Hamburg. Eine 81-Jährige stellt sich für die Ausbildung von Medizinern zur Verfügung. Warum Studierende auf solche Spenden angewiesen sind.
Es ist ein gutes Gefühl. Beruhigend, findet sie. Veronika St. ist fit und aktiv, und sie hat viel Freude am Leben. Und doch ist die Hamburgerin erleichtert, dass für die Zeit danach alles geregelt ist – für die Zeit nach ihrem Ableben. Unter die Erde kommt die 81-Jährige dann zunächst nicht. Sie hat andere Pläne, etwas Sinnvolles, wie sie betont. „Ich freue mich, wenn ich nach meinem Tod noch nützlich sein kein.“ Veronika St. wird ihren Leichnam der Wissenschaft vermachen. Sie wird Körperspenderin.
Damit bietet die Hamburgerin Medizinstudenten, Ärzten oder Zahnärzten die Möglichkeit, ihren Körper für anatomische Studien zu nutzen. „Körperspenden sind unglaublich wichtig für unsere Studierenden und auch für fertig ausgebildete Mediziner“, erklärt Prof. Udo Schumacher, Direktor des Instituts für Anatomie am UKE.
UKE: Hamburgerin spendet Körper nach Tod
Im Studium gibt es mehrere Abschnitte, in denen in Präparierkursen die Kenntnisse in der Anatomie erworben und ausgeweitet werden. Und auch Ärzte, die schon länger im Beruf sind, müssen immer wieder am menschlichen Körper üben, um beispielsweise endoskopische Operationstechniken zu verfeinern oder um Tumore, die ungewöhnlich lokalisiert sind, entfernen zu können.
Veronika St. hat sich schon früh über ihren Tod und was danach kommen soll, Gedanken gemacht. Ihr erstes Testament verfasste sie im Alter von 32. „Der Ziegelstein auf dem Kopf kann jeden treffen“, weiß sie und sagt: „Mein Tod, der kommt.“ Auch einen Organspendeausweis hat die Eppendorferin seit Jahrzehnten. Die Überlegung, ihren Körper an die Anatomie des UKE zu spenden, stellte sie an, nachdem sie vor etwa zwei Jahren an einer Führung durch das Institut für Rechtsmedizin teilgenommen hatte. „Es wurde beispielsweise der Gang mit den Kühlfächern für die Leichen gezeigt und auch eine Tote“, erinnert sich Veronika St.
Idee entstand bei Rundgang durch die Rechtsmedizin
Später sah sie im Vorbeigehen an einem Fenster in dem dahinter liegenden Raum mehrere Ärzte, die an einem Leichnam arbeiteten. „Das hat mich tief beeindruckt“, erzählt die Hamburgerin. „Da standen ausgefuchste Chirurgen und übten, um sich weiter zu spezialisieren.“ Kurze Zeit später las Veronika St. einen Zeitungsartikel über Körperspenden. „Da habe ich meinen Entschluss gefasst, das auch zu machen.“ Im UKE hat sie alles schriftlich festgelegt. „Und meine Hausärzte wissen auch Bescheid.“ Sie sei „ungeheuer erleichtert, dass ich alles geregelt habe.“
Dass so eine Entscheidung für manche Angehörige schwer zu verdauen ist, ist Veronika St. bewusst. „Ich bin geschieden und habe keine Kinder, kann das also mit mir allein ausmachen“, erzählt sie. Allerdings habe sie andere Verwandte, „die schlucken schon. Aber man nimmt es hin, denn sie wissen, dass ich meinen Entschluss gefasst habe.“
„Ich bin dann in der Anatomie"
Sie habe ihre Angehörigen und Freunde darauf vorbereitet, dass sie keine Trauerfeier wünscht. „Alles ist geplant. Ich bin dann in der Anatomie, mein Haushalt wird aufgelöst, und es soll ein Fest geben.“ Sie wolle, dass ihr Umfeld nach einem Spruch lebt, den sie sehr liebt: „Wenn ihr an mich denkt, seid nicht traurig. Erzählt lieber von mir und traut euch ruhig zu lachen. Lasst mir einen Platz in eurer Mitte, wie ich ihn im Leben hatte.“
Am liebsten, sagt Veronika St., würde sie als Körperspenderin „zu den Herzchirurgen kommen. Aber ich weiß, dass ich dann sozusagen auf dem freien Markt bin.“ Für sie sei es die Hauptsache, „dass ich für die Medizin nützlich sein kann“.
„Alle Menschen werden eines Tages versterben"
„Die Arbeit am Menschen kann nicht abgelöst werden durch noch so gute virtuelle Simulation“, betont der Direktor der Anatomie am UKE, Prof. Schumacher. „Die Vielfalt des menschlichen Körpers kann man nur direkt erleben. Außerdem hat die Anatomie neben der Vermittlung von Fakten eine wichtige philosophische Funktion. Der Präparierkurs ist die Einführung in die ärztliche Tätigkeit. Arztsein heißt, sich mit Kranken auseinanderzusetzen.“
Dabei sei der Arzt „im Grunde genommen Begleiter“, erklärt Schumacher. „Alle Menschen werden eines Tages versterben. Daher ist die Auseinandersetzung mit Tod und dem toten Körper eine wichtige Voraussetzung, dass man ein guter Arzt werden kann.“
Medizinstudenten kommen später zur Trauerfeier
Wer seinen Körper spenden will, muss zu Lebzeiten eine Vereinbarung mit einem entsprechenden Institut abschließen. Hinterbliebene können weder die Vereinbarung widerrufen noch einen verstorbenen Angehörigen ohne dessen Zustimmung für die Körperspende freigeben. Etwa 70 bis 80 solcher Spenden würden jedes Jahr für die Anatomie gebraucht, erklärt Professor Schumacher. Wenn ein entsprechender Leichnam in die Anatomie komme, werde der Körper „haltbar gemacht“ erklärt Anatomie-Professor Schumacher. „Dann wird er im Präpariersaal verwendet.“ Jeder Tote werde später in einen eigenen Sarg gelegt, dieser dann kremiert. Bis die Beerdigung stattfinden kann, dauere es etwa drei Jahre.
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„Beim Präparierkurs lernen die Studierenden den respektvollen Umgang mit den Toten. Dieser Respekt wird jedes Jahr in einer besonderen Feierstunde gezeigt, zu der die Angehörigen eingeladen werden.“ Hier berichten die Studenten in eigenen Worten, was sie erlebt haben. Es gibt Musik, Blumen, Kerzenlicht und eindrucksvolle Reden.
UKE: Studierende drücken Wertschätzung aus
„Es ist bemerkenswert zu erleben, wie reflektiert die Studierenden sind“, betont Schumacher. „Diese Wertschätzung ist gleichzeitig eine Bitte an die Lebenden, sich eines Tages der Anatomie zur Verfügung zu stellen.“ Die Gedenkfeier für die Angehörigen habe Tradition, betont Schumacher. „Und wir bekommen häufig Rückmeldungen, in denen sich die Angehörigen für die Abschiedsfeier bedanken, die sie als schön und würdevoll erlebt haben.“
Auch wenn sie ein eher sachliches Verhältnis zum Tod hat: Dass es eine solche würdige Dankesfeier geben wird, findet Körperspenderin Veronika St., „absolut entzückend“.
Kontakt: koerperspende@uke.de