Hamburg. Skaten liegt bei Frauen in Hamburg voll im Trend. Die Nachfrage nach Skateangeboten nur für Frauen bleibt weiterhin bestehen.

Klack, krach, bumm! Kreuz und quer rasen junge Menschen auf Skateboards, Inlineskates und Scootern herum, springen in die Luft, balancieren auf den Rollen, drehen sich gekonnt. Einige fallen hin und stehen wieder auf. Es ist ein regnerischer Sonntagnachmittag, und das ipunkt Skateland in der Spaldingstraße ist gut besucht. Das Geklacker der Skateboarder übertönt die im Hintergrund laufende Hip-Hop-Musik. In dem wilden Haufen männlicher Rollsportbegeisterter fällt eines auf: Wo sind hier eigentlich die Mädels?

Und doch – eine junge Frau mit Brille und Pferdeschwanz steht ganz oben auf einer hohen Rampe. Als alles frei ist, stößt sie sich ab und saust herunter, den Blick fest auf ihr Ziel gerichtet. Unten angekommen, fährt sie eine Schräge hoch und springt mit viel Schwung an der Kante ab. Auf dem Skateboard ist Susann Geltmeier zu Hause, behauptet sich in der vollen Halle zwischen den Männern – doch bis hierhin war es ein weiter Weg. „Ich fand Skaten schon immer cool, habe aber erst vor drei Jahren damit angefangen“, so die 31-Jährige, die von anderen Skatern Susi genannt wird.

Im Skatepark: Skaten wird bei Mädchen immer beliebter

„Mit 11 habe ich mir ein Skateboard gekauft, mich aber nicht getraut, damit im Skatepark zu üben, da man als Anfänger gern blöd angemacht wurde. Als einziges Mädchen machte es die Sache nicht leichter“. Was ihr damals geholfen hätte: die kontinuierliche Unterstützung anderer Skater. Als Susi beschloss, es noch einmal mit dem Skaten zu versuchen, hatte sie diesen Rückenwind von einem Freund – und bald darauf von einer Gruppe Hamburger Skaterinnen.

Zweimal im Monat veranstaltet das ipunkt Skateland einen „Girls Only“- Abend, zu dem Männer keinen Zutritt haben. Für die Skaterinnen bedeutet das: mehr Platz und ein sicherer Raum zum Üben unter Gleichgesinnten. „In der Halle habe ich viele Mädels kennengelernt und bin Teil einer WhatsApp-Gruppe geworden. Neuankömmlinge finden bei uns Anschluss“, berichtet Susi.

Eine der Neueren ist Line Helbig. Heute fährt sie zum ersten Mal in der großen Holzhalfpipe hin und her, denn mit dem Skaten angefangen hat die 15-Jährige in der Pandemie – als die Halle geschlossen war. „Ich kenne niemanden in meinem Alter, der skatet. Aber ein paar ältere Mädels habe ich schon kennengelernt“. Meistens fährt Line aber mit Jungs und spürt mit vielen ein Gemeinschaftsgefühl. „Aber ich kenne das Gefühl, anders behandelt zu werden.“

Immer mehr Skaterinnen in Hamburg

Den Satz „Für ein Mädchen fährst du richtig gut“ kennen sowohl Line als auch Susi. Letztere kämpft momentan mit einem fortgeschrittenen Trick namens Fakie 360 Flip. Dabei fährt man rückwärts und lässt das Brett unter sich rotieren und gleichzeitig um 360 Grad drehen. Beim Üben erhielt sie auch schon mal ungefragt im Vorbeigehen ein paar halbherzige Tipps von männlichen Skatern – laut Susi ein glücklicherweise seltener Fall von ‚mansplaining‘. Umso wichtiger findet sie es, als Skaterin „die Fahnen hochzuhalten“. Sie sitzt im Vorstand des Skatepark Lankow e. V., dem Skateboard-Verein ihrer Heimatstadt Schwerin, und leitet regelmäßig Workshops für Mädchen im Skatepark Fairhafen Boizenburg/Elbe.

Die Präsenz von Skaterinnen wie Susi und Line kann wiederum weitere Mädchen und Frauen ermutigen, sich aufs Brett zu trauen. Tatsächlich sei die Szene der Hamburger Skaterinnen in den vergangenen Jahren deutlich gewachsen – und ist heute „so groß und stark wie noch nie“, sagt der Vorsitzende des Hamburger Skateboard e. V., Christopher Graham.

Seit 2010 bekommt Frauen-Skateszene kräftig Zuwachs

„Als wir 2007 angefangen haben, hatten wir nur ein oder zwei Mädels. Mittlerweile sind es 34 von insgesamt 180 Mitgliedern“. Diese Zahlen seien aber nicht repräsentativ für die Szene allgemein, denn für Skater sei es unüblich, sich in Vereinen anzumelden.

Graham beobachtete, wie die Hamburger Frauen-Skateszene in den 2010-ern Zuwachs bekam und sich als Gruppe organisierte – ein Prozess, den die sozialen Medien möglich machten. Heute sei es für junge Skaterinnen außerdem leichter, Idole zu finden. „Früher ist ein Mädel im Skatepark schon aufgefallen. Heute ist das nichts Besonderes mehr“.

Trotz der dazugewonnenen Normalität bleibt die Nachfrage nach Skateangeboten nur für Frauen weiterhin bestehen, ist sogar größer als zuvor. Für das ipunkt Skateland lohnt es sich mittlerweile auch wirtschaftlich, zweimal im Monat den Girls Only Abend anzubieten statt wie zuvor nur einmal.

„Im Skatepark sind alle gleich“

Die Initiative dazu sei von den Skaterinnen selbst gekommen, die Unterschriften sammelten, erzählt Phillip Lange, Betriebsleiter des ipunkt. „Der Girls Only Abend ist bei uns ein großer Erfolg und fast das ganze Jahr durch immer sehr gut besucht. Auch die Stimmung finde ich deutlich besser als bei fast jeder anderen Veranstaltung, weil sich alle Sportarten untereinander anfeuern“, so Phillip. Denn im Regelbetrieb dagegen gebe es häufig spielerische Rivalitäten zwischen Skateboardern, Inlineskatern und Scooter-Fahrern.

„Ich nutze den Mädchenabend, weil die Halle dann meist etwas leerer ist als sonst. Mir gefällt aber auch die Stimmung und gegenseitige Unterstützung, das ist schon etwas Besonderes. Ansonsten macht es für mich kaum einen Unterschied, ob ich mit Männern oder Frauen fahre, weshalb ich diesen safe space als solchen nicht mehr brauche. Ich glaube aber, dass so was unglaublich wichtig ist“, so Susi.

Insgesamt ziehen sie und Line eine positive Bilanz als Frauen in diesem männerdominierten Sport. „Ich kriege oft abwertende Blicke wegen meines Aussehens. Beim Skaten interessiert das niemanden“, berichtet die Schülerin, die kurze Haare und weite Hosen trägt. Susi fügt hinzu: „Das ist das Beste am Skaten: Es ist egal, wie du aussiehst, was du privat oder beruflich machst oder wie alt du bist: Im Skatepark sind alle gleich.“ Und schon rollt ein Sechsjähriger in die ipunkt Halle und winkt den beiden Skaterinnen fröhlich zu.