Hamburg. Eine Schau im Archäologischen Museum zeigt spektakuläre Bilder, wie die Hansestadt vor 1000 Jahren ausgesehen hat. Ein Vorgeschmack.
„So haben Sie Hamburg noch nie gesehen!“ Was nach einem nicht mehr ganz so frischen PR-Slogan aussieht, ist in diesem Fall tatsächlich einmal wahr. Denn so wie in der Ausstellung „Burgen in Hamburg – eine Spurensuche“ wurde Hamburg tatsächlich noch nie gezeigt. Die Schau ist ab Donnerstag im Archäologischen Museum Hamburg zu sehen.
Die Sonderausstellung ist das Ergebnis mehrerer Grabungskampagnen der vergangenen Jahre in der Altstadt. Und wer an Tonscherben und verrosteten alten Schwertern in Vitrinen nicht so arg interessiert ist, der ist genau richtig. „Es gibt in der Tat nur wenige Ausstellungsstücke, dafür aber spektakuläre Visualisierungen“, sagt Prof. Rainer-Maria Weiss, Landesarchäologe und Leiter des Museums.
Dank Computertechnik können sich die Besucher erstmals ein realistisches Bild davon machen, wie Hamburg vor rund 1000 Jahren tatsächlich ausgesehen hat.
Ausstellung ist eher historisch als archäologisch
So ist es auch eher eine historische Ausstellung als eine archäologische. Allerdings ist es den Archäologen um Weiss und Grabungsleiter Kay-Peter Suchowa zu verdanken, dass Hamburgs Frühgeschichte vor dem Jahr 1200 nun sehr viel klarer erscheint als noch vor Kurzem. Und da spielen die Burgen eine zentrale Rolle. In der historischen Literatur ist von diversen die Rede: Hammaburg, Bischofsburg, Alsterburg, Neue Burg. „Fakt ist, dass es in Hamburg zu keinem Zeitpunkt mehr als eine Burg gegeben hat“, sagt Weiss nun.
Da gibt es zunächst die Hammaburg, den Ursprung der Stadt. Die ist um etwa 770 gebaut worden – genau datieren lässt sich das nicht. Um 830 wurde sie erweitert, die Experten sprechen von der „Hammaburg II“. Die wurde dann 845 bei einem Überfall dänischer Wikinger zerstört und gegen Ende des Jahrhunderts nochmals aufgebaut.
Diese „Hammaburg III“ wurde dann 1023 aufgegeben – weil rund um das heutige Mahnmal St. Nikolai die viel größere „Neue Burg“ fertiggestellt war. Dies ist eine der neuen Erkenntnisse der jüngsten Grabungen.
Der Hamburger Hafen wurde verlegt
Zu diesem Zeitpunkt wurde auch der Hafen verlegt: vom Reichenstraßenfleet südlich der Hammaburg an das (heutige) Nikolaifleet. Dies konnte Suchowa mit seinem Team nachweisen, weil sie im vergangenen Jahr das Hafentor der Burg gefunden haben.
Eine Alsterburg, die in allen Geschichtsbüchern bis ins 21. Jahrhundert noch auftaucht, hat es nie gegeben, das wurde schon bei der ersten Grabung am Hopfenmarkt 2014 klar. Und auch die in einer alten Quelle erwähnte Bischofsburg hat wahrscheinlich nie existiert – jedenfalls gibt es keinerlei archäologische Hinweise auf sie.
Aber was ist mit dem „Bischofsturm“, der ja im Untergeschoss der Bäckerei am Speersort für jeden zu sehen ist? „Das war eine Fehleinschätzung“, erklärt Weiss. Als die Turmreste ausgegraben wurden, datierte man sie auf das 11. Jahrhundert. „Mittlerweile wissen wir, dass der Turm mindestens 100 Jahre jünger ist.
Daher kann er nicht zur bereits früher schriftlich erwähnten Bischofsburg gehören.“ Er ist sicher, dass der Turm zum ersten Stadttor gehört, wie es auch auf dem ältesten Wappen zu sehen ist. Auch dieses Gebäude wurde am Computer rekonstruiert. Zusammen mit Petrikirche und Dom prägte es die Skyline des Mittelalters.
Überraschende Erkenntnisse der Neuen Burg
Die Neue Burg – wie alle anderen in Hamburg nicht aus Stein, sondern eine Holz-Erde-Konstruktion – wurde in nur zwei Jahren errichtet. Was manche Forscher dazu brachte, eine gewaltiges Heer von Arbeitern anzunehmen. Von bis zu 30.000 ist da die Rede. „Völliger Unsinn“, sagt Weiss. Suchowa geht davon aus, dass maximal 100 Arbeiter beschäftigt waren. „Wir haben das genau ausgerechnet“, erklärt er. Man kenne ja die exakten Ausmaße der Burg, wisse, wie viel Aushub anfiel.
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„Und das haben wir mit authentischen Berichten abgeglichen, wie viel Aushub bei diesen Bodenverhältnissen ein Mann an einem Tag schaffen kann. Das Ergebnis hat uns selbst überrascht, aber es stimmt.“ Das Holz stammte übrigens aus unmittelbarer Nähe: von den Elbinseln, zum Beispiel Cremon. „Denn bald nach 1023 gibt es erste Berichte, dass die Inseln als Weideland genutzt wurden“, so Suchowa. Man hat also Bauholz gewonnen und gleichzeitig Weideland geschaffen.
Neue Burg nach 100 Jahren aufgegeben
Eine Erfolgsgeschichte war die Neue Burg allerdings nicht. Schon nach gut 100 Jahren wurde sie aufgegeben. Das hat zum einen mit einem „Führungswechsel“ zu tun: Statt der Billunger, der Bauherren, herrschten nun die Schauenburger über Holstein – und die bauten lieber weiter östlich neue Burgen. Hamburg war auf dem absteigenden Ast, das Gelände lag brach.
Das änderte sich erst mit der Gründung der Neustadt ab 1188 auf dem alten Burgareal, das aufgeschüttet wurde. Eine der schönsten Simulationen zeigt die Arbeiten daran, mit der Altstadt um den Dom im Hintergrund. Aber auch die Darstellung der Hamburger in der zeitgenössischen Kleidung und der Wohnhäuser ist absolut sehenswert.
Zur Ausstellung ist auch ein neues Buch erschienen, in dem Prof. Weiss dem Mythos der Burgen nachgeht. Es befasst sich ausführlich mit den Hamburger Burgen vor dem Hintergrund anderer Bauten im norddeutschen Raum. Dort wird genau erklärt, was die Archäologen gefunden haben und wie sie zu ihren Schlüssen gekommen sind. Es richtet sich an Laien und schafft den Spagat zwischen lesenswerter Darstellung und wissenschaftlicher Genauigkeit und ist im Museumsshop für 19,90 Euro sowie im Buchhandel erhältlich.
Die Ausstellung ist ab Donnerstag, 25. November, täglich außer montags von 10 bis 17 Uhr geöffnet. Der Eintritt kostet 6, ermäßigt 4 Euro; Kinder und Jugendliche unter 18 Jahren zahlen nichts. Das Archäologische Museum Hamburg (Museumsplatz 2) ist in 20 Minuten ab Hauptbahnhof erreichbar: Mit der S 3 bis Harburg Rathaus, von dort zwei Minuten Fußweg.