Geesthacht. „40 Jahre, viele Haare – Frank, es war so schön“, sang Torben Lenz zum Abschied von Frank Steffen. Es war sein letzter Tag.

Die Tränen standen ihm in den Augen, und er war ziemlich wortkarg, was eigentlich gar nicht seine Art ist: Am letzten Tag vor Silvester hat Frank Steffen Schere, Kamm und Föhn aus der Hand gelegt – nach 40 Jahren am Stuhl „und für immer“, wie der letzte reine Herrenfriseur Geesthachts betont. Auch wenn ihm das die vielen Stammkunden noch immer nicht glauben mögen.

Doch seit Donnerstag, 12.43 Uhr, steht es im Fenster des Salons an der Rathausstraße: „Lights out – Game over“. Es wird keine „Haarschneidezeiten“ mehr geben, wie Steffen die Terminvergabe für seine „Behandlungen“ genannt hat. Keinen Schnack mit dem Kultfriseur, der ein einmaliges Talent dafür hatte, alle im kleinen Wartebereich sitzenden Kunden, einschließlich dem gerade frisierten, ins Gespräch zu bringen – und sogar jene, die nur kurz durch die Tür schauten.

Zum Abschied von Kulturfriseur Frank Steffen: Torben Lenz bedankte sich mit einem spontanen Live-Konzert

„Egal mit welcher Stimmung ich hergekommen bin, auf dem Weg raus hatte ich immer gute Laune“, sagt Torben Lenz, der es nach eigener Statistik in den vergangen Jahrzehnten auf 300 Besuche bei Frank Steffen gebracht hat. Und der – neben allen anderen – sein wichtigster Kunde war, weshalb er nun auch der letzte auf dem „Behandlungsstuhl“ sein durfte: „Torben war mein Model bei der Gesellenprüfung 1984 in Mölln und auch beim Meisterschnitt im September 1991 in Lüneburg“, begründet Frank Steffen die Ehre, um die viele den 50-jährigen Geesthachter beneiden werden.

Der letzte Haarschnitt: Friseur Frank Steffen und Torben Lenz.
Der letzte Haarschnitt: Friseur Frank Steffen und Torben Lenz. © Ulf-Peter Busse | Ulf-Peter Busse

Lenz bedankte sich mit einem spontanen Live-Konzert, bei dem am Donnerstag neben Steffen coronabedingt nur drei weitere Gäste das Publikum bilden durften. Mit Profi-Musiker Miguel Jaaks („Mick J. Pash“) intonierte Torben Lenz Elvis und Johnny Cash, die beide seit Jahren neben Frank Zappa und John Lennon als große Poster an der Wand des Salons hängen. Und zum Finale des Auftritts gab es dann noch die Eigenkomposition „Friseur“. Der Refrain: „40 Jahre, viele Haare, waschen, legen, föhn’ – 40 Jahre Stuhl und Schere, wir sagen: Frank, es war so schön!“

Nebenbei endete auch die 114-jährige Geschichte des Familienunternehmens

Weitermachen will Steffen trotzdem nicht: „Ich habe mich dazu vor einem halben Jahr entschlossen und die letzten Nächte gar nicht gut geschlafen“, gab er beim Abschied zu. „Aber vier Jahrzehnte fast täglich acht oder mehr Stunden am Frisierstuhl zu stehen, das hinterlässt auch gesundheitlich Spuren. Ich möchte aufhören, solange ich den Zeitpunkt dafür noch selbst bestimmen kann.“

Trotz der großen Wehmut – schließlich endet mit Frank Steffens Ruhestand nebenbei auch die 114-jährige Geschichte des Familienunternehmens in Geesthacht – wird eine Rückkehr an die angestammte Wirkungsstätte unmöglich sein: Fast alle Bestandteile des Salons haben sich verschiedene Stammkunden schon gesichert. So werden Handtuch-Schrank und Zeitschriften-Regal Anfang Januar in einen Dart-Keller ziehen, der Frisiertisch samt Spiegeln in einer Autowerkstatt landen und die Musiker-Poster unter anderem bei Miguel Jaaks. Selbst die Uhren und Lampen des Herrensalons, die künstlichen Blumen und sogar der Läufer vom Eingang sind schon vergeben.

„Mein Job ist es jetzt erst mal, Freizeit zu lernen“

Zudem gab es in den letzten Tagen vorm Finale etliche Geschenke und Überraschungen. So kam ein Stammkunde mit Schlips und Anzug zum letzten Haarscheiden, ein anderer mit selbst gedrehtem Video. Und die Feuerwehr Geesthacht, deren Fördermitglied Frank Steffen ist, fuhr mit dem Mannschaftswagen vor, um eine Urkunde und einen Ehren-Helm voller Unterschriften zu überreichen.

„Mein Job ist es jetzt erst mal, Freizeit zu lernen“, sagt Frank Steffen, der gerade seinen 60. Geburtstag gefeiert hat. Er wolle versuchen, seiner Frau Viktoria nicht zu sehr auf die Neven zu fallen. Und dann noch das: „Vielleicht sollte ich mir bei Nessler erst mal Cordhose, Herren-Handtasche und Hosenträger kaufen, plus Jogginghose und Tennissocken als Wechsel-Garnitur. Oder was macht man sonst als Rentner?“ Frank Steffen bleibt eben so herrlich überraschend, wie nur ein Frank Steffen sein kann.