Hamburg. Nach den Ferien gilt voller Präsenzunterricht – trotz neuem Negativrekord. Am Dienstag berät der Senat über schärfere Maßnahmen.

Es dürfte für viele eine Rückkehr mit gemischten Gefühlen sein: Nach dem Ende der Weihnachtsferien starten die Schulen am Mittwoch wieder mit dem vollen Präsenzunterricht, während die Omikron-Variante des Coronavirus die Sieben-Tage-Inzidenz auf immer neue Rekordwerte treibt. „Wir haben uns immer dafür eingesetzt, die Schulen so lange wie möglich offenzuhalten, aber wir sehen mit Sorge auf die nächsten Tage“, sagt Christian Gefert, Schulleiter des Marion Dönhoff Gymnasiums in Blankenese und Vorsitzender der Vereinigung der Leitungen Hamburger Gymnasien und Studienseminare (VLHGS).

„Was wir immer am meisten gefürchtet haben, ist, dass Schulgemeinschaften – Lehrerinnen und Lehrer wie auch Schülerinnen und Schüler – aufgrund von Quarantäne-Regelungen wegbrechen. Die Befürchtung ist, dass diese Erosion angesichts der aktuellen Lage jetzt einsetzen könnte“, sagte Gefert.

Corona: Hamburgs Schulen öffnen wieder für Präsenzunterricht

Grundsätzlich seien die Schulen mit der Ausstattung mit Luftfiltern, den FFP2-Masken und häufigen Schnelltests gut ausgerüstet. „Aber wir haben keinen Plan dafür, wie wir reagieren, wenn erhebliche Teile des Kollegiums in Quarantäne gehen müssen“, sagt der Schulleiter mit Blick auf die Schulbehörde. Unter anderem hatte die VLHGS vorgeschlagen, in solch einem Fall die Stundentafel aufzuheben, sodass nicht jeder Lehrer jede Stunde geben muss, sondern Pädagogen in Gruppen zusammengefasst werden können. „Und damit, dass die Kolleginnen und Kollegen nach einem positiven Schnelltest den PCR-Test selbst bezahlen müssen, werden wir sie auch nicht möglichst schnell in die Schulen zurückholen“, ergänzt Gefert.

Schulsenator Ties Rabe (SPD) hatte nach einer Sitzung des Präsidiums der Kultusministerkonferenz (KMK) am Tag vor Silvester erklärt, Hamburg bereite wie 14 weitere Länder nach den Ferien die Rückkehr in den vollen Präsenzunterricht vor. „Die Öffnung der Schulen hat für uns nach wie vor höchste Priorität. Schließungen sollten das allerletzte Mittel sein“, sagte Rabe.

„Trotz der Situation halten wir eine Öffnung der Schulen für vertretbar“

„Die Schulen sollten offenbleiben, solange es geht. Der Präsenzunterricht ist für uns derzeit die beste Form“, sagt Thomas Koester, Vorstandsmitglied der Elternkammer. Auch die Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW) hält den von der Behörde bisher eingeschlagenen Kurs für sinnvoll. „Allerdings sollten die Schülerinnen und Schüler dauerhaft mindestens dreimal pro Woche getestet werden, nicht nur in den ersten beiden Wochen nach den Ferien, wie derzeit vorgesehen“, sagt der GEW-Landesvorsitzende Sven Quiring. Lehrerinnen und Lehrern sollten zudem vonseiten der Schulbehörde regelhaft Booster-Impfungen angeboten werden. „Wenn sich die Pandemielage weiter verschlechtert, kann auch die Rückkehr zum Distanzunterricht erforderlich werden. Vorher ist allerdings der Wechselunterricht das probateste Mittel“, sagt Quiring.

Landesschulrat Thorsten Altenburg-Hack versucht in einem am Montag versendeten Brief an alle Schulleitungen, Zuversicht zu verbreiten. „Die hohen Infektionszahlen geben Anlass zur Sorge … Gleichzeitig mehren sich Hinweise, dass die neue Virusvariante weniger gefährlich ist. Zudem gilt weiterhin, dass Kinder und Jugendliche in der Regel einen sehr milden Krankheitsverlauf haben und das Virus für sie weitaus ungefährlicher ist als für ältere Menschen“, schreibt Altenburg-Hack. „Trotz der schwierigen Situation halten wir eine Öffnung der Schulen und die Fortsetzung des Präsenzunterrichts nach den Weihnachtsferien für vertretbar.“

Unzuverlässige Schnelltests an Schulen sollen ausgetauscht werden

Von Mittwoch an bis zum 12. Januar sollen die neuen Antigen-Schnelltests Clinitest der Firma Siemens Healthcare an die staatlichen und privaten Schulen verteilt werden. Der Test, der nach Herstellerangaben eine Sensitivität von 97,25 Prozent aufweist, soll die häufig falsche Ergebnisse ausweisenden Tests des Herstellers Genrui ersetzen. Hamburger Grundschüler hatten die Handhabbarkeit der neuen Testkits erprobt. Allein die erste Lieferung für die Schulen umfasst 4,8 Millionen Tests.

