Hamburg. Gewerbetreibende klagen über das Anwohnerparken im Grindel. Die Situation sei für Schauspieler der Kammerspiele entwürdigend.

Der Ärger von Gewerbetreibenden über das Anwohnerparken im Grindelviertel geht weiter. Ob Zahntechniker, Kulturschaffende oder Immobilienunternehmer: Die Geschäftsleute fühlen sich benachteiligt, weil Sondergenehmigungen für das Parken von Mitarbeiter- und Firmenfahrzeugen kaum zu bekommen sind.

Es klingt absurd. Weil es vor den Kammerspielen an der Hartungstraße in Rotherbaum seit der Einführung des Anwohnerparkens vor gut einem Jahr keine Möglichkeit mehr für die Theaterleute gibt, kostenfrei davor zu parken, gehört es zum täglichen Ritual, den Lkw und den Kleintransporter mehr als einen Kilometer weit entfernt am Innocentiapark zu parken. Sind dann Bühnenbilder aus- und einzuladen, was täglich mehrmals der Fall ist, müssen die Fahrer die Transporter zu Fuß abholen.

Dann halten sie die Fahrzeuge vor dem Theater oder am Hintereingang an der Bieberstraße, damit die Mitarbeiter die Bühnenbilder schnell ein- und ausladen können. Entweder sie zahlen dann die Parkgebühr oder bekommen einen Strafzettel. Eine Ausnahmegenehmigung, um die Fahrzeuge dort regulär gegen eine Jahresgebühr parken zu dürfen, wurde vom zuständigen Landesbetrieb Verkehr (LBV) abgelehnt, berichtet der künstlerische Leiter der Kammerspiele, Sewan Latchinian. „Ich habe den Eindruck, dass wir stören und nicht willkommen sind, wir fühlen uns wie Aussätzige.“

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Harte Worte, aber: „Die Vorgänge sind katastrophal. Wir sind kein gewinnbringendes Unternehmen, müssen aufs Geld schauen. Das ist der blanke Horror.“ Und auch die Schauspieler, die aus verschiedenen Gründen nicht mit dem Rad oder den öffentlichen Verkehrsmitteln kommen, sind davon betroffen. „Mitten in den Proben passiert es, dass ein Schauspieler wegrennt, um ein Parkticket zu verlängern. Das ist entwürdigend“, so Latchinian.

Aus der Verkehrsbehörde heißt es dazu: „In der Hartungstraße befindet sich in unmittelbarer Nähe des Gebäudes der Kammerspiele eine eingeschränkte Halteverbotszone. Diese kann zum Be- und Entladen genutzt werden, ähnlich einer Ladezone.“

Am Grindel haben Gewerbetreibende Probleme mit dem Anwohnerparken. Rolf Schulz hat ein Dentallabor in der Dillstraße.
Gewerbetreibende am Grindel haben Probleme mit dem Anwohnerparken. Rolf Schulz hat ein Dentallabor in der Dillstraße. © Michael Rauhe / FUNKE Foto Services

Nebenan in der Dillstraße hat Zahntechnikermeister Rolf Schulz seit 42 Jahren seine Firma. Schulz hatte für vier Firmenwagen eine Ausnahmegenehmigung beantragt, weil täglich Auslieferungen an Zahnärzte notwendig sind. Zwar wurden zwei Anträge genehmigt, allerdings dürfen die Fahrzeuge jeweils lediglich drei Stunden im Gebiet parken, außerdem sei ihm ein Stellplatz in der Nähe des Fernsehturms angeboten worden. Viel zu weit weg.

Die Kriterien für eine Genehmigung sind Schulz nicht klar. „Es scheint keine Richtlinien zu geben. Dort beim Landesbetrieb Verkehr scheint das reinste Chaos zu herrschen“, sagt Herr Schulz. Er hat zwar für sich eine Anwohnerparkgenehmigung erhalten, weil er krank ist. Dennoch hat er einen Anwalt eingeschaltet. „Es ist nicht nachvollziehbar, warum Gewerbetreibende in Mischgebieten keine Genehmigung bekommen. Jeder wünscht sich ein gemischtes Quartier. Das ist ein Unding. Ich zahle Steuern, schaffe Arbeitsplätze.“

Anwohnerparken gilt für Bewohnende des Gebiets

Welcher Betrieb eine Ausnahmegenehmigung und damit die Erlaubnis fürs Anwohnerparken erhält, ist laut Verkehrsbehörde geregelt. Um eine Sondergenehmigung zu bekommen, müsse der Betrieb Folgendes nachweisen: Er muss im Bewohnerparkgebiet ansässig sein (Nachweis per Handelsregisterauszug oder Ähnlichem). Es muss nachgewiesen werden, dass regelmäßige Transporte (mehrfach am Tag) von und zum Fahrzeug erfolgen. Das Fahrzeug muss nachweislich für den beschriebenen Zweck geeignet sein. Es darf kein freier Parkraum in fußläufiger Umgebung frei beziehungsweise anmietbar sein.

„Einen allgemeinen Anspruch auf einen Bewohnerparkausweis haben nur Bewohnende, die im entsprechenden Bereich meldebehördlich registriert sind und dort wohnen beziehungsweise mit Zweitwohnsitz angemeldet sind. Eine Regelung für ortsansässige Betriebe kennt die Straßenverkehrsordnung nicht, begünstigt werden ausdrücklich nur Bewohner:innen“, so Behördensprecher Dennis Heinert.

25.000 Euro zusätzlich fürs Parken und HVV-Karten

Durch die Einführung vom Bewohnerparken erhofft sich die Stadt, dass sich die angespannte Parksituation verbessert. „Eine generelle Ausnahmegenehmigung auch für Gewerbetreibende und gegebenenfalls deren Angestellte würde nicht zu dieser Verbesserung führen.“

Sauer ist auch Andreas Burckhardt, der eine Grundstücksverwaltung mit 80 Mitarbeitern am Mittelweg betreibt. Auch seine Angestellten müssen täglich mit dem Fahrzeug hinausfahren zu den Objekten. Ausnahmegenehmigungen hat er keine bekommen. „Die Stadt hat uns Gewerbetreibende vergessen.“ Burckhardt klagt in zweiter Instanz auf eine Parkmöglichkeit.

„Wir haben diese Räume 1997 unter der Voraussetzung angemietet, Parkmöglichkeiten zu haben. Das ist nun nicht mehr so. Dann könnten wir auch in Hamm oder Horn unseren Firmensitz haben.“ 25.000 Euro zusätzlich gibt er seit der Einführung des Anwohnerparkens für HVV-Karten für seine Mitarbeiter und für Parktickets aus. Drei Parkplätze für jeweils 200 Euro im Monat musste er anmieten.

Hamburger CDU ist für Ausnahmegenehmigungen

Unterstützung bekommen die Gewerbetreibenden von der CDU. Diese fordert unter anderem, dass die Straßenverkehrsordnung so geändert wird, dass das Handwerk und Gewerbe eine Anwohnerparkerlaubnis für alle betriebsrelevanten Fahrzeuge bekommt und es Richtlinien für die Vergabe von Ausnahmegenehmigungen gibt. „Eine Kontingentlösung, die an einen Betrieb gebunden ist, macht Sinn“, sagt der CDU-Bürgerschaftsabgeordnete Götz Wiese. „Der Betrieb soll frei entscheiden können, welche Fahrzeuge unter einer Ausnahmegenehmigung parken können.“ Auch sollten Anträge innerhalb von vier bis sechs Wochen beschieden werden.

Der Landesbetrieb Verkehr, so heißt es in der Kleinen Anfrage der CDU-Bürgerschaftsfraktion, plant, das digitale Antragsverfahren so zu etablieren, dass weniger negative Entscheidungen hinausgehen. In Rotherbaum wurden in diesem Jahr (Stichtag 31. Oktober) von 70 eingereichten Anträgen auf eine Ausnahmeregelung 22 abgelehnt.

Im vergangenen Jahr war der Anteil der Negativbescheide noch höher: Von 66 von Gewerbetreibenden eingereichten Anträgen auf das Recht, Anwohnerparkplätze gegen eine Jahresgebühr von 250 Euro nutzen zu können, wurden 48 abgelehnt.

Rechtsänderung auf Bundesebene gefordert

Handwerkskammerpräsident Hjalmar Stemmann: „Die Situation in den Bewohnerparkgebieten ist für ansässige Betriebe nach wie vor belastend, weil sie nach der Straßenverkehrsordnung nicht wie Bewohner behandelt werden. Deshalb muss die Stadt überhaupt mit Ausnahmegenehmigungen arbeiten, um in begrenztem Umfang die Parkerlaubnis für betriebliche Fahrzeuge zu erteilen. Wir brauchen also dringend eine grundsätzliche Rechtsänderung auf Bundesebene. Bis dahin versucht der LBV bereits, Ausnahmegenehmigungen für das Parken am Betriebssitz zu erleichtern und großzügiger zu handhaben. Auf die angekündigten Quoten, nach denen die Zahl der genehmigungsfähigen Parkberechtigungen in den einzelnen Bewohnerparkgebieten bemessen werden sollen, warten wir allerdings noch.“

Auch die Handelskammer Hamburg ist am Thema dran, weil viele ihrer Mitglieder davon betroffen sind. „Wir können die Not der Unternehmen sehr nachvollziehen, die Parkplätze für ihr Gewerbe brauchen. Gemischt genutzte Quartiere sind ebenso Wohn- wie Unternehmensstandorte. Es ist kaum verständlich, dass bei der Vergabe von Parkplatzberechtigungen mit zweierlei Maß gemessen wird“, sagt Jan-Oliver Siebrand, Geschäftsführer des Bereiches Nachhaltigkeit und Mobilität bei der Handelskammer Hamburg.