Hamburg. Eine Schau im Archäologischen Museum zeigt spektakuläre Bilder, wie die Hansestadt vor 1000 Jahren ausgesehen hat. Ein Vorgeschmack.

„So haben Sie Hamburg noch nie gesehen!“ Was nach einem nicht mehr ganz so frischen PR-Slogan aussieht, ist in diesem Fall tatsächlich einmal wahr. Denn so wie in der Ausstellung „Burgen in Hamburg – eine Spurensuche“ wurde Hamburg tatsächlich noch nie gezeigt. Die Schau ist ab Donnerstag im Archäologischen Museum Hamburg zu sehen.

Die Sonderausstellung ist das Ergebnis mehrerer Grabungskampagnen der vergangenen Jahre in der Altstadt. Und wer an Tonscherben und verrosteten alten Schwertern in Vitrinen nicht so arg interessiert ist, der ist genau richtig. „Es gibt in der Tat nur wenige Ausstellungsstücke, dafür aber spektakuläre Visualisierungen“, sagt Prof. Rainer-Maria Weiss, Landesarchäologe und Leiter des Museums.

Die Hammaburg und ihre archäologischen Funde
Die Hammaburg und ihre archäologischen Funde

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    Dank Computertechnik können sich die Besucher erstmals ein realistisches Bild davon machen, wie Hamburg vor rund 1000 Jahren tatsächlich ausgesehen hat.

    Ausstellung ist eher historisch als archäologisch

    So ist es auch eher eine historische Ausstellung als eine archäologische. Allerdings ist es den Archäologen um Weiss und Grabungsleiter Kay-Peter Suchowa zu verdanken, dass Hamburgs Frühgeschichte vor dem Jahr 1200 nun sehr viel klarer erscheint als noch vor Kurzem. Und da spielen die Burgen eine zentrale Rolle. In der historischen Literatur ist von diversen die Rede: Hammaburg, Bischofsburg, Alsterburg, Neue Burg. „Fakt ist, dass es in Hamburg zu keinem Zeitpunkt mehr als eine Burg gegeben hat“, sagt Weiss nun.

    1188 begann der Bau der Neustadt, das Burgareal ist bereits aufgeschüttet. Im Hintergrund die Altstadt mit Petrikirche, Stadttor und Dom (v. l.).
    1188 begann der Bau der Neustadt, das Burgareal ist bereits aufgeschüttet. Im Hintergrund die Altstadt mit Petrikirche, Stadttor und Dom (v. l.). © Archäologisches Museum Hamburg und Stadtmuseum Harburg | Archäologisches Museum Hamburg und Stadtmuseum Harburg

    Da gibt es zunächst die Hammaburg, den Ursprung der Stadt. Die ist um etwa 770 gebaut worden – genau datieren lässt sich das nicht. Um 830 wurde sie erweitert, die Experten sprechen von der „Hammaburg II“. Die wurde dann 845 bei einem Überfall dänischer Wikinger zerstört und gegen Ende des Jahrhunderts nochmals aufgebaut.

    Die Montage zeigt ein Foto von den Ausgrabungen am Wall der Neuen Burg und im Hintergrund als Simulation maßstabsgerecht den Wall, wie er früher aussah. Im Hintergrund die Alster.
    Die Montage zeigt ein Foto von den Ausgrabungen am Wall der Neuen Burg und im Hintergrund als Simulation maßstabsgerecht den Wall, wie er früher aussah. Im Hintergrund die Alster. © Archäologisches Museum Hamburg und Stadtmuseum Harburg | Archäologisches Museum Hamburg und Stadtmuseum Harburg

    Diese „Hammaburg III“ wurde dann 1023 aufgegeben – weil rund um das heutige Mahnmal St. Nikolai die viel größere „Neue Burg“ fertiggestellt war. Dies ist eine der neuen Erkenntnisse der jüngsten Grabungen.

    Der Hamburger Hafen wurde verlegt

    Zu diesem Zeitpunkt wurde auch der Hafen verlegt: vom Reichenstraßenfleet südlich der Hammaburg an das (heutige) Nikolaifleet. Dies konnte Suchowa mit seinem Team nachweisen, weil sie im vergangenen Jahr das Hafentor der Burg gefunden haben.

    Der Blick vom Nikolaiturm auf die Ausgrabungsstelle direkt vor dem Laeiszhof. Exakt dort befand sich das Burgtor zum Hafen, das die Archäologen erstmals nachweisen konnten.
    Der Blick vom Nikolaiturm auf die Ausgrabungsstelle direkt vor dem Laeiszhof. Exakt dort befand sich das Burgtor zum Hafen, das die Archäologen erstmals nachweisen konnten. © Archäologisches Museum Hamburg und Stadtmuseum Harburg | Archäologisches Museum Hamburg und Stadtmuseum Harburg

    Eine Alsterburg, die in allen Geschichtsbüchern bis ins 21. Jahrhundert noch auftaucht, hat es nie gegeben, das wurde schon bei der ersten Grabung am Hopfenmarkt 2014 klar. Und auch die in einer alten Quelle erwähnte Bischofsburg hat wahrscheinlich nie existiert – jedenfalls gibt es keinerlei archäologische Hinweise auf sie.

    Der Archäologe und Grabungsleiter Kay-Peter Suchowa.
    Der Archäologe und Grabungsleiter Kay-Peter Suchowa. © Sebastian Becht / FUNKE Foto Services | Sebastian Becht

    Aber was ist mit dem „Bischofsturm“, der ja im Untergeschoss der Bäckerei am Speersort für jeden zu sehen ist? „Das war eine Fehleinschätzung“, erklärt Weiss. Als die Turmreste ausgegraben wurden, datierte man sie auf das 11. Jahrhundert. „Mittlerweile wissen wir, dass der Turm mindestens 100 Jahre jünger ist.

    Anhand des geborgenen Holzes konnte exakt festgestellt werden, dass die Burg zwischen 1021 und 1023 gebaut wurde.
    Anhand des geborgenen Holzes konnte exakt festgestellt werden, dass die Burg zwischen 1021 und 1023 gebaut wurde. © Archäologisches Museum Hamburg und Stadtmuseum Harburg | Archäologisches Museum Hamburg und Stadtmuseum Harburg

    Daher kann er nicht zur bereits früher schriftlich erwähnten Bischofsburg gehören.“ Er ist sicher, dass der Turm zum ersten Stadttor gehört, wie es auch auf dem ältesten Wappen zu sehen ist. Auch dieses Gebäude wurde am Computer rekonstruiert. Zusammen mit Petrikirche und Dom prägte es die Skyline des Mittelalters.

    Überraschende Erkenntnisse der Neuen Burg

    Die Neue Burg – wie alle anderen in Hamburg nicht aus Stein, sondern eine Holz-Erde-Konstruktion – wurde in nur zwei Jahren errichtet. Was manche Forscher dazu brachte, eine gewaltiges Heer von Arbeitern anzunehmen. Von bis zu 30.000 ist da die Rede. „Völliger Unsinn“, sagt Weiss. Suchowa geht davon aus, dass maximal 100 Arbeiter beschäftigt waren. „Wir haben das genau ausgerechnet“, erklärt er. Man kenne ja die exakten Ausmaße der Burg, wisse, wie viel Aushub anfiel.

    „Und das haben wir mit authentischen Berichten abgeglichen, wie viel Aushub bei diesen Bodenverhältnissen ein Mann an einem Tag schaffen kann. Das Ergebnis hat uns selbst überrascht, aber es stimmt.“ Das Holz stammte übrigens aus unmittelbarer Nähe: von den Elbinseln, zum Beispiel Cremon. „Denn bald nach 1023 gibt es erste Berichte, dass die Inseln als Weideland genutzt wurden“, so Suchowa. Man hat also Bauholz gewonnen und gleichzeitig Weideland geschaffen.

    Neue Burg nach 100 Jahren aufgegeben

    Eine Erfolgsgeschichte war die Neue Burg allerdings nicht. Schon nach gut 100 Jahren wurde sie aufgegeben. Das hat zum einen mit einem „Führungswechsel“ zu tun: Statt der Billunger, der Bauherren, herrschten nun die Schauenburger über Holstein – und die bauten lieber weiter östlich neue Burgen. Hamburg war auf dem absteigenden Ast, das Gelände lag brach.

    Die Simulation zeigt das erste Hamburger Stadttor aus dem 12. Jahrhundert und die Stadtbefestigung. Das Tor stand am heutigen Speersort, die Mauerreste eines Turms sind im Untergeschoss der Bäckerei als
    Die Simulation zeigt das erste Hamburger Stadttor aus dem 12. Jahrhundert und die Stadtbefestigung. Das Tor stand am heutigen Speersort, die Mauerreste eines Turms sind im Untergeschoss der Bäckerei als "Bischofsturm" zu sehen. © Archäologisches Museum Hamburg und Stadtmuseum Harburg | Archäologisches Museum Hamburg und Stadtmuseum Harburg

    Das änderte sich erst mit der Gründung der Neustadt ab 1188 auf dem alten Burgareal, das aufgeschüttet wurde. Eine der schönsten Simulationen zeigt die Arbeiten daran, mit der Altstadt um den Dom im Hintergrund. Aber auch die Darstellung der Hamburger in der zeitgenössischen Kleidung und der Wohnhäuser ist absolut sehenswert.

    Als die Burg aufgegeben wurde, richtete man dort eine Gerberei ein.
    Als die Burg aufgegeben wurde, richtete man dort eine Gerberei ein. © Archäologisches Museum Hamburg und Stadtmuseum Harburg | Archäologisches Museum Hamburg und Stadtmuseum Harburg

    Zur Ausstellung ist auch ein neues Buch erschienen, in dem Prof. Weiss dem Mythos der Burgen nachgeht. Es befasst sich ausführlich mit den Hamburger Burgen vor dem Hintergrund anderer Bauten im norddeutschen Raum. Dort wird genau erklärt, was die Archäologen gefunden haben und wie sie zu ihren Schlüssen gekommen sind. Es richtet sich an Laien und schafft den Spagat zwischen lesenswerter Darstellung und wissenschaftlicher Genauigkeit und ist im Museumsshop für 19,90 Euro sowie im Buchhandel erhältlich.

    Die Ausstellung ist ab Donnerstag, 25. November, täglich außer montags von 10 bis 17 Uhr geöffnet. Der Eintritt kostet 6, ermäßigt 4 Euro; Kinder und Jugendliche unter 18 Jahren zahlen nichts. Das Archäologische Museum Hamburg (Museumsplatz 2) ist in 20 Minuten ab Hauptbahnhof erreichbar: Mit der S 3 bis Harburg Rathaus, von dort zwei Minuten Fußweg.