Hamburg. Borkenkäfer, Austrocknung und Brandgefahr sind die Folge der Dürreperioden – besonders Fichten sind betroffen. Der Nabu schlägt Alarm.
Gefräßige Borkenkäfer, lange Trockenperioden, schwere Holzernte-Maschinen – Harvester genannt, Gartenabfälle und Müll setzen Hamburgs Wäldern erheblich zu. Baumarten wie Fichten und Eichen sind Dauerpatienten. Der Naturschutzbund Hamburg (Nabu) schlägt deshalb Alarm: „Von sieben Wald-Lebensraumtypen in Hamburg sind alle ohne Ausnahme laut FFH-Strategie-Papier in einem ungünstigen bzw. schlechten Zustand.“
Die Organisation fordert zum Beispiel, in der Forstwirtschaft auf den Einsatz von maschinellen Holzerntern zu verzichten. Außerdem will sie, dass der Senat den Anteil der naturbelassenen Waldflächen auf mindestens 20 Prozent erhöht. Derzeit werden 13,1 Prozent des Landeswaldes und neun Prozent des Gesamtwald-Bestandes komplett der Natur überlassen. Wirtschaftliche Eingriffe finden nicht statt.
Fichte, Eiche und Co: Trockene Jahre setzen Hamburgs Wäldern zu
In welchem Zustand sich die Hamburger Wälder exakt befinden, wird allerdings von keiner Institution zentral erfasst. Während andere Bundesländer regelmäßig einen Waldzustandsbericht vorlegen, erfolgt das in Hamburg nicht. Nach Abendblatt-Informationen hat aber die Behördenleitung entschieden, dass es demnächst einen solchen Bericht geben soll.
Bislang, heißt es in der Behörde für Umwelt, Klima, Energie und Agrarwirtschaft (BUKEA), betrachtete sich Hamburg als zu klein, um substanzielle Auskünfte zu geben. Der Anteil des Waldes an der Gesamtfläche des Hamburger Landesgebietes beträgt gerade mal 7,1 Prozent. Das ist im Bundesvergleich der zweitniedrigste Waldanteil – nur der Stadtstaat Bremen hat weniger. Die Hansestadt beförstert auf 4000 Hektar den größten Teil der Waldfläche. Dazu kommen knapp 1500 Hektar privater Wald, Staatswald und sonstige Waldflächen wie etwa Bäume an Bahnstrecken.
Trockene Jahre haben Wäldern in Hamburg zugesetzt
Wie es um Hamburgs Wälder wirklich steht, kann ein Blick auf die Lage im Nachbarland Schleswig-Holstein zeigen. Experten halten diesen Vergleich aufgrund der geografischen Nähe für zulässig. Dort hat sich die mittlere Kronenverlichtung aller Waldbäume seit 1986 bis zum Jahr 2020 von elf Prozent auf 21 Prozent verdoppelt. Die Kronenverlichtung beschreibt den messbaren Nadel- und Laubverlust der Baumkrone. Während sich bei Fichten und Eichen die Lage im Jahr 2020 keineswegs verbessert hat, scheint es den Kiefern, Buchen und anderen Laubbäumen etwas besser zu gehen. In Schleswig-Holstein jedenfalls gelten derzeit 4,7 Prozent der Waldfläche als „stark geschädigt“.
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Dürre- und Kronenverlichtungserscheinungen seien bei allen Baumarten zu beobachten, bestätigte ein Sprecher der Hamburger Umweltbehörde. Die anhaltend trockenen Jahre hätten dem Wald in Hamburg zugesetzt. Betroffen seien vor allem die Fichtenbestände, deren Anteil am Baumbestand rund sieben Prozent beträgt. Schädlingsbefall durch Borkenkäfer, Austrocknung, Trockenastbrüche und Brandgefahr seien die Folge der Dürreperioden.
Fachgruppe Wald plädiert, den „Wald Wald sein zu lassen“
Zwar dient der Hamburger Wald nach Senatsangaben nicht vorrangig wirtschaftlichen Zwecken, sondern vor allem Naturschutz und Erholung. Dennoch kommen beim Roden der Bäume Harvester zum Einsatz – mit schlimmen Folgen für das Biotop. „Die für das Bodenleben so wichtigen Kleinstlebewesen und Pilzverbindungen werden vernichtet, das Wasser kann wegen der hohen Verdichtung nicht mehr versickern. Aus einem beschatteten kühlen Waldboden wird eine Fläche, die permanent der prallen Sonne ausgesetzt ist“, sagt Ilka Bodmann, Sprecherin des Nabu-Landesverbandes Hamburg. Umweltexperten plädieren deshalb, für den schonenden Abtransport des Holzes Rückepferde wie im Lüneburger Stadtforst einzusetzen.
Die Ehrenamtlichen der neuen Fachgruppe Wald im Hamburger Nabu plädieren dafür, den „Wald Wald sein zu lassen“ und den Anteil naturbelassener Waldflächen deutlich zu erhöhen. Ihr Vorbild ist der Lübecker Stadtwald – eine Erfolgsgeschichte von mehr als 25 Jahren naturnaher Waldwirtschaft. Totes Holz zum Beispiel wird hier nicht abtransportiert, sondern liegen gelassen. Es bildet die Grundlage für neues Leben.
Hamburgs Forstwirtschaft geht neue Wege
Längst hat auch Hamburg erkannt, dass Monokulturen aus Fichten, wie sie im Harz zu sehen sind, keine Zukunft in Zeiten der globalen Erwärmung haben. Stattdessen werden Mischkulturwälder geplant und die Artenauswahl breiter gefächert. Nach der gefährdeten Rosskastanie könnten in der Hansestadt verstärkt Esskastanien aus Südeuropa gepflanzt werden.
Auch die südosteuropäische Flaumeiche, die nordamerikanische Roteiche und die Robinie werden als künftige Waldbäume genannt. Die aus Nordamerika stammende Art wird seit 400 Jahren auch in europäischen Parks kultiviert. Doch Förster haben Bedenken, weil die Robinie mit Wurzelschösslingen dichte Bestände bilden und somit einheimische Arten verdrängen kann.
Dass Hamburgs Forstwirtschaft neue Wege geht, zeigt das Beispiel Klövensteeen. Nach den Dürreschäden bei den Sitka-Fichten entsteht dort ein Laubmischwald aus Rotbuchen, Stieleichen, Ulmen und Bergahorn. Erst im November wurden 22.000 Laubbaum-Setzlinge gepflanzt.