Hamburg. Das Miniatur Wunderland öffnet neuen 1,5 Millionen teuren Abschnitt. Gebaut wurde mit Brasilianern. Was noch geplant ist.
Ein wenig südamerikanischer Charme kann bei dem Hamburger Schmuddelwetter nicht schaden: Im Miniatur Wunderland in der Speicherstadt eröffnete am Mittwoch nach vier Jahren intensiver Arbeit der neue Rio-de-Janeiro-Abschnitt.
Miniatur Wunderland: 60.000 Arbeitsstunden für Rio in Hamburg
Angesichts von mehr als 60.000 Arbeitsstunden und knapp 1,5 Millionen Euro Baukosten sind alle Mitwirkende stolz. „Das ist für uns ein Wahnsinnsmoment: Ich habe Herzklopfen, habe nicht geschlafen – und jetzt ist es so weit“, sagte Wunderland-Gründer Frederik Braun.
Der neue Abschnitt ist 43 Quadratmeter groß und beheimatet mehr als 20.000 Figuren – und auch die längste Modelleisenbahn der Welt gewinnt an zusätzlichen 423 Metern. Das Mini-Rio ist so authentisch wie detailreich: Der Zuckerhut ragt über die Stadt, das Theatro Municipal strahlt in voller Pracht – während in den Favelas etwas außerhalb der Stadt der Müll auf den Straßen liegt und die Häuser mürbe aussehen. An der Copacabana bebt das Leben, da könnte man sich mit ein wenig Fantasie fast vorstellen, selbst gerade in der Sonne am Strand zu liegen – fast.
Bürgermeister Peter Tschentscher (SPD) kam persönlich zur Erweiterung von Deutschlands beliebtester Touristenattraktion in die Speicherstadt. „Das Schloss Neuschwanstein in Bayern ist nichts dagegen“, witzelte er. So spektakulär wie der Abschnitt selbst war auch die Eröffnung: Begleitet von anregender Trommelmusik, legen Sambatänzerinnen in federreichen Kostümen eine Show hin, als ob sie direkt auf den Straßen in Rio unterwegs seien. Da konnte selbst der Bürgermeister die Füße nicht völlig still halten. Auch Brasiliens Botschafter Roberto Jaguaribe war vor Ort – und hatte sogar einen Dankesbrief von Rios Bürgermeister dabei.
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Gebrüder Braun: 3000 weitere Quadratmeter
Im Miniatur Wunderland wurde nicht sinnbildlich die Brücke zwischen Hamburg und Rio geschlagen – auch eine wirkliche Brücke wurde am Mittwoch eingeweiht: Die 25 Meter lange Fleetbrücke wurde vor knapp einem Jahr fertiggestellt und bildet nun das Bindeglied zwischen dem neuen und dem alten Wunderland.
Ursprünglich wollten die Gründer-Brüder Braun auf der neuen 3000 Quadratmeter großen Ausstellungsfläche auf der anderen Seite des Kanals, im Block L der Speicherstadt, das Land Großbritannien in Miniatur nachbauen. Doch sie haben sich umentschieden – und hierfür war nicht der Brexit ausschlaggebend, wie Frederik Braun sagt, sondern eine Begegnung in New York.
Vor etwa vier Jahren war er zur Eröffnung eines Miniatur-Modell-Hauses in der amerikanischen Großstadt geladen. Von dem Event war er nicht wirklich begeistert – bis auf einen Ausstellungsteil, und das war Rio: „Da stand ich davor und traute meinen Augen nicht. Es war nicht perfekt, aber es war voller Liebe.“ Und das war vor allem den zuständigen Modellbauern zu verdanken: An diesem Tag hat Frederik Braun die argentinische Modellbauer-Familie Martinez kennengelernt. Mit ihr zusammen entstand die Idee, im Miniatur Wunderland Hamburg einen Südamerika-Abschnitt zu eröffnen.
Was das Miniatur Wunderland in Zukunft plant
Es wurde eine Zusammenarbeit der besonderen Art: Etwa 18 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Familie Martinez sowie 60 weitere des Wunderlands werkelten nach Ausarbeitung der Idee zusammen an den Figuren. Vorerst geschah dies gemeinsam in der Heimatstadt der Familie Martinez, in Buenos Aires. Coronabedingt mussten die deutsche Belegschaft jedoch nach einem Jahr abreisen. Von da an wurde in Argentinien allein weitergearbeitet, im ständigen Video-Austausch mit Hamburg. Vor gut einem Jahr wurde Mini-Rio in großen Schiffen auf Reisen geschickt und kam nach 30 Tagen im Hamburger Hafen zur Weiterverarbeitung an.
„Es ist mehr als eine Zusammenarbeit gewesen – es sind Freundschaften entstanden. Ich hoffe, dass diese Emotionen rüberkommen“, sagte Frederik Braun. Er empfindet die deutsche Gründlichkeit und den südamerikanischen Charme als perfekte Mischung und hofft, dass alle Besucherinnen und Besucher die Authentizität spüren werden.
Auch Jorge Martinez, Teil der Modellbauer-Familie, ist äußerst beglückt über das Projekt: „Ich kann es nicht glauben, dass wir das geschaffen haben. Für mich ist das, als ob ein Traum wahr werden würde.“ Seit 1985 ist seine Familie im Modellbau-Geschäft tätig – normalerweise für Privatkunden oder kleinere Veranstaltungen. Besonders freut sich der 31-Jährige über den noch kommenden Abschnitt seiner Heimatstadt, Buenos Aires. Zudem soll es Ende 2022 eine Dokumentation über die spektakuläre Zusammenarbeit geben.
Für die Zukunft plant das Miniatur Wunderland übrigens weiteren Zuwachs: Im neuen Speicherteil ist im Laufe des Jahres 2022 noch ein kleines Kino vorgesehen, eine Gastronomie sowie eine vollkommen neue Wunderland-Virtual-Reality-Welt. Rio de Janeiro bildet den ersten von vier geplanten Südamerika-Abschnitten: Zum Jahreswechsel 2022/2023 folgt ein Patagonien- und Antarktis-Abschnitt, 2024 der Regenwald mit Amazonas und Anden sowie 2025 die Karibik.