Hamburg. Einrichtungen haben Ressourcen ausgeschöpft und können Personalausfälle kaum noch kompensieren. Das fordert die Gewerkschaft.

Die Infektionszahlen steigen in der ganzen Stadt, doch in einem Bereich werden die Auswirkungen derzeit besonders deutlich: in den Kitas. Immer mehr Einrichtungen müssen ganz oder teilweise geschlossen werden, weil Kinder und Erzieher erkranken und in Quarantäne müssen.

Laut Sozialbehörde können seit vergangenem Freitag bereits in 25 Kitas und mehr als 60 Kita-Gruppen keine Kinder mehr betreut werden. Selbst die großen Träger haben mittlerweile Sorge, den Betrieb nicht mehr aufrechterhalten zu können, und bitten vermehrt die Eltern, ihre Kinder zu Hause zu lassen.

Personal krank: Elbkinder-Kitas bitten Eltern um Unterstützung

„Wir erleben derzeit einen deutlichen und hohen Anstieg der Personalausfälle, auch von geimpften beziehungsweise geboosterten Mitarbeitenden“, sagt Katrin Geyer, Sprecherin der städtischen Elbkinder-Kitas. Die zahlreichen angeordneten Quarantänen könnten kaum noch kompensiert werden, alle zur Verfügung stehenden Ressourcen seien ausgeschöpft.

„Dort, wo Betreuung kaum noch zu gewährleisten ist, bitten wir die Eltern um Unterstützung, also, wenn möglich, die Kinder zu Hause zu betreuen“, sagt Geyer. Aktuell sei noch keine Elbkinder-Kita komplett, aber Dutzende Gruppen teilgeschlossen – und weitere würden folgen.

SterniPark-Kitas: "Situation war noch nie so schlimm wie jetzt"

Auch in den SterniPark-Kitas werde es zunehmend schwer, den Betrieb noch aufrechtzuerhalten, wie Geschäftsführerin Leila Moysich dem Abendblatt sagt: „Die Situation war noch nie so schlimm wie jetzt. Wir hatten noch nie ein so hohes Infektionsgeschehen, und es hat den Anschein, dass die Stadt das billigend in Kauf nimmt.“ Schließlich müssten die Kita-Erzieher täglich mit denen arbeiten, die sich nicht impfen lassen können – und das ohne Schutzkleidung.

Zur täglichen Sorge vor Ansteckungen komme der Frust über die Kommunikation mit den Gesundheitsämtern. „Diese haben wir mittlerweile aufgegeben“, sagt Moysich. „Natürlich melden wir alles, aber die Ämter sind so überlastet, dass wir nur Standardmails zurückbekommen.“ Darin werde um Verständnis gebeten, dass es bei der Beantwortung zu „teils erheblichen Verzögerungen“ komme, verbunden mit der Bitte, von „Nachfragen zum weiteren Prozedere“ abzusehen.

Erzieher wünschen sich mehr Verständnis von Sozialbehörde

Das „Abwägen von Entscheidungen ohne eine Rückmeldung des Gesundheitsamtes, sich häufig ändernde Bestimmungen und die Sorge um die Gesundheit der Kinder und Mitarbeitenden“ stellt auch die evangelischen Kitas des Diakonischen Werks vor „enorme Herausforderungen“. „In dieser belastenden Situation wünschen wir uns, dass die Sozialbehörde in der Kommunikation mit den Eltern noch deutlicher macht, dass sie hinter den Kitas und deren Entscheidungen steht und ihnen den Rücken stärkt“, sagt Gabi Brasch, Vorständin des Diakonischen Werks Hamburg.

Neben einem transparenten und zeitnahen Vorgehen der Gesundheitsämter wünsche man sich vor allem Verständnis – für die Beschäftigten der Kitas, aber auch für die Eltern und die Bedürfnisse der Kinder. Darum begrüße man das Ziel der Stadt, die Kitas so lange wie möglich offen zu halten.

Die aktuellen Corona-Fallzahlen aus ganz Norddeutschland:

  • Hamburg: 2311 neue Corona-Fälle (gesamt seit Pandemie-Beginn: 430.228), 465 Covid-19-Patienten in Krankenhäusern (davon auf Intensivstationen: 44), 2373 Todesfälle (+2). Sieben-Tage-Wert: 1435,3 (Stand: Sonntag).
  • Schleswig-Holstein: 1362 Corona-Fälle (477.682), 623 Covid-19-Patienten in Krankenhäusern (Intensiv: 39). 2263 Todesfälle (+5). Sieben-Tage-Wert: 1453,0; Hospitalisierungsinzidenz: 7,32 (Stand: Sonntag).
  • Niedersachsen: 12.208 neue Corona-Fälle (1.594.135), 168 Covid-19-Patienten auf Intensivstationen, 7952 Todesfälle (+2). Sieben-Tage-Wert: 1977,6; Hospitalisierungsinzidenz: 16,3 (Stand: Sonntag).
  • Mecklenburg-Vorpommern: 700 neue Corona-Fälle (381.843), 768 Covid-19-Patienten in Krankenhäusern (Intensiv: 76), 1957 Todesfälle (+2), Sieben-Tage-Wert: 2366,5; Hospitalisierungsinzidenz: 11,9 (Stand: Sonntag).
  • Bremen: 1107 neue Corona-Fälle (145.481), 172 Covid-19-Patienten in Krankenhäusern (Intensiv: 14), 704 Todesfälle (+0). Sieben-Tage-Wert Stadt Bremen: 1422,6; Bremerhaven: 2146,1; Hospitalisierungsinzidenz (wegen Corona) Bremen: 3,88; Bremerhaven: 7,04 (Stand: Sonntag; Bremen gibt die Inzidenzen getrennt nach beiden Städten an).

Auch Krippenkinder in Hamburg werden jetzt getestet

Das soll auch mit den neuen Quarantäneregeln erreicht werden, die seit 15. Januar in Hamburg gelten. Diese seien für Kitas von besonderer Bedeutung, da sie den Ausfall von Fachkräften zeitlich begrenzten, wie die Sozialbehörde am Mittwoch in einem Schreiben an alle Kitas und Eltern mitteilte. Die Regeln sehen eine maximale Isolationspflicht von zehn statt bisher 14 Tagen vor und ermöglichen eine frühere Freitestung.

Um das Ausbruchsgeschehen an den Kitas weiter einzudämmen, sollen zudem künftig auch Krippenkinder in die Teststrategie einbezogen werden. In die Krippe gehen Kinder, die jünger als drei Jahre alt sind. Eltern von über Dreijährigen sollen ihre Kinder bereits dreimal wöchentlich mit Antigen-Schnelltests testen, die ihnen kostenlos zur Verfügung gestellt werden.

Hamburger Kitas in Not: CDU kritisiert Senat

Die jetzt geplante Ausweitung komme zu spät, kritisiert die familienpolitische Sprecherin der CDU-Bürgerschaftsfraktion, Silke Seif. Ein Antrag der CDU, Eltern von Krippenkindern kostenlose Schnelltests zur Verfügung zu stellen, sei erst im Dezember mit den Stimmen von Rot-Grün abgelehnt worden.

„Ich bin ehrlich gesagt fassungslos, wie die Sozialbehörde gerade agiert und trotz der Lage die Kitas weiter öffnet“, sagt Annkatrin Eschler, Leiterin der Elbpiraten-Kitas in Lokstedt und Bahrenfeld, dem Abendblatt. Bei fast allen aktuellen Fällen in der Einrichtung Gasstraße seien die Schnelltests negativ ausgefallen. „Die Schnelltests scheinen bei Omikron nicht gut genug zu reagieren. Die Situation spitzt sich tagtäglich weiter zu, und die Angst bei den Mitarbeitern ist nicht mehr zu verbergen.“

GEW: Kita-Mitarbeiter in Hamburg haben jetzt schon resigniert

Eschler fordert darum einen eingeschränkten Regelbetrieb zum Schutz der Mitarbeiter, ebenso wie die Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW). Nur mit weniger Kindern in der Kita könnten feste Kohorten ohne Durchmischung der Kinder gebildet werden, so Kita-Experte Jens Kastner. Solange die Kitas aber uneingeschränkt geöffnet seien, könnten Eltern kein Kinderkrankengeld beantragen, um ihre Kinder selbst zu Hause zu betreuen.

Die wichtigsten Corona-Themen im Überblick

Entsprechende offizielle Regelungen, die es den Eltern ermöglichten, alternative Betreuung zu organisieren, vermisst auch der LEA, der Landeselternausschuss Hamburg. Wie stark Hamburgs Eltern das Kinderkrankengeld in der Pandemie nutzen, zeigt eine aktuelle Auswertung der Techniker Krankenkasse: Im vergangenen Jahr wurden 40.564 Anträge gestellt – im Vergleich zum Vorjahr ein massiver Anstieg um 189 Prozent (14.030 Anträge in 2020).

Laut GEW hätten viele Kita-Mitarbeiter aber schon jetzt resigniert. Kastner: „Diejenigen, die jetzt noch vor Ort sind, geben an, dass es nur noch ein ,Warten auf den zweiten Strich‘ ist, damit man aus dem Laden rauskommt und mit einem – hoffentlich – milden Verlauf zwei Wochen lang seine Ruhe hat.“