Hamburg. Dirk Hünerbein ist der Mann, der in der HafenCity einen neuen Stadtteil baut – ein Projekt, noch teurer als die Elbphilharmonie.

In der HafenCity läuft ein Projekt, das noch größer und noch teurer ist als die Elbphilharmonie: Es geht um eine Fläche von 419.000 Quadratmetern, um 650 Wohnungen, 4000 Büroarbeitsplätze, drei Hotels mit 850 Zimmern, ein Kreuzfahrtterminal, 200 Geschäfte, 40 Restaurants: das Westfield Überseequartier.

In unserer Reihe „Entscheider treffen Haider“ spricht Dirk Hünerbein, Director of Development Germany von Unibail-Rodamco-Westfield, über das Missverständnis mit dem Einkaufszentrum, Wohnungen für über 60-Jährige und die Zukunft der Hamburger Innenstadt.

Das sagt Dirk Hünerbein über …

… den ambitionierten Zeitplan des Überseequartiers:

„Wir planen nach heutiger Sicht nach wie vor im Herbst 2023 die Eröffnung. Spätestens Ende 2023 werden auch alle Gerüste weg sein, sodass man das Quartier in seiner gesamten Schönheit bewundern kann. Natürlich sind wir durch Corona in Seenot geraten, was die Lieferketten und die Arbeiter anging, aber wir haben das gemeistert und hatten zum Glück nie einen Stillstand. Inzwischen sind wir aus dem Boden raus, wer mal am Überseequartier vorbeifährt, sieht, dass oberirdisch richtig was passiert. Und die Erfahrung lehrt uns: Wenn man erst mal im Hochbau ist, geht es relativ schnell.“

… das Missverständnis mit dem Einkaufszentrum:

„Wenn Leute vor dem Modell des Westfield Hamburg-Überseequartiers stehen, fragen sie oft: Wo ist denn jetzt das Einkaufszentrum, über das ich gelesen habe und über das so viele sprechen, das ist ja gar nicht zu sehen. Das liegt daran, dass wir kein Einkaufszentrum, sondern ein Stück Innenstadt bauen, in dem Einzelhandel zwar ein wesentlicher Bestandteil ist, es aber noch deutlich mehr Nutzungen gibt. Und die Geschäfte, die man bei uns finden wird, werden anders sein als anderswo. Wir werden eine sogenannte Flagship-Destination sein, ein Standort, an dem sich Marken und Händler optimal präsentieren können, mit dem neuesten Store-Design, außergewöhnlichen Services und gern auch mit größeren Sortimenten. Unter anderem kommt Breuninger mit 14.000 Quadratmetern nach Hamburg, aber auch Rewe und Budni mit Flagship-Filialen mit individuell auf den Standort angepassten Gesamtkonzepten. Im Freizeitbereich wird es zum Beispiel Hamburg-Premieren von Legoland Discovery Centre sowie Kinopolis geben. Zudem werden einige Marken mit ihren größten und fortschrittlichsten Store-Konzepten nach Hamburg kommen.“

… die Zukunft der Hamburger Innenstadt und die Frage, ob das Überseequartier Fluch oder Segen für die alte City ist:

„Ich glaube schon, dass das Westfield Hamburg-Überseequartier der Hamburger Innenstadt einen neuen Schub geben wird. Leider haben wir in der City über Jahrzehnte an Attraktivität verloren, und das ist kein Bashing von meiner Seite, das würde Ihnen jeder andere auch sagen. Deshalb verfolgt der Senat seit Langem den Plan, die Innenstadt in Richtung Elbe, also in Richtung Wasser zu erweitern, wie das viele andere europäische Metropolen machen oder längst gemacht haben. Das wird uns gelingen, und das muss uns auch gelingen, weil es immer weniger Gründe gibt, aus einer der umliegenden Städte nach Hamburg zu kommen. Die sind nämlich mit Einkaufsmöglichkeiten inzwischen alle gut ausgestattet, ob wir nun über Kiel, Lübeck oder Lüneburg reden. Deshalb brauchen wir zusätzliche Reize, um Menschen in die Stadt zu locken. Wir sind ein Stück weit Impulsgeber dafür, dass sich in der Innenstadt etwas verändern muss.“

… 650 neue Wohnungen, von denen ein Drittel nur an Menschen über 60 Jahren gehen soll:

Von den drei großen Wohngebäuden wird eines ein Senior-Living-Konzept beinhalten, dort wird es Community-Treffpunkte geben, und man wird bestimmte Dienstleistungen dazubuchen können. Der Vorverkauf ist bereits in vollem Gange, es gibt ein großes Interesse.“

… das Kreuzfahrtterminal:

„Hamburg ist ein attraktiver Standort für Kreuzfahrten, ich glaube, dass wir in zwei, drei Jahren wieder dort sind, wo wir vor Corona waren. Die Idee für das Kreuzfahrtterminal war, dass Hamburg der erste Standort sein wollte, an dem man vom Hauptbahnhof mit der U-Bahn zu seinem Schiff kommen kann. Das sind die Bilder, die wir bei der Planung im Kopf hatten.“

… die Angst vor großen Zahlen:

„Einer meiner früheren Chefs hat mich gelehrt, keine Angst vor großen Zahlen zu haben, die man natürlich bekommen könnte, wenn man für ein Projekt verantwortlich ist, das mehr als eine Milliarde Euro kostet. Er hat gesagt: Konzentriere dich auf die Details, wenn die gut und richtig werden, kannst du so viele Nullen daran schreiben, wie du willst. Selbstverständlich habe ich Ehrfurcht vor den Summen, die wir bewegen, aber das geschilderte Bild hilft mir, damit umzugehen.“

Der Fragebogen: Nicht so viel meckern, einfach mal machen

Was wollten Sie als Kind werden und warum?

