Hamburg. An die alte Schwimmoper erinnern nur noch das Dach und der Zehn-Meter-Turm. Ein Besuch auf der Baustelle an der Sechslingspforte.
Für die einen mutet das geschwungene Dach der Alster-Schwimmhalle an wie ein überdimensionierter Rochen, der seine Beton-Schwingen über die Baustelle an der Sechslingspforte breitet. Oder wie ein sechseckiges Segel, das sich im Wind bläht. Für Bauingenieure und Architekten, also die vom Fach, ist das Dach aus den 1970er-Jahren ein doppelter hyperbolischer Paraboloid.
Ingo Schütz nennt es „unsere Hummel“. Wie bitte? „Ja, klar“, sagt der Projektleiter von Bäderland. „Hummeln sind laut Wissenschaft nicht flugfähig, können es aber doch. Und unser Dach hält, obwohl kein in der heutigen Tragwerkplanung eingesetztes EDV-Rechenmodell es darstellen kann.“
Bäderland Hamburg ist stolz auf die „Schwimmoper“
Die einzigartige Konstruktion steht unter Denkmalschutz, und bei Bäderland ist man auch ziemlich stolz auf das Bauwerk, dessen Modell an der Uni Stuttgart noch heute für Lehrzwecke genutzt wird, und das viele Hamburger „Schwimmoper“ nennen.
So hat man sich, um die in die Jahre gekommene Schwimmhalle nach heutigen Ansprüchen umgestalten und erweitern zu können, mit dem Denkmalschutzamt auf eine Art Kompromiss verständigen können: Das Dach, der Zehn-Meter-Turm, das 50-Meter-Becken, ein als Fitnessstudio genutzter Gebäudeteil und eine Empore bleiben erhalten. Der Rest – quasi alles, was nicht unterhalb der Dachkonstruktion lag – durfte abgerissen werden. An der Stelle wird hier ein vom renommierten Architekturbüro Gerkan, Marg und Partner entworfener Neubau entstehen.
Offen Schwimmhallengelände verbindet Quartiere
Nachdem vor 14 Monaten Umweltsenator Jens Kerstan symbolisch die erste Fliese abschlug, sind die Abbrucharbeiten mittlerweile abgeschlossen. Seit zwei Monaten wachsen in der riesigen Baugrube bereits wieder Wände in die Höhe. Wir stehen an der Baustellenzufahrt - ungefähr dort, wo auch später die Zufahrt zur Alster-Schwimmhalle erfolgen wird.
Statt an der Ifflandstraße wird diese an der Sechslingspforte liegen. „Das entlastet das Wohnquartier östlich der Halle“, so Schütz. Und nicht nur das. Da das bislang umzäunte Schwimmhallengelände künftig öffentlich zugänglich und passierbar sein wird, entsteht eine neue Verbindung zwischen Hohenfelde und St. Georg – mit vielen Pflanzen, denn sowohl das Gelände als auch das Dach des Neubaus werden begrünt.
„Der Neubau wird Passivhauscharakter haben“
Direkt vor uns in der Baugrube wird der riesige Technikraum entstehen, der als „Herz“ der Schwimmhalle Temperatur, Licht und Energieverbrauch steuern wird, erläutert Schütz. „Der Neubau wird Passivhauscharakter haben“, sagt der Projektleiter und weist auch gleich darauf hin, dass auch der Erhalt vieler Gebäudeteile ein wesentlicher Beitrag zur Nachhaltigkeit sei. Etwas weiter hinten nimmt schon die Tiefgarage Gestalt an.
Mit knapp 80 Parkplätzen wird sie kleiner als die alte – die aber mehr Stellplätze hatte als benötigt werden. Außerdem soll es Boxen geben, in denen E-Bikes sicher verwahrt und aufgeladen werden können. Oberhalb der Tiefgarage werden das Foyer, Dusch- und Umkleideräume entstehen. „Alles wirklich barrierefrei und inklusiv“, betont Schütz. „Mit einem taktilen Leitsystem und Umkleiden, die gleichermaßen von Behinderten und Familien genutzt werden können.“
Mehr als 1000 Quadratmeter Fitness-Fläche
Dann zeigt er über die Baugrube hinweg auf den Gebäudeteil, in dem der Fitness-Bereich untergebracht war. Er wird dort auch später wieder untergebracht – und in den Neubau hinein erweitert. Insgesamt werden mehr als 1000 Quadratmeter Fitness-Fläche entstehen, so Bäderland-Sprecher Michael Dietel. Wie das Schwimmbad solle auch dieser Bereich vom Unternehmen betrieben und damit öffentlich zugänglich sein. „Wie genau wir das machen, steht noch nicht fest.“
Zusätzlich sind – oberhalb und unterhalb einer zuvor wenig genutzten Empore – auch eine Sauna, ein Kalzium-Lithium-Bad und ein Dampfbad geplant: Die neue Alster-Schwimmhalle werde sich, wie das Original der 1970er-Jahre, auf den (Breiten-)Schwimmsport und den Schwimmunterricht konzentrieren, betont Dietel.
Wasserfläche wird um 25 Prozent erweitert
Insgesamt wird die Wasserfläche der Alster-Schwimmhalle durch neue Becken auf mehr als 2000 Quadratmeter (und damit um 25 Prozent) erweitert. Zusätzlich zu dem 50-Meter-Becken und dem Lehrschwimmbecken in der alten Halle zu Füßen des Zehn-Meter-Sprungturms wird es im Neubau ein 1,30 Meter tiefes 25-Meter-Becken und ein Kursbecken geben. Am ehemaligen Standort der Tribüne entsteht ein separates Sprungbecken mit 1-Meter-, 3-Meter- und 5-Meter-Sprunganlage.
Auch das 50-Meter-Becken wird umgestaltet. „Damit man beim Schwimmen künftig nicht mehr gegen den oberen Beckenrand guckt, wird der Wasserspiegel angehoben“, erklärt Schütz. Zudem ermögliche das einen ebenerdigen Ein- und Ausstieg. Dass der Zehn-Meter-Turm dann nur noch 9,70 Meter von der Wasseroberfläche entfernt ist, sei verkraftbar. Der Turm solle künftig nur noch selten zum Einsatz kommen, da dann immer sechs der zehn Bahnen gesperrt werden müssten.
Das Dach wird dauerhaft überwacht
Aber er erhält seine alte Farbe zurück: ein sattes Orange. „Wir haben mit dem Denkmalschutzamt vereinbart, dass wir im ,alten Teil´ innen und außen alles wieder so herstellen, wie es zur Eröffnung 1973 ausgesehen hat.“ Und das beinhalte nicht nur die Farbe des Sprungturms, sondern auch den Rückbau von nachträglich eingebauten „familientauglichen Freizeitfaktoren“ wie der Rutsche, die nie den Gefallen der sportlichen Gäste gefunden habe.
So beeindruckend der Anblick auch ist – wie steht es eigentlich um die Tragfähigkeit der 1968 bis 1973 errichtete Alster-Schwimmhalle? „Die Hochpunkte im Dach werden schon lange dauerhaft überwacht – früher mit seismographischen Messdrähten und nach dem Umbau mit wesentlich genaueren Lasen. Die Daten werden permanent ausgewertet“, so Projektleiter Schütz. Sollten sich irgendwelche ungewöhnlichen Bewegungen ergeben, werde ein Alarm ausgelöst.
Schwingungssensoren erfassen Bewegungen
Während der Bauzeit wird auch das sogenannte Zugband überwacht (ein Betonbalken, in dem sich acht armdicke Stahlseile verbergen) das im Keller des Gebäudes verläuft und seit einem halben Jahrhundert das Auseinanderdriften der drei schrägen Dachstützen verhindert.
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Weil sich das theoretisch in der erschütterungsreichen Abbruch- und Bauzeit ändern könnte, wurde das Zugband mit Schwingungssensoren, die Bewegungen erfassen, und Messsensoren, die Längenänderungen wahrnehmen, ausgestattet. Erforderlich war das dicke Zugband übrigens, weil die Dachstützen für eine optimale Stabilität eigentlich auch unterirdisch schräg hätten verlaufen müssen, erklärt Ingo Schütz. Wegen der Grundstücksgrenzen habe man das aber nicht umsetzen können und musste die Stützen senkrecht ins Erdreich bauen.
Bäderland investiert 10 Millionen Euro
Ende 2023 soll die Alster-Schwimmhalle fertig sein. Etwa 80 Millionen Euro werden Um- und Neubau kosten. 60 Millionen Euro gibt die Stadt, 10 Millionen Euro das Kulturministerium und den Rest trägt Bäderland. „Wir sind komplett im Zeit- und Kostenplan“, sagt Michael Dietel.