Allerdings ist noch nicht klar, in welcher Reihenfolge die einzelnen Standorte beliefert werden. „Ein Tourenplan konnte leider nicht mehr zur Verfügung gestellt werden“, schreibt Landesschulrat Altenburg-Hack. So haben einzelne Schulen die Eltern bereits darüber informiert, dass für eine Übergangsphase die neuen Tests, „die nicht so oft ,Fehlalarm‘ auslösen wie die zwischenzeitlich eingesetzten der Firma Genrui“, noch nicht zur Verfügung stehen, wie es in einem Elternbrief heißt.

Senat berät über Verschärfung der Corona-Maßnahmen

Zum Wochenstart im neuen Jahr hat Hamburg erneut einen Corona-Negativrekord zu verzeichnen. Am Montag ist die Inzidenz auf ein Allzeithoch von 440,3 gestiegen, nachdem sie bereits am Sonntag erstmals die Marke von 400 Neuinfektionen pro 100.000 Einwohner binnen sieben Tagen überschritten hatte und auf 406,9 geklettert war. Am Montag vor einer Woche hatte sie noch bei 345,9 gelegen. Die Sozialbehörde meldete am Montag 982 neue Fälle – 53 weniger als am Sonntag, aber 635 mehr als vor einer Woche, als es infolge der Feiertage laut Robert-Koch-Institut (RKI) weniger Meldungen gegeben hatte. Mit der hohen Inzidenz liegt Hamburg weiterhin deutlich über dem Bundesschnitt, der nach Angaben des RKI am Montag 232,4 betrug. Zwei weitere Menschen sind mit einer Covid-19-Infektion gestorben.

Am Dienstag wird der Senat darüber beraten, inwiefern eine Verschärfung der Corona-Maßnahmen nötig ist. „Die Lage wird dabei als Gesamtbild beurteilt, unter Berücksichtigung zahlreicher Parameter und deren Dynamik“, sagte Senatssprecher Marcel Schweitzer dem Abendblatt. Das bedeutet: Außer den extrem schnell steigenden Infektionszahlen wird unter anderem auch die Auslastung der Krankenhäuser mit Covid-Patienten und hier insbesondere die Lage auf den Intensivstationen eine Rolle spielen – die ist nämlich seit Wochen relativ stabil. Wie berichtet, hatte Bürgermeister Peter Tschentscher (SPD) diesen Umstand am Wochenende als Hoffnungsschimmer hervorgehoben.

Hamburger Hauptbahnhof: Unklar, wie viele in der Wendelhalle geimpft wurden

Die aktuellen Zahlen seien zwar bundesweit und in Hamburg wegen der Verzerrungen durch die Feiertage „mit Vorsicht zu genießen“, sagte Schweitzer. „Sie zeigen aber zugleich, dass wir in einer vierten Welle sind und es zurzeit keinen Spielraum für die Aufhebung von Beschränkungen gibt.“ Die Fachbehörden würden derzeit prüfen, welche Maßnahmen zur Pandemiebekämpfung erforderlich sind. Dabei gehe es auch um die Ausweitung des 2G-plus-Modells im Sportbereich (siehe Seite 1 und Sportteil). Demnach benötigen auch doppelt Geimpfte einen negativen Test, um an bestimmten Hallen-Sportarten teilnehmen zu dürfen. Der Senatssprecher verwies darauf, dass in dieser Woche auch der Corona-Expertenrat der Bundesregierung sowie am Freitag die Ministerpräsidentenkonferenz mit dem Bundeskanzler tagen.

Drei Wochen nach der zwangsweisen Schließung eines Corona-Impfzen­trums im Hamburger Hauptbahnhof hat die Sozialbehörde Impfkandidaten von dort empfohlen, sich ein weiteres Mal impfen zu lassen. Allerdings gibt die Behörde diesen Rat nicht selbst ab, sondern informiert die Betroffenen per E-Mail über die Empfehlung des Paul-Ehrlich-Instituts. Das Institut habe die Risiken einer verfrühten dritten oder vierten Impfung gegen das einer Corona-Infektion abgewogen. Dabei sei herausgekommen, dass eine erneute Impfung sinnvoller sei. Wie viele Menschen in der Wandelhalle geimpft wurden, ist unklar. Hygiene- und andere Regeln sollen nicht eingehalten worden sein. Die Staatsanwaltschaft ermittelt wegen des Verdachts der Körperverletzung.