Hamburg. Das Kunstspiel zum Mitmachen – jeden Montag im Abendblatt. Heute: „Glaubenstrost“ von Giovanni Segantini.

Vor Trauer gebeugt, steht ein Elternpaar in Giovanni Segantinis (1858–1899) Bild „Glaubenstrost“ vor einem Grab auf dem Friedhof von Maloja. Der Mann links kniet, die Frau steht neben ihm. Gestorben ist, das suggeriert das 1896 entstandene Ölgemälde, ihr Kind. Im Vordergrund ist die Landschaft schneebedeckt bis auf einen getauten Flecken herum um das frische Grab. Im Hintergrund thronen majestätisch, wie so oft bei Segantini, der als Meister der Hochgebirgsmalerei galt, die Berge.

Im Gegensatz zur tiefen Verzweiflung des Paares steht der obere Teil des Bildes, die Lünette. Hier sieht man zwei große geflügelte Engel, die in ihrer Mitte ein kleines totes Kind halten. Dieser Teil drückt Geborgenheit aus und spendet Trost, denn sie kümmern sich um die Seele des Toten. „Giovanni Segantini“, schrieb der deutsche Psychoanalytiker Karl Abraham, „ist ohne Zweifel der letzte Maler des 19. Jahrhunderts, der der Harmonie des Lebens eine Harmonie des Todes beistellt.“

Kunsthalle Hamburg: In Segatinis „Glaubenstrost“ trauern Eltern um ihr Kind

Nachdem die Mutter früh gestorben war, brachte der alkoholkranke Vater Giovanni bei seiner Tochter Irene aus erster Ehe unter. Die fühlte sich vom Bruder genervt, was dieser wiederum merkte und sich beständig aus dem Staub machte. Sie wiederum veranlasste die Behörden, ihm die österreichische Staatsbürgerschaft zu entziehen. Das hatte Folgen: Segantini blieb lebenslang staatenlos.

Seine frühen Jahre verliefen wechselhaft. Er kam in eine Erziehungs­anstalt, erlernte dort das Schusterhandwerk, wurde Gehilfe eines Malers von Wirtshausschildern, bevor er in Mailand an eine Kunstakademie kam. Dort machte er durch seine Behandlung des Lichts auf sich aufmerksam, was später zu einem seiner Markenzeichen wurde.

Letzte Worte eines großen Künstlers

Segantinis Bilder wurden populär, er bekam unter anderem Besuch von Max Liebermann. Zeitgenössische Kunsttheoretiker sahen ihn auf Augenhöhe mit Ensor, Van Gogh und Munch. Kandinