Hamburg. Schon in gut zwei Jahren läuft der Mietvertrag aus. Welcher Zukunftsplan der beste ist, darüber aber gehen die Meinungen auseinander.

Der Poker um die Nachnutzung hat begonnen. Am 30. April 2024 läuft der Mietvertrag für Karstadt Wandsbek aus. Jetzt werden die Weichen für den wahrscheinlichen Fall einer Wandsbeker Meile ohne sein früheres Zugpferd gestellt. Union Investment Real Estate als Eigentümer, Bezirksamt, Politiker und jetzt auch die Wochenmarktbeschicker ringen um Konzepte für den Wandsbeker Kern.

Schon Ende September 2020 hatte Karstadt Wandsbek zusammen mit 62 Filialen im Bundesgebiet vor dem Aus gestanden. Ein neuer Mietvertrag zu vergünstigten Konditionen rettete das Wandsbeker Traditionshaus in letzter Minute, bewahrte aber damit auch Union Invest und den Standort Wandsbek vor einem jahrelangen Leerstand mit Brettern vor den Fenstern. Bezirk und Union Invest wollen sich jetzt rüsten für den Fall, dass es 2024 nicht weitergeht mit dem Kaufhaus an der Wandsbeker Marktstraße.

Immobilien: Wohnungen oder "Markthalle" satt Karstadt?

Eine neue Markthalle, „intelligente Lösungen“ für das denkmalgeschützte Warenhaus inklusive eines Teilabrisses, 150 bis 250 Wohnungen im Umfeld, Büros und Läden sind dafür im Gespräch. Und eine weitgehende Überbauung der Wochenmarktfläche hinter Karstadt und dem Wandsbeker Quarree.

„Wir streben einen Mix von etwa 45 Prozent Wohnen, 25 Prozent Büro bzw. Praxen oder Bildungsangeboten und 30 Prozent Einzelhandel an“, sagte Fabian Hellbusch, Leiter Immobilien, Marketing, Kommunikation bei Union Invest. Das Amt und die rot-grünen Mehrheitsfraktionen wollten auf Nachfrage keine Auskünfte zu den genauen Inhalten der Vorüberlegungen geben. Union Invest stellte sie für das erste Quartal 2022 in Aussicht.

Marktbeschicker sind schockiert über die Pläne

Über die Grundzüge der Planung sollte die Einigung schnell hergestellt werden, denn die Nachnutzung muss in einem neuen Bebauungsplan geregelt werden. So einen Plan zu entwickeln und durch die Verfahrensschritte zu bringen dauert eher länger als zwei Jahre. Unverbindliche Vorgespräche hinter den Kulissen der Verwaltung laufen seit 2020. Jetzt beginnt sich das Zeitfenster für einen reibungslosen Übergang nach dem möglichen Ende von Karstadt in Wandsbek zu schließen.

„Schockierend“ nannten die Marktbeschicker die Pläne zur Überbauung der derzeitigen Wochenmarktfläche. Die Planer aus dem Bezirksamt erwägen, bis zu 4000 der etwa 6500 Quadratmeter großen Wochenmarktfläche für Wohnungsbau zu nutzen. Bei einer ersten Informationsveranstaltung speziell für die Beschicker und die Vertreter der Parteien schlugen sie vor, den Wochenmarkt in eine neu zu bauende Halle nebenan zu verlagern.

Händler auf dem Wochenmarkt müssten höhere Gebühren zahlen

„Das wollen wir nicht“, sagte Frank Lütt, Obmann der Marktleute. Eine wegen der Pläne initiierte Umfrage unter den Kollegen laufe noch, aber es zeichne sich ein klares Nein zur Markthalle ab. Zwar mag sie geheizt und trocken sein. „Doch sie müsste den ganzen Tag öffnen, und wir Beschicker würden quasi zu Einzelhändlern“, sagte Lütt. „Derzeit sind wir Produzenten, die ihre Erzeugnisse selbst verkaufen.“

Außerdem nutzen viele ihren Wagen als Verkaufsstand. In einer Markthalle könnten sie das nicht und müssten zudem höhere Gebühren für die Stände zahlen. „Für wenige von uns denkbar scheint allenfalls eine Markthalle als Ergänzung zum jetzigen Wochenmarkt“, sagte Lütt, der mit seinen Leuten am alten Standort bleiben und die Fläche auch nicht verkleinert sehen will.

Karstadt-Parkhaus soll abgerissen werden

Die Wandsbeker FDP-Fraktionschefin Birgit Wolff ist in diesem Punkt noch unentschieden, die CDU-Fraktionschefin Natalie Hochheim hält Wohnungsbau allenfalls auf einem Drittel der Marktfläche für verträglich. Seit Corona zählt der Markt mehr Kunden, zuletzt kamen noch zusätzliche Händler, die den Aufwärtstrend nutzen wollen. Auch das zunächst nur coronabedingt „luftige Stellen“ der Stände habe den Markt attraktiver gemacht, finden die Händler.

Dass die Fläche nachmittags brachliege, ist für sie kein Argument fürs Bauen, sondern für einen Schwenk zur Multifunktionalität. So könne der Platz nachmittags für die Neu-Wandsbeker in den neuen Wohnungen zur Sport- und Naherholungsfläche werden, auf der Kinder geschützt vor Verkehr spielen. Die Vertreter von Rot-Grün äußerten sich nicht dazu. Unstrittig scheint, dass das Parkhaus und der nicht denkmalgeschützte Anbau des Warenhauses abgerissen und durch Neubauten ersetzt werden sollten beziehungsweise entsprechende Bestrebungen baurechtlich ermöglicht werden sollen.

Die Infrastruktur auf dem Markt ist schon lange marode

Mit der Realisierung der Pläne für den Wandsbeker Kern dürfte auf jeden Fall ein laut Marktobmann Lütt rund zehn Jahre langes Warten der Marktbeschicker ein Ende haben: Die marode städtische Infrastruktur der Marktfläche müsste dann ersetzt werden. Als da wären eine Elektrik, die den neuen stromsaugenden Verbrauchern nicht gewachsen ist, ein städtisches Markthäuschen, das für die Vermietung an einen gastronomischen Betrieb in zu schlechtem Zustand ist, eine Toilettenanlage, die gern gemieden wird, und ein rissiger Platzbelag mit Stolperfallen.

FDP-Frau Wolff: „Wir schlagen vor, dass mit diesen vergleichsweise kleinen Würfen aus der Rubrik Instandhaltung sofort begonnen wird.“