerin. Ja, sie sei stets auf Sicherheit bedacht. Und das ganz besonders dann, wenn es mögliche Infektionen mit dem Coronavirus betreffe sowie Vorschriften, die es einzuhalten gelte. Aber dass sie in der Innenstadt einen Mund-Nasen-Schutz hätte tragen müssen? Diese Regel sei ihr nicht bekannt gewesen.

Angelika B. ist vor Gericht gezogen, weil sie einen Bußgeldbescheid in Sachen Corona nicht bezahlen möchte. Damit ist die Hamburgerin eine von vielen Bürgern in der Hansestadt, die gegen entsprechende Maßnahmen vorgehen und Einspruch eingelegt haben. Insgesamt 1755 Verfahren waren es allein im vergangenen Jahr, über die das Amtsgericht zu entscheiden hat.

Corona-Bußgeld:vMeistens geht es um Verstöße gegen die Maslkenpflicht

„Von der zweiten Jahreshälfte 2020 an standen vor allem Zuwiderhandlungen gegen das Abstandsgebot im öffentlichen Raum im Vordergrund“, erklärt Gerichtssprecher Kai Wantzen auf Abendblatt-Anfrage. Mittlerweile gehe es überwiegend um mutmaßliche Maskenverstöße – also um Situationen, in denen die oder der Betroffene in der Öffentlichkeit ohne Maske angetroffen wird, obwohl in dem entsprechenden Gebiet Maskenpflicht bestand.

Manchmal bestehe in solchen Fällen Streit darüber, ob der Ort tatsächlich in den Bereich der Maskenpflicht fällt oder ob die Maskenpflicht dort für den Betroffenen erkennbar war. In einigen Fällen fühlten sich die Betroffenen einfach ungerecht behandelt.

Angelika S. hielt Hinweise auf dem Bürgersteig für Kreidemalerei

Darum geht es auch Angelika B., die jetzt vor dem Amtsgericht gegen einen Bußgeldbescheid vorging. Die 60-Jährige hatte am 15. März vergangenen Jahres ein entsprechendes Schreiben von der Innenbehörde erhalten mit der Aufforderung, 150 Euro zu bezahlen. Der Vorwurf, der der Hamburgerin gemacht wurde: Sie sei am 20. Januar vergangenen Jahres auf dem Ida-Ehre-Platz als Fußgängerin verbotswidrig ohne die vorgeschriebene Mund-Nasen-Bedeckung unterwegs gewesen. „Ich war spazieren“, erzählt die Frau jetzt im Ordnungswidrigkeitsverfahren der Richterin.

Schilder, die auf eine Maskenpflicht hindeuteten, habe sie nicht gesehen. Ein Polizist habe sie auf entsprechende Hinweise, die auf dem Bürgersteig waren, aufmerksam gemacht. „Ich hielt das eigentlich für Kreidemalerei“, schildert Angelika B. aufgebracht. „Ich dachte, das seien Kinderzeichnungen.“ Wenn sie die Hinweise als solche erkannt hätte, hätte sie sich daran gehalten. „Ich wäre die Allerletzte, die sich dem widersetzen würde“, beteuert die Hamburgerin. „Für mich hat Sicherheit absolute Priorität.“

Angelika S. nimmt ihren Einspruch zurück

Die Richterin erläutert der Frau, der Vorwurf laute, sie habe fahrlässig gegen die Maskenpflicht verstoßen. „Das bedeutet, dass Sie die Maskenpflicht hätten erkennen können und sich nicht ausreichend gekümmert haben.“ Gerade zu jener Zeit Anfang vergangenen Jahres sei wiederholt in allen Medien über die Verpflichtung zum Tragen eines Mund-Nasen-Schutzes in bestimmten Bereichen der Stadt hingewiesen worden. „Es ist ausgeschlossen, dass Sie das nicht mitbekommen haben.“

Deshalb seien die 150 Euro Bußgeld nach ihrer Überzeugung angemessen, betont die Richterin. Entsprechend würde auch ihr Urteil ausfallen, wenn Angelika B. darauf bestehen würde, dass die Richterin eine Entscheidung fällt. Bei einem Urteil würden zusätzlich Gerichtskosten anfallen. „Dann wird es ein bisschen teurer.“ Die Betroffene habe aber die Möglichkeit, ihren Einspruch zurückzunehmen. Dann werde sie in den kommenden Tagen Post mit einer schriftlichen Aufforderung zur Zahlung der 150 Euro erhalten. Angelika B. überlegt einen Augenblick. „Ich fühle mich ungerecht behandelt. Aber wenn es so ist, ist es so.“ Sie nimmt ihren Einspruch zurück. „Dann ist jetzt alles gut?“, möchte sie noch von der Richterin wissen. Die bestätigt mit einem kurzen „Ja!“

150 Euro bei einem Verstoß gegen die Maskenpflicht

Ähnlich wie bei Angelika B. läuft es in mehreren weiteren Verfahren an diesem Vormittag vor dem Amtsgericht. Da ist etwa Aslan M., der am 19. Januar vergangenen Jahres am Steindamm ohne Maske unterwegs war. Auch Jan H. hat Einspruch gegen einen Bußgeldbescheid eingelegt, nachdem er vor einem Jahr an der Spitalerstraße ohne Mund-Nasen-Schutz angetroffen wurde. Beide Männer argumentieren, sie hätten um die Verpflichtung, eine Corona-Maske zu tragen, nicht gewusst. Doch als ihnen die Richterin die Rechtslage erläutert, nehmen sie ihre Einsprüche zurück. „Wenn Sie sagen, das muss man so hinnehmen, dann mache ich das“, meint Jan H.

„Die Einspruchsverfahren im Zusammenhang mit den Corona-Maßnahmen bedeuten für den Strafbereich des Amtsgerichts eine spürbare Mehrbelastung“, erläutert Gerichtssprecher Kai Wantzen. Zum Vergleich: Die Gesamtzahl dieser 1755 zusätzlichen Verfahren beim Amtsgericht Hamburg im Jahr 2021 entspreche in etwa der Zahl der jährlichen Einspruchsverfahren wegen Ordnungswidrigkeiten im Straßenverkehr.

Einsprüche von Unternehmen wegen Verstößen gegen Öffnungsverbote

Neben den Verfahren, in denen sich Bürger gegen Bußgeldbescheide wegen der Abstands- und Maskenregeln wehren, kommt es vor Gericht auch zu Einspruchsverfahren von Unternehmern, die gegen Öffnungsverbote verstoßen haben sollen. „Diese stehen aber mengenmäßig nicht so sehr im Vordergrund“, sagt Wantzen. Vor Gericht ging es beispielsweise in zwei Verfahren um Kiezclubs, in denen außerhalb der wegen Corona eingeschränkten Öffnungszeiten noch Gäste bewirtet wurden. In einem anderen Fall waren deutlich mehr Besucher in dem Club, als es hätten sein dürfen. Dafür waren Bußgeldbescheide von 5000 beziehungsweise 10.000 Euro verhängt worden.

Bei Verstößen gegen die Maskenpflicht oder das Abstandsgebot werden in den Bußgeldbescheiden regelhaft 150 Euro fällig. Im Wiederholungsfall müssten die Bürger mit Zuschlägen rechnen, häufig mit einer Verdoppelung des Betrags. Und bei hartnäckigen Mehrfach-verstößen kommt es zu deutlich höheren Zahlungsaufforderungen: Da geht es dann auch mal um bis zu 900 Euro.