Ein richtiger Ingenieur – wie mein Vater – oder Musiker.

Was war der beste Rat Ihrer Eltern?

Mein Vater hat mir mitgegeben, dass sich unsere Gesellschaft nicht ohne unser gemeinsames Engagement und eigenes Zutun weiterentwickelt.

Wer war beziehungsweise ist Ihr Vorbild?

Mmh, schwierig. Ich habe Helmut Schmidt besonders während seiner „Zeit“-Ära und bis ins hohe Alter intensiv zugehört.

Was haben Ihre Lehrer/Professoren über Sie gesagt?

Lob ihn nicht zu viel, der wird sonst arrogant.

Wann und warum haben Sie sich für den Beruf entschieden, den Sie heute machen?

Meine eigene Umgebung verantwortungsvoll mitgestalten zu können – ob früher in der Planung oder wie jetzt in der Immobilien-Entwicklung – war und ist mein Antrieb.

Wer waren Ihre wichtigsten Förderer?

Die, die an mich glaubten und mich haben machen lassen.

Auf wen hören Sie?

Jede und jeden, der oder die es ernst mit mir meint.

Was sind Eigenschaften, die Sie an Ihren Chefs bewundert haben?

Wenn sie trotz aller Verantwortung auch noch an mir als Mensch interessiert waren und das zeigen konnten.

Was sollte man als Chef auf keinen Fall tun?

Vergessen, dass der Mensch ‚Mensch‘ und nicht ‚Ressource‘ ist.

Was sind die Prinzipien Ihres Führungsstils?

Geduldig in der Abwägung der Argumente und klar in den Entscheidungen.

Wie wichtig war/ist Ihnen Geld?

In der Kindheit war das eher ein Thema, heute bin ich vollends davon überzeugt, dass Geld nur ein Thema neben sehr vielen anderen ist.

Was erwarten Sie von Ihren Mitarbeitern?

Ehrlichkeit und Engagement.

Worauf achten Sie bei Bewerbungen?

Insbesondere auf Authentizität.

Duzen oder siezen Sie?

Wir duzen im internationalen Kontext natürlich fast ausschließlich, ich kann aber auch mit Siezen auf Augenhöhe kommunizieren.

Was sind Ihre größten Stärken?

Man spiegelt mir, dass ich allermeistens eine große Gelassenheit ausstrahle.

Was sind Ihre größten Schwächen?

Zu viel Sitzen, zu wenig Sport.

Welchen anderen Entscheider würden Sie gern näher kennenlernen?

Die, die auch Interesse an mir hätten.

Was würden Sie ihn fragen?

Das wären viele persönliche Fragen: Karma, Kinder und Komik.

Was denken Sie über Betriebsräte?

Es gibt Mitarbeiter/-innen, deren Stärken weniger in Kommunikation, Artikulation oder Selbstpositionierung liegen. Da ist es doch nur fair, dass es Kolleg/-innen gibt, die sich vertrauensvoll für ihre Interessen einsetzen.

Wann haben Sie zuletzt einen Fehler gemacht?

Ich habe mich neulich stressen lassen: im Stau, beim Autofahren …

Welche Entscheidung hat Ihnen auf Ihrem Karriereweg geholfen?

Change it or leave it.

Wie viele Stunden arbeiten Sie in der Woche?

Solange es Spaß macht und es noch Akzeptanz bei meiner Familie findet.

Wie viele Stunden schlafen Sie (pro Nacht)?

Ich bin ein Acht-Stunden-Schläfer.

Wie gehen Sie mit Stress um?

Ich versuche ihn, wenn er unvermeidlich ist, mir möglichst nicht ansehen zu lassen­ und ihn mindestens nicht weiterzutragen.

Wie kommunizieren Sie?

Freundlich und direkt.

Wie viel Zeit verbringen Sie an Ihrem Schreibtisch?

Zu wenig. Meistens findet man mich in Abstimmungen und Terminen.

Wenn Sie anderen Menschen nur einen Rat für ihren beruflichen Werdegang geben dürften, welcher wäre das?

Tu das, wovon du überzeugt bist, dass DU es willst und es dich trägt.

Was unterscheidet den Menschen von dem Manager Dirk Hünerbein?

Wenig.

Und zum Schluss: Was wollten Sie immer schon mal sagen?

Nicht so viel meckern, einfach mal machen.