Hamburg. Zahlen steigen steil an – auch im Sommer sterben Wohnungslose. Ursachen sind unklar. Linke fordert Unterbringung in Wohnungen.

Die Zahl der toten Obdachlosen in Hamburg steigt. Die Gründe sind unklar. Laut Senat starben dieses Jahr „überschlägig“ 26 Wohnungslose im öffentlichen Raum, 17 nach ihrer Einlieferung in Krankenhäuser. Das geht auf Kleine Anfragen der Linken-Bürgerschaftsfraktion hervor. Im Winter 2019/2020 starben "nur" neun Obdachlose auf Hamburgs Straßen, im gesamten Jahr 2020 waren es laut der Obdachlosenzeitung "Hinz & Kunzt" 14.

Erfroren auf einer Baustelle unter einer Plane. Gestorben unter einer Brücke. In einem verfallenen, leeren Gebäude, im Schanzenpark. „Der Senat äußert sein tiefes Bedauern zum Tod der obdachlosen Menschen und bekundet sein Mitgefühl mit den Hinterbliebenen“, heißt es in der Senatsantwort.

Linke fassungslos: Zwei bis drei tote Obdachlose jeden Monat

Die Linken-Fraktion hat sich auf die Fahnen geschrieben, eine bessere, für die Wohnungslosen stressfreiere Versorgung durch Unterbringung in Hotels oder kleinen Wohnungen durchzusetzen. Denn die Sammelunterkünfte stoßen bei vielen Obdachlosen auf wenig Akzeptanz, weil sie dort ihre Habe gefährdet und coronabedingt die Abstands- und Hygieneregeln nicht eingehalten sehen. In der Regel müssen sie diese Unterkünfte auch tagsüber verlassen.

„Zwei bis drei obdachlose Menschen sterben jeden Monat in Parks, Hinterhöfen und Bahnhöfen. Das macht mich fassungslos und es ist kein Zustand, an den wir uns gewöhnen dürfen“, sagt Stephanie Rose, sozialpolitische Sprecherin der Linken-Fraktion.

Senat verweist auf das Gesamtkonzept für Straßensozialarbeit

„Die Stadt rühmt sich, das beste Winternotprogramm zu haben und dann auch ein umfassendes Hilfesystem", so Rose. "Und trotzdem sterben immer mehr Menschen auf der Straße und wir beobachten eine zunehmende Verelendung." Es reiche eben nicht, den Menschen ein Angebot in Massenunterkünften zu machen, das sie dann aber nicht annehmen wollten.

Der HamburgerSenat ist anderer Meinung. Er verwies auf das bereits angestoßene Gesamtkonzept für Straßensozialarbeit und den Hotelkauf auf St. Pauli, der eine individuelle Unterbringung im Sinne der von Rose geforderten Unterbringung darstelle. Die Sammelunterkünfte mit abschließbaren Schränken sind allerdings immer noch der Standard in der Stadt. Die Sozialbehörde hatte dies immer wieder damit begründet, so Beratungs- und Betreuungsangebote kostengünstiger, weil zentral, anbieten zu können.

Linkenfraktion fordert Umdenken in der Obdachlosenhilfe

Rose wies darauf hin, dass die Nachhaltigkeitsziele der UN und das EU-Parlament die Staaten dazu verpflichten, Obdachlosigkeit bis 2030 zu beenden. "Damit das in Hamburg gelingen kann, müssen wir in der Obdachlosenhilfe völlig umdenken", sagte Rose. "Dafür müssen die Prävention zur Vermeidung von Wohnungsverlusten gestärkt und der bedingungslose Zugang zu bezahlbarem Wohnraum für sehr viel mehr Menschen ermöglicht werden."

Zusätzlich müsse massiv in Straßensozialarbeit investiert werden, um die Menschen dort zu erreichen, wo sie sich aufhalten. Es brauche einen Masterplan.

Tote Obdachlose werden in Hamburg obduziert

Über die Ursachen der sprunghaft angestiegenen Todeszahlen unter den Obdachlosen kann derzeit nur spekuliert werden. Rose vermutet, dass die Zahl der Wohnungslosen allgemein steigt und nicht behandelte Corona-Infektionen ein Übriges tun.

Der Senat erklärte, die Toten zwar obduzieren zu lassen, die Todesursachen aber aus Gründen des Datenschutzes und der ärztlichen Schweigepflicht nicht öffentlich machen zu können. Auch die Polizei erfasse nicht systematisch Daten über tote Obdachlose. Zur Gewalt gegen Obdachlose seien die Statistiken ebenfalls nicht aussagefähig. Auf eine händische Durchsicht der Akten wurde verzichtet.

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  • Das „Gesamtkonzept Wohnungslosenhilfe“ werde laut Senat „in übergreifenden Aktivitäten der Sozialbehörde stetig fortentwickelt“. Bis Anfang 2022 will sie den Diskussionsstand des letzten Fachtags Straßensozialarbeit zusammenfassen und den Akteuren der Wohnungslosenhilfe Handlungsansätze zum weiteren Vorgehen vorstellen.