Hamburg. Bäderland beobachtet dass sich viele durch Handys ablenken lassen und Aufsichtspflicht verletzen – mit teils fatalen Folgen.

Mobiltelefone, auf denen man durchs Internet surfen kann, haben unsere Welt verändert – das zeigt sich auch, wenn Familien gemeinsam schwimmen gehen. Immer häufiger vernachlässigen Eltern ihre Aufsichtspflicht, weil sie am Handy spielen, im Internet surfen oder telefonieren. „

Das hat leider zugenommen“, sagt Bäderland-Sprecher Michael Dietel im Abendblatt-Podcast „Morgens Zirkus, abends Theater“ rund um Familien und Erziehung. „Es gibt regelmäßig Unfälle, dramatischerweise sind auch regelmäßig Reanimationen notwendig, weil Kinder von ihren Eltern nicht richtig betreut werden. Diese sitzen teilweise 40 oder 50 Meter weg, manchmal sogar außerhalb des Gebäudes.“

Auch früher kam es vor, dass beispielsweise Mütter im Schwimmbad mit einer Freundin klönten oder in einem Magazin blätterten, doch die Ablenkung durch Mobiltelefone ist stärker. „Wer ins Handy vertieft ist, merkt oftmals gar nicht, wie die Zeit vergeht.“ Schwimmlehrerin Luisa, die im Holthusenbad tätig ist, hatte während ihrer Aufsicht noch keinen Unfall zu beklagen; „zum Glück“, wie sie sagt. „Doch vielen Eltern ist nicht klar, dass sie eine Aufsichtspflicht haben, wenn ihre Kinder noch nicht so gut schwimmen können und vielleicht erst das Seepferdchen-Abzeichen gemacht haben. Wir sind erschrocken, welche Diskussionen wir da manchmal führen müssen.“

Bäderland: Eltern sind durchs Handy im Schwimmbad oft abgelenkt

So komme es vor, dass sie Eltern anspreche, weil deren vierjähriges Kind im tiefen Wasser ist, ohne richtig schwimmen zu können, und die antworten: „Wieso? Sie sind doch da!“ Doch die Bademeister­ – oder Fachangestellte für Bäderbetrieb, wie sie eigentlich heißen – müssen eben den ganzen Badebetrieb im Blick haben und sich beispielsweise auch um die Wasserqualität kümmern. Sie sind keineswegs für einzelne Familien da.

Bäderland-Sprecher Michael Dietel und Schwimmlehrerin Luisa
Bäderland-Sprecher Michael Dietel und Schwimmlehrerin Luisa © MARK SANDTEN / FUNKE FOTO SERVICES | Mark Sandten / FUNKE FOTO SERVICES

Bäderland-Sprecher Dietel warnt auch davor, zu viele Kinder auf einmal zu beaufsichtigen, etwa wenn ein Elternteil die eigenen Kinder und noch deren Freunde mit zum Schwimmen nimmt. „Die Erfahrung zeigt: Zwei Kinder zu beaufsichtigen, ist das Maximum. Man hat zwei Arme und kann notfalls zwei Kinder halten. Das dritte Kind ist da schon eines zu viel.“ Ohnehin muss die Begleitperson gut schwimmen und auch die Verantwortung tragen können – der zwölfjährige Bruder eignet sich also nicht. „Die Begleitperson muss unmittelbar dabei sein, das heißt in Armeslänge, um im Notfall zugreifen und das Kind retten zu können, selbst wenn dieses Schwimmflügel trägt“, sagt Dietel und warnt: „Kinder gehen unter wie ein Stein, weil sie vom Körpervolumen noch nicht diesen Auftrieb haben wie Ältere. Die Lunge ist noch zu klein, um den Körper oben schwimmen zu lassen.“

Trotz Seepferdchen nicht unbeaufsichtigt ins Wasser

Schwimmlehrerin Luisa rät, die Kinder schon ganz früh spielerisch ans Wasser zu gewöhnen. Im Alter von viereinhalb bis fünfeinhalb Jahren haben sie dann die Reife, um das Seepferdchen zu machen. Dieses Abzeichen bedeute allerdings noch nicht, dass Kinder wirklich sicher schwimmen können. Man sollte sie dann auch nicht unbeaufsichtigt ins Wasser lassen. Das sei erst nach dem Bronze-Abzeichen möglich, wenn Kinder eine gewisse Distanz schwimmen, auch tauchen und aus einer gewissen Höhe springen können. „Wir sind deshalb immer froh, wenn die Kinder dann gleich mit dem Bronze-Kurs weitermachen“, sagt Luisa.

Aber das tun längst nicht alle, viele haben nicht einmal das Seepferdchen. Beim obligatorischen Schulschwimmen in der 3. und 4. Klasse, das Bäderland seit 2005/06 organisiert, stellen die Lehrer zunehmend fest, dass die Kinder im Alter von neun oder zehn Jahren noch gar keine Wassererfahrung haben. „Das ist eine große Herausforderung für unsere Schwimmlehrer, und es wird tendenziell mehr“, sagt Dietel.

Ein ganzer Jahrgang konnte verzögert oder gar nicht schwimmen lernen

Die Corona-Pandemie hat das Problem noch einmal verschärft. Ein ganzer Jahrgang konnte verzögert oder gar nicht schwimmen lernen, so der Bäderland-Sprecher. „Dafür haben wir aber in den Sommerferien dank einer Entscheidung der Hamburgischen Bürgerschaft eine Priorität gesetzt: Die Hallenbäder waren nur für Kinderschwimmunterricht geöffnet. Wir konnten von morgens bis abends Schwimmunterricht anbieten – viermal so viel wie sonst üblich. Wir haben einen guten Anfang gemacht, um diesen Stau von etwa 15.000 Kindern aufzulösen.“

Es gebe derzeit noch genügend Schwimmkurse in Hamburg, wenn auch vielleicht nicht immer im nächstgelegenen Schwimmbad. Private Anbieter beklagen, dass sie für ihre Kurse in den Bädern nicht genügend Schwimmzeiten bekommen. „Angesichts der geltenden 3G-Regeln haben wir weiterhin deutlich weniger Kapazitäten in unseren Bädern als vor der Pandemie“, sagt Dietel. „Die Möglichkeiten für den allgemeinen Badebetrieb ist dadurch eingeschränkt, für den Kinderschwimmunterricht gilt das aber nicht.“

Private Anbieter bekommen nicht genug Schwimmzeiten

Doch kommerzielle Anbieter, die sonst gern Badezeiten für ihre Schwimmkurse bei Bäderland buchen, könnten das derzeit eben nicht, „denn die sind mit unseren Schwimmkursen und dem Schulschwimmen voll. Man muss das einordnen: Kinder können schwimmen lernen, die Angebote sind da – sie lernen nur nicht bei Schwimmschule xy, sofern die Schwimmschule keine eigene Wasserfläche hat.“ Diese biete die Dienstleistung zwar an, habe aber die Ressource dafür gar nicht – und derzeit könnten sie sie wegen der Corona-Situation auch am Markt nicht einkaufen, wie sie es gewohnt seien, so Dietel.

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Bäderland-Schwimmkurse seien meist günstiger als die privater Anbieter, betont er. „Ein Seepferdchen-Kurs kostet bei uns 164 Euro mit 24 Einheiten, ein Bronze-Kurs kostet 90 Euro. Private Anbieter verlangen teilweise 100 Euro mehr.“