Hamburg. Schritt gegen Fake News: Zwei Hamburgerinnen sammeln Informationen und bereiten sie anschaulich für Instagram und Tik Tok auf.
GenZ – das ist genau ihr Ding. Denn GenZ – sprich: Dschensiiiie mit dem stimmhaften S wie in „super“ –, das ist kein Rapper, das ist die Generation, der man den letzten Buchstaben des Alphabets verpasst hat, weil sie irgendwie der letzte Schrei der Evolution ist. Vor allem für diese Generation der um das Jahr 2000 Geborenen, deren natürliche Daumen- oder Zeigefingerbewegung das Wischen auf dem Smartphone ist, arbeiten Valerie Scholz (27) und Katharina Klimkeit (28). Die beiden Hamburgerinnen haben ein Unternehmen aufgebaut, das sich Facts for Friends nennt, eine Z-gerechte Webseite betreibt, Auftritte mit Videos und Text bei Instagram, TikTok und so weiter hat.
FFF klingt wie Fridays for Future. Tatsächlich wollen Scholz und Klimkeit das Internet zu einem besseren Ort machen, ein gesundes Klima des Umgangs in den sozialen Medien schützen. Doch wenn man sie fragt, ob sie also Influencerinnen sind, verdrehen sie die Augen. „Ein Influencer“, sagt Katharina Klimkeit, „das ist eine Litfaßsäule.“ Valerie Scholz: „Influencer machen PR und Werbung sowie Entertainment.“
Instagram: Fake News und Hetze weit verbreitet
Das Duo, das sich schon seit der Schulzeit kennt, aber zwischendurch aus den Augen verlor, nennt sich „Factfluencer“. Das nehmen die beiden verdammt ernst. Sie sprechen von einem „Moloch“ der sozialen Medien von Facebook über Twitter und Instagram bis TikTok, in dem junge Leute sich tummeln. Dort würden mit großem Echo Fake News verbreitet, Desinformation, politische Hetze. Für klassische Informationskanäle von Zeitungen bis zu seriösen TV-Nachrichten, auch im Internet, seien Generation-Z-ler kaum empfänglich. Doch da entgehe ihnen das, was die beiden zu ihrer Berufung gemacht haben: das akribische Überprüfen von Tatsachen und Veröffentlichen von gesicherten Informationen.
Facts for Friends sammelt Faktenchecks der Deutschen Presse-Agentur, von Agence France Press und anderen Nachrichtenprüfern wie des gemeinnützigen Recherchezentrums Correctiv. Der Reuters Institute Digital News Survey 2021 zeigte zuletzt, dass von den Erwachsenen, die sich im Internet informieren, 31 Prozent soziale Medien nutzen: Platz eins vor Zeitungen, Magazinen und TV- sowie Hörfunkanbietern mit ihren Onlineangeboten. Das ist in der Corona-Pandemie leicht zurückgegangen. Offenbar vertrauen viele den Inhalten der sozialen Medien hier nicht wie sonst. Allerdings liegt der Anteil bei den 18- bis 24-Jährigen sogar bei 52 Prozent Nutzung von Facebook, Twitter und Co.
Facts for Friends sammelt Faktenchecks
Wie Sascha Hölig und Julia Behre vom Hamburger Leibniz Institut für Medienforschung/Hans-Bredow-Institut in einer Auswertung der Daten schreiben, beschränkten aber nur acht Prozent in dieser Altersgruppe ihre Nachrichtennutzung allein auf diese Plattformen. „Dementsprechend sind für den deutlich größten Teil dieser Altersgruppe Nachrichten in sozialen Medien höchstens eine Ergänzung zu anderen Nachrichtenquellen. Dieser seit Jahren stabile Befund sollte bei den oft gehörten Diskussionen über potenzielle Gefahren durch Filterblasen und Echokammern nicht vergessen werden.“
Scholz und Klimkeit setzen auf das International Fact Checking Network, eine Einrichtung, die vom amerikanischen Poynter Institut betrieben wird. Es ist eine Art Siegel für das unabhängige Prüfen von Informationen auf ihren Wahrheitsgehalt. Facts for Friends sammelt diese Faktenchecks und stellt sie als Videos oder visuell peppig aufbereitete „Fact Snacks“ zum Verteilen für soziale Medien zur Verfügung.
„Wir können da eine Brücke bauen“
„Widerlegt: Ein Priester starb während der Live-Übertragung einer Messe kurz nach der Corona-Impfung.“ Dieser Faktencheck lässt sich mit einem Klick in den sozialen Medien teilen – vor allem dort, wo diese Legende auftauchte. „Irreführend: Auf Wikipedia steht, dass das Weltwirtschaftsforum die Demokratie weltweit abschaffen will.“ Hier wurde ein Wikipedia-Eintrag manipuliert, fand die Nachrichtenagentur AFP heraus.
Scholz und Klimkeit verbreiteten das. „Widerlegt: Olaf Scholz war im Jahr 1984 Mitglied der linksextremen RAF.“ Diese irre Behauptung kursierte im Netz. Facts for Friends macht die tiefe Recherche gegen diese Falschmeldung mit einem Fingerdruck fit für TikTok und andere Kanäle voller Halbwahrheiten. „Die Faktenchecks erreichen oft nicht die, die vor allem in der Corona-Pandemie erreicht werden müssen“, sagt Valerie Scholz. „Wir können da eine Brücke bauen.“
Videos im Stil von Instagram oder TikTok
Das bedeutet, komplexe Zusammenhänge in eine simple, gesprochene Sprache zu bringen: mit plakativen Bildern, Slogans, Mini-Videos, Rollenspielen. Die Videos entsprechen genau dem Stil von Instagram oder TikTok. „Da sagt einer, eine Corona-Infektion kann mit einem Atemtest erkannt werden, indem man zehn Sekunden die Luft anhält. Aber guckt doch mal hier: Kann das wirklich funktionieren?“ Knappe Dialoge in dieser Art lassen sich sogar in WhatsApp-Gruppen teilen.
„Selbst eine Webseite ist für viele schon zu viel, wenn sie es lesen müssen“, sagt Scholz. „Unser Angebot ist extrem komprimiert und in der visuellen Aufbereitung auf die Generation Z ausgerichtet. Unsere Faktenchecker-Videos zum Beispiel bei TikTok gehen zum Teil auch viral und haben dann mehrere Hunderttausend Aufrufe.“ Sie kümmert sich vorrangig um die Inhalte, Katharina Klimkeit um die Technik und die Zahlen. Drei Mitarbeiterinnen unterstützen sie.
Faktencheck auch auf Youtube
„Gibt es TikTok morgen noch?“, fragt Klimkeit. „Das ist ein Risiko. Deshalb müssen wir maximal flexibel sein und so viele Kanäle wie möglich bespielen.“ Das Angebot auf Youtube wird jetzt ausgebaut. Dort lässt sich mit Werbung etwas Geld generieren. Doch direkt Geld von Google nehmen? Das ist für die beiden schwierig zu beantworten. Sie wären offen für Big Player als Partner – solange es ihrem Ziel dient. Scholz meint: „Wir entscheiden, was wir veröffentlichen.“ Und da fühlen sie sich dem Siegel des Faktenchecker-Netzwerkes verpflichtet.
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Scholz hat in Lüneburg Kultur- und Medienwissenschaften studiert und in Agenturen gearbeitet. Klimkeit ist Betriebswirtin, hat ihren Master in Innovations-Management und Unternehmertum in Stockholm gemacht. Sie hat an dem Hackathon #WirVsVirus des Bundesforschungsministeriums teilgenommen und für Facts for Friends öffentliche Gelder gewinnen können. Die Björn Steiger Stiftung und die Hamburger Holistic Foundation von Janina Lin und Benjamin Otto unterstützen die Unternehmerinnen ebenfalls. Die Initiative Kultur- und Kreativwirtschaft der Bundesregierung hat Facts for Friends als „Kreativpiloten“ ausgezeichnet. Ihre Präsentation in Berlin nach der Bundestagswahl traf ziemlich gut den Nerv der Fachleute im u-Institut für unternehmerisches Denken und Handeln.
Instagram: Hamburgerinnen haben eine Vision
Wie man junge Leute auf deren Kanälen erreicht, ist die Gretchenfrage für Politik und Wirtschaft – und der Alltag von Scholz/Klimkeit. Sie verfolgen eine Vision. Eine Suchmaschine für Faktenchecks werden, für Informationen, die sich in Sekunden teilen lassen, das ist eine ihrer Ideen. Facts for Friends schielt auf Projekte zu künstlicher Intelligenz und „Natural Language Processing“. Damit soll gesprochene Sprache von Computern verstanden und mithilfe von Algorithmen weiterverarbeitet werden können. Die Maschinen lernen dazu. Scholz und Klimkeit wollen mit dafür sorgen, dass es das Richtige ist.