Hamburg. „Das ist kein Job für Everybody´s Darling!“ – der Chef der Nationalparkverwaltung geht nach mehr als 30 Jahren in Pension.

Klaus Janke leitet seit mehr als 30 Jahren die Nationalparkverwaltung Hamburgisches Wattenmeer. Zum Jahresende geht der promovierte Meeresbiologe und Mitarbeiter der Hamburger Umweltbehörde (BUKEA) in den Ruhestand – ein persönlicher Rück- und Ausblick im Abendblatt-Interview.

Wann waren Sie das letzte Mal Wattwandern im Hamburgischen Wattenmeer?

Klaus Janke: Ich weiß nicht mehr, wie häufig ich in meinem Leben in und am Wattenmeer war. Es ist Teil meiner Heimat, meiner Identität, oder wie ich gerne sage, es gehört zu meinem „Heartland“.

Klaus Janke, Fachbereichsleiter in der Umweltbehörde.
Klaus Janke, Fachbereichsleiter in der Umweltbehörde. © Thorsten Ahlf / Funke Foto Services

Warum ist das Wattenmeer so einzigartig?

Klaus Janke: Das Wattenmeer zwischen Den Helder (Niederlande) und Blavands Huk (Dänemark) ist tatsächlich weltweit ins seiner Ausprägung und Dimension als amphibischer Lebensraum einmalig. Zweimal am Tag verändert sich grundlegend der Blick bis zum Horizont. Mal Meer, mal Land, mal was dazwischen. Auf den Wattflächen herrscht durch die starken Strömungen eine hohe natürliche Dynamik. Der überwiegend aus den großen Flüssen eingetragene Nährstoffreichtum schafft Möglichkeiten für eine sehr hohe organische Produktion. Davon profitieren zum Beispiel mehr als zehn Millionen rastende Vögel, die hier auf dem Durchzug einen „gedeckten Tisch“ voller Muscheln, Würmer, Krebsen und Fischen vorfinden. Auch brüten in den Salzwiesen und Dünen des Wattenmeeres Zigtausende von vor allem See- und Wattvögeln.

Sie sind seit über 30 Jahren Leiter des Nationalparks und damit der dienstälteste Nationalparkleiter in Deutschland. Werden Sie von anderen Kollegen um diesen Job beneidet? Schließlich gibt es im Wattenmeer keine Borkenkäfer ...

Klaus Janke: Das ist kein Job für Everybody´s Darling! Naturschutzziele durchzusetzen bedeutet immer auch Konflikte mit anderen Interessen benennen und möglichst auflösen zu müssen. Trotzdem ist es ein absoluter Traumjob, ich hätte selbst im Nachhinein keinen anderen haben wollen.

Was sind Ihre größten Erfolge?

Klaus Janke: Es war der Augenblick, als ich am 27. Juni 2011 um 13 Uhr eine SMS von einer Kollegin aus Paris bekam mit nur einem Wort: „inscribed“. Die UNESCO hatte den Nationalpark in die Liste des Erbes der Welt aufgenommen. Hamburg bekam als letztes Bundesland seine erste UNESCO-Welterbestätte und damit die höchste internationale Auszeichnung überhaupt. In den 20 Jahren davor hatten wir die Voraussetzungen geschaffen, dass es überhaupt klappen konnte: einen gemeinsamen Managementplan, ein gemeinsames Monitoring-Programm, ein Verständnis für den Umgang und die enorme Wertschätzung dieses Lebensraums.

Und was hat Sie emotional am meisten belastet?

Klaus Janke: Es hat mich sehr geschmerzt und auch geärgert, dass der Hamburgische Senat der gemeinsamen Welterbe-Nominierung mit Schleswig-Holstein, Niedersachsen und den Niederlanden 2008 zunächst nicht zustimmen wollte, obgleich doch gerade Hamburg die Welterbe-Nominierung durch Senatsbeschluss 2001 mit vorangetrieben hatte. Die von einigen Senatsbehörden vorgeschobenen Argumente waren, wie sich im Nachhinein herausstellte, überhaupt nicht stichhaltig. Die auf Betreiben von Umweltsenatorin Anja Hajduk nachgeholte Nachnominierung 2011 hat leider nicht verhindert, dass uns erhebliche Fördermittel entgangen sind. Aber immerhin: am Ende wurde alles politisch geheilt.

Mit welchen Teams haben Sie zusammengearbeitet?

Klaus Janke: Einer der spannendsten Aspekte in unserem Nationalpark-Team sind die vielfältigen Kontaktebenen. Verhandlungen mit den Neuwerker Landwirten, mit dem Bezirksamt, mit den anderen Fachbehörden, den Umweltministerien in Kiel und Hannover, dem Bund und auf internationalen Ebenen.

Wie bewerten Sie den gegenwärtigen ökologischen Zustand des Wattenmeers, des Hamburgischen Wattenmeeres, auf der Schulnotenskala von 1 bis 5?

Klaus Janke: Ganz schwierige Frage: Eine Note traue ich mich nicht zu verteilen. Auf den ersten Blick hat sich in den letzten drei Jahrzehnten ganz viel zum Besseren gewendet. Insbesondere die hohe Wertschätzung durch die Welterbe-Anerkennung hat zu einem entsprechend vorsichtigeren Umgang geführt. Das kann man z. B. an der außerordentlich positiven Entwicklung der Seehundpopulation erkennen, die als ein guter Anzeiger für den maritimen Teil fungiert.

Trotz der Erkrankungswellen bei diesen Tieren?

Klaus Janke: Die Population steigt trotz zweier heftiger Epidemien in den Jahren 1988 und 2002 immer weiter an. Heute leben wahrscheinlich zeitweilig rund 40.000 Seehunde im gesamten Wattenmeer. Berechtigte Sorgen bereiten allerdings die Bestände einiger typischer Brutvogelarten. Kiebitz-, Rotschenkel- und auch Austernfischer-Bruten nehmen immer weiter ab. Dafür konnten wir in diesem Jahr auf der Scharhörn-Plate fast 500 Eiderenten-Gelege zählen. Das ist ein Drittel des deutschen Gesamtbestands!

Welche Faktoren bedrohen das Hamburgische Wattenmeer?

Klaus Janke: Da ist zum einen eine mangelnde Sicherheit im Schiffsverkehr auf den großen Seeschifffahrtstraßen wie zum Beispiel auch in der Elbe. Dieses Problem ist erkannt, die zuständigen Stellen haben hier in den letzten Jahrzehnten bedeutende Fortschritte erzielt, um die viel befahrenen Schiffsrouten und sowohl Ausstattung als auch Standardzustand und eine sichere Verkehrsregelung zu verbessern und nachzusteuern.

Und was noch?

Klaus Janke: Der Klimawandel. Der Meeresspiegel wird zweifellos auch bei uns ansteigen. Je langsamer dieser Anstieg vonstatten geht, umso größer ist die Wahrscheinlichkeit, dass das Watt mitwachsen kann und seine Funktion als Wellenbrecher vor der Küste für unsere Sicherheit behält. Steigt das Wasser dauerhaft zu schnell, versinkt das Watt im sprichwörtlichen Sinn und verliert wichtige ökologische Funktionen. Die Prognosen für die Zukunft ändern sich schnell, sodass eine Prognose z. B. für die nächsten 50 Jahre schwierig ist, aber sagen wir mal so: Ich halte es für sehr wahrscheinlich, dass es dann auch noch da ist!

Welche Pläne haben Sie für Ihren Ruhestand?

Klaus Janke: Auf jeden Fall werde ich meine musikalischen Aktivitäten nach der Corona-Pandemie wieder intensivieren, unter anderem mit dem Folk-Duo TWEii. Und dann ist da noch der Garten und das Haus, in dem so einiges liegen geblieben ist. Vielleicht schreibe ich auch mal wieder ein maritimes Sachbuch. Und natürlich werde ich mit meiner Frau immer wieder das Wattenmeer besuchen und meine Lieblingsinsel: Helgoland.