Hamburg. Mit einem Übungsparcours wollen Verleiher über Verkehrsregeln aufklären. Was die neue Fußpatrouille der Anbieter bisher gebracht hat.

Das hat Jörg Dittrich noch nie gemacht: Der 58 Jahre alte Chemnitzer stand am Dienstag das erste Mal auf einem E-Scooter. Nicht auf der Straße, wo der Urlauber eigentlich hätte fahren müssen, sondern mitten auf dem Gänsemarkt. Als er sich mit dem Fuß abstieß, fuhr er zehn Meter. Dann prallte er mit dem Kopf gegen eine Stange. Sie fiel krachend zu Boden.

Doch das störte den Fahrer überhaupt nicht. Er trug einen Helm und grinste den Unfall weg. Schließlich war die Stange wie dafür gemacht, um herunterzufallen. Sie gehörte zum 60 Meter langen Parcours, auf dem Interessierte am Dienstag das Fahren auf E-Scootern üben durften. Dafür hatten sich die Betreiber Bird, Bolt, Lime, Tier und Voi zusammengeschlossen und ein kostenfreies Training zur Fahrsicherheit organisiert.

Sabine und Jörg Dittrich sind zum ersten Mal Scooter gefahren.
Sabine und Jörg Dittrich sind zum ersten Mal Scooter gefahren. © HA/Laura Kosanke | Laura Kosanke

Hätte Dittrich für seine Fahrkünste eine Note bekommen, wäre er wohl durchgefallen, doch die gab es nicht. Vielmehr ging es den Betreibern darum, den Interessierten ein sicheres Fahrgefühl zu vermitteln. „Wir wollen heute die Bürger abholen. Jeder soll selbst testen können, wie sich so ein E-Scooter fährt“, sagte Markus Ries, Regionalmanager bei Tier. Und weiter: „Wir wollen aber auch informieren, welche Verkehrsregeln für Scooter bestehen.“

E-Scooter fahren in Hamburg: Wann ein Bußgeld droht

Es gilt: Theoretisch ist das Fahren mit 14 Jahren erlaubt, praktisch verleihen die Betreiber aber nur an Volljährige. Es ist strikt verboten, den E-Scooter zu zweit zu nutzen. Wer fährt, muss sich außerdem an die gleiche Promillegrenze wie Autofahrende halten. Der E-Scooter fällt nämlich in die Kategorie der Elektrokleinstfahrzeuge. Das bedeutet: Fahranfänger in der Probezeit und unter 21 Jahren fahren mit 0,0 Promille. Alle anderen dürfen weniger als 0,5 Promille im Blut haben. Wer darüber liegt, begeht bis 1,09 Promille eine Ordnungswidrigkeit und ab 1,1 Promille eine Straftat.

Ansonsten wird der Elektrotretroller wie ein Fahrrad behandelt: Auf dem Fußweg oder der falschen Straßenseite ist er nicht erlaubt. Bei gemeinsamen Geh- und Radwegen haben Fußgänger immer den Vorrang, also: Tempo runter. Außerdem sollten Scooter-Nutzer hintereinander fahren und nur dort parken, wo sie niemanden behindern. Wer sich nicht daran hält, riskiert ein Bußgeld. Und: Wer einen Regelbruch feststellt, kann ihn per Mail an hamburg.escooter@gmail.com melden.

Hamburg: Fußpatrouille räumt falsch geparkte E-Scooter aus dem Weg

Das Postfach ist erst wenige Wochen in Betrieb. Es war als Folge der hitzigen Diskussion zum Thema Verkehrssicherheit in der Hamburger Politik eingerichtet worden. Während die einen die „Verkehrswende“ durch den Einsatz von E-Scootern herbeiredeten, ärgerten sich die anderen über rücksichtsloses Park- und Fahrverhalten. Deshalb hatten sich die fünf Verleihfirmen mit der Verkehrsbehörde und dem Landesbetrieb Verkehr darauf verständigt, Maßnahmen zu ergreifen.

Zum Beispiel räumt seit zwei Wochen eine Fußpatrouille der Verleiher die falsch geparkten E-Scooter aus dem Weg und stellt sie geordnet in den öffentlichen Raum, etwa auf einen der speziellen Parkplätze, die die Stadt bereitstellt. Die Betreiber zahlen dafür keine Nutzungsgebühr. Die Patrouille dokumentiert die Aufräumarbeiten im internen Chat. „Wir machen bis zu 300 Fotos am Tag, die oft fünf bis zehn Scooter zeigen. Da kommt eine ganz schöne Masse zusammen“, sagte Tier-Manager Ries. Zudem führten die Betreiber das sogenannte After-Ride-Picture ein. Das ist ein Foto, das Nutzerinnen und Nutzer nach der Fahrt hochladen, um zu beweisen, dass der Scooter korrekt parkt.

E-Scooter: Mehr Menschen für die Regeln sensibilisieren

Ries zog nach der zweiwöchigen Startphase sein erstes Fazit: „Aus meiner Sicht ist es besser geworden, aber das liegt wohl eher an den Aufräumarbeiten als am Nutzerverhalten.“ Ganz ist das Problem also nicht gelöst. Ries hofft, mit dem Fahrsicherheitstraining mehr Menschen für die Regeln zu sensibilisieren – und sie für weitere Fahrten zu gewinnen. Deshalb schenkt Tier allen E-Scooter-Fans eine Freifahrt auf einem der eukalyptus-grünen E-Tretroller. Interessierte müssen dafür ein Profil anlegen und den Code „safetytier“ eingeben, um 20 Freiminuten zu erhalten. Voi schließt sich mit dem Code „HHROLLT“ an, schreibt aber nur 15 Freiminuten gut.

Die Urlauber aus Chemnitz hat der Tier-Manager nicht überzeugt. „Ich glaube nicht, dass ich noch einmal Scooter fahre, aber ich wollte es ausprobieren“, sagte Sabine Dittrich. Trotzdem spricht die 56-Jährige sich für Elektrotretroller aus, gerade in Großstädten könnten sie zur Verkehrswende beitragen. Ihr Mann stimmt ihr zu. Allerdings möchten beide weiterhin auf ein anderes Verkehrsmittel setzen. „Wir fahren lieber mit dem Fahrrad“, sagte Jörg Dittrich.