Hamburg. Kreuz und quer abgestellte E-Scooter versperren Wege. Der blinde Björn Beilfuß demonstriert, wie gefährlich das werden kann.
Das Thema ist überall in Hamburg bekannt: Kreuz und quer abgestellte E-Scooter behindern Wege, Zufahrten uns Hauseingänge. Manche liegen in Hecken, andere stehen auf Radwegen, und einige fallen sogar um und landen auf der Straße. Für die meisten Menschen ist das ärgerlich und lästig, manchen mag es auch egal sein.
Gefährlich sind „wild“ abgestellte Scooter aber für diejenigen, die ihnen nicht ausweichen können, weil sie sie schlichtweg nicht sehen können: blinde und stark sehbehinderte Menschen. Björn Beilfuß aus Othmarschen hatte das schwerwiegende Problem gegenüber dem Abendblatt angesprochen und einen Ortstermin in seiner Nachbarschaft angeregt. Es folgte ein kurzer Rundgang, wie man ihn vermutlich überall in der Stadt nachvollziehen kann.
Verkehr Hamburg: E-Scooter quer auf Fußweg
Wir treffen uns mit Björn Beilfuß am S-Bahnhof Othmarschen, eine Gegend, die dem 45-Jährigen vertraut ist. Oft besucht er seine Eltern, die in Bahnhofsnähe wohnen, dann fährt er mit dem Bus von der Station Statthalterplatz wieder zurück zu seiner Wohnung in Altona.
Es ist kaum zu glauben, aber bereits unmittelbar am Treffpunkt, einem Fußgängertunnel zwischen Hammerich- und Waitzstraße, steht ein E-Scooter quer auf dem Fußweg. Rund zwei Drittel der Wegfläche nimmt er ein – und das, obwohl keine 50 Zentimeter weiter in einer Nische zwischen Hauswand und Fahrradstellplätzen Platz für mindestens fünf Scooter wäre. „So ist das hier dauernd“, sagt Beilfuß, nachdem wir ihm die Situation beschrieben haben, „mein Weg ist oft wie ein einziger Hindernislauf.“
E-Scooter erschweren Beilfuß den Alltag
Björn Beilfuß ist ein eher lockerer Typ, der sich sozial und kommunalpolitisch engagiert und viele Freunde hat. Doch seit ihm immer häufiger E-Scooter seine gewohnte Strecke versperren, ist sein Alltag deutlich schwieriger geworden. Er orientiert sich unter anderem an Straßengeräuschen und hat sich beispielsweise eingeprägt, wo Wege für Übergänge abgesenkt sind, wo eine Ampel steht oder ein Zebrastreifen verläuft. Alle unterwegs stehenden Hindernisse stören diese Gedankenkette empfindlich, und die Orientierung wird schwieriger. Doch das ist nicht alles.
Christoph Beilfuß demonstriert, wie leicht sich sein Blindenstock in den Ecken und Windungen eines E-Scooters verfangen kann. Wenn der Stock zwischen Rad und Rahmen feststeckt, ist dieses Knäuel, auch wegen der geringen Höhe des Hindernisses, für ihn deutlich schwieriger zu entzerren, als beispielsweise bei einem quer stehenden Fahrrad. Dass die Scooter leicht umfallen, erschwert das Problem noch, denn der Blinde muss dann quasi ertasten wo und wie das Gefährt auf dem Weg vor ihm liegt.
Passanten ignorieren falsche abgestellte Roller
Dass er dadurch schon mehrmals fast gestürzt wäre, will Beilfuß nicht überdramatisieren, wie er sagt. Nur wenige Meter weiter steht ein E-Scooter mitten in dem Fußgängertunnel. Wohl Hunderte Passanten müssen ihn an diesem Tag schon umrundet haben, aber niemand fühlte sich offenbar dafür zuständig, ihn etwas zur Seite zu schieben.
Bahnhöfe scheinen bei diesem Thema zu den neuralgischen Punkten zu gehören. Zumindest hier wirkt es so, als hätten die Nutzerinnen und Nutzer die E-Scooter beim Eintreffen der Bahn in großer Eile einfach irgendwo abgestellt. Das wird auch am Statthalterplatz beim östlichen Eingang überdeutlich, wo überreichlicher Platz für das ordnungsgemäße Anstellen vorhanden ist.
Hamburger Polizei kontrolliert E-Scooter
Wie berichtet, werden in Hamburg zurzeit zwei größere Scooter-Abstellflächen erprobt – am Jungfernstieg und auf der Schanze. Strengere Regeln für das korrekte Abstellen könnten aber nur bundesweit einheitlich durchgesetzt werden, entsprechende Gespräche laufen bereits. Aktuell versuchen die Hamburger Anbieter, die wild abgestellten Scooter „zeitnah“ aufzuspüren und ordentlich zu platzieren. Auch die Polizei kontrolliert und verteilt Strafzettel. Doch angesichts der Masse der kreuz und quer stehenden Scooter ist das Problem nicht so leicht in den Griff zu bekommen – und das wird wohl noch eine Weile so bleiben.
- Warum die Pandemie für hohe Nachfrage nach E-Scootern sorgt
- Der Umstieg vom Auto scheitert am Hamburger Stadtrand
- E-Scooter fahren – an diese Regeln muss man sich halten
Wie so viele Menschen in Hamburg, die berechtigte Kritik vorbringen, möchte auch Björn Beilfuß nicht als intoleranter Meckerer rüberkommen. Klar, er gönnt allen E-Scooter-Fahrern ihr Vergnügen, vielleicht wäre er selbst einer, wenn sein Leben anders verlaufen wäre. Dass die Scooter auch einen wichtigen Beitrag zur Verkehrswende leisten könnten, ist auch ihm klar, und entsprechend bleibt, wieder einmal, nur ein Appell.
Verkehr Hamburg: Beilfuß richtet Appell an E-Scooter-Nutzer
Geradezu höflich fordert Beilfuß die Scooter-Nutzer auf, beim Abstellen doch bitte auch mal an Menschen wie ihn zu denken. Und auch an andere Verkehrsteilnehmer, die auf ihren täglichen Wegen nicht so sicher sind wie die munteren Scooter-Nutzer, zum Beispiel Gehbehinderte oder auch kleine, tapsige Kinder. „Es geht um Rücksichtnahme“, sagt Björn Beilfuß. „Das ist doch wirklich nicht zu viel verlangt.“