Hamburg. Die Ausstellung „Gesamtkunstwerke“ im Ableger des Altonaer Museums ehrt die legendären Architekten Arne Jacobsen und Otto Weitling.

Das Deutsch-Dänische Kulturelle Freundschaftsjahr 2020, wo könnte es passender fotzgesetzt werden als im Jenisch Haus, dem Ableger des Altonaer Museums? Noch gar nicht lange her, und im Jenischpark zelebrierte man mit „Klassisch dänisch“ die norddeutsche Baukultur seit 1790. Nun, rund drei Jahre später, widmet sich dort eine Ausstellung zwei berühmten Architekten aus Dänemark, die das neue Bauen, Wohnen und Arbeiten auch in Deutschland mitgeprägt haben.

Dabei ist vor allem Arne Jacobsen recht bekannt. Allerdings über Fachkreise hinaus vermutlich nicht als Architekt, sondern als Produktdesigner. Legendär ist sein Stuhl Nummer 7, ein aus Stahlrohr, Schichtholz und Teakfurnier gemachter und extrem stabiler Klassiker aus dem Jahr 1955, der bis heute in Museumscafés, Rathäusern oder Seminarräumen von Universitäten steht. Und der gar für den Siegeszug des skandinavischen Design überhaupt verantwortlich gemacht wird.

Ausstellung zu Ehren von Arne Jacobsen

Anlässlich des 50. Todestags von Arne Jacobsen, der in Dänemark ein Nationalheld ist und dessen Leben und Wirken in keinem Architektur- oder Designstudium fehlen darf, zeigt das Jenisch Haus die Wanderausstellung „Gesamtkunstwerke – Architektur von Arne Jacobsen und Otto Weitling in Deutschland“. Nach Stationen in Hannover und Castrop-Rauxel macht sie nun in Hamburg Halt und wird anschließend nach Fehmarn weiterreisen.

Besucherinnen und Besucher werden auf einem Parcours anhand prägnanter Bauwerke durch diese deutsch-dänische Architekturgeschichte geführt, vom lichten Glasfoyer in Hannover über die Atriumhäuser im Berliner Hansaviertel, dem Rathaus in Mainz bis zum Hamburger Christianeum oder dem HEW-Hochhäuser in der City Nord bis zu städtebaulichen Anlagen wie dem Forum Castrop-Rauxel oder der Ferienanlage Burgtiefe auf Fehmarn.

Schau in fünf Kapitel gegliedert

Dort entstand übrigens die Idee zur Ausstellung, wie Hendrik Bohle, Architekt und Kurator, berichtet: „Mit meinem Kollegen Jan Dimog stand ich vor dem Gebäudekomplex aus Meerwasserwellenbad, Haus des Gastes und Appartements und wunderte mich, warum es darüber keine Informationen vor Ort gibt. Schließlich steht dieses Ensemble wie die anderen Bauwerke von Jacobsen und Weitling stellvertretend für die europäische Nachkriegsmoderne und das neue Wohnen mit flexibler Raumaufteilung auf kleiner Fläche.“

Arne Jacobsen und Otto Weitling (vorn) an der Baustelle des Rathaus Mainz.
Arne Jacobsen und Otto Weitling (vorn) an der Baustelle des Rathaus Mainz. © Klaus Benz, Stadtarchiv Mainz | Klaus Benz, Stadtarchiv Mainz

Fünf Kapitel gliedern die Schau, deren Ästhetik durch halbtransparente und stoffbespannte Wände bestimmt wird: „Werk und Wesen“, „Ideen und Ideale“, „Form und Funktionen“, „Perfektion und Präzision“ und „Wert und Wirkung“ präsentieren Zeichnungen, Filmausschnitte, Zitate, historische und zeitgenössische Fotografien sowie Modelle und Produktentwürfe, unter anderem von Fritz Hansen, Howe, Vola und Louis Poulsen.

Briefwechsel mit Otto Weitling ein „Riesengeschenk“

Die Ausstellung will das Publikum für die präzise und ganzheitlich komponierte Ausgestaltung der Bauwerke vom Dachziegel bis zur Türklinke begeistern. Denn in der Person Jacobsen vereinten sich viele Talente, angefangen beim Maurer über den Architekten bis zum Maler, Designer und nicht zuletzt begeisterten Botaniker – diese Leidenschaft lebte er aus, indem Pflanzen ebenso sorgsam inszeniert und beleuchtet wurden wie das übrige Interieur eines Hauses. Jacobsen war durch und durch Künstler; eben dies spiegelt der Titel der Ausstellung, „Gesamtkunstwerke“, wider.

Als ein „Riesengeschenk“ im Zuge der Ausstellungsvorbereitung bezeichnet Hendrik Bohle die Gespräche und bis heute laufenden Briefwechsel mit Otto Weitling. Der Architekt, der inzwischen 90-jährig in Kopenhagen und auf einer Insel nördlich der Stadt lebt, stieg bei den Deutschland-Projekten ein, wurde so zum engsten Partner Jacobsens und führte das Büro auch nach dessen Tod weiter. Dennoch steht sein Name bis heute im Schatten der Lichtgestalt Arne Jacobsen (1902-1971). Im Jenisch Haus wird diesem wichtigen Akteur Raum gegeben. Und mit so mancher Legende aufgeräumt: etwa der, dass Jacobsen ein unangenehmer Zeitgenosse war, der Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen schlecht behandelte.

Ausstellung zeigt umstrittene Bauwerke

Mancher wird die Gebäude in der City Nord und auf Fehmarn als hässlich oder missglückt bezeichnen, in der Tat handelt es sich dabei um umstrittene Bauwerke. Auch in diesem Punkt will die Ausstellung vermitteln, so Hendrik Bohle: „Die Bau- und Rezeptionsgeschichte dieser Gebäude verrät bis heute viel von der Entstehungszeit in den 1960er- und 1970er-Jahren, von ihren Ideen und Visionen, aber auch vom engen Zusammenhang von Architektur, Stadt und Politik.“

Die Ausstellung ist ein Aufruf, Bauwerke jenseits des rein persönlichen Geschmacks als Zeugen ihrer jeweiligen Epoche zu bewerten. Erfreulich findet Bohle, dass auf Fehmarn, ebenso wie an anderen Orten, der erste Schritt getan ist, indem der Wert des Ensembles erkannt und unter Denkmalschutz gestellt wurde. „Nun gilt es zu überlegen, wie die Gebäude mit neuem Leben gefüllt werden könnten.“

„Gesamtkunstwerke – Architektur von Arne Jacobsen und Otto Weitling in Deutschland“ bis 18.4.2022, Jenisch Haus (S Klein Flottbek), Mo, Mi-So 11.00-18.00, Eintritt 7,-/5,- (erm.), www.shmh.de/jenisch-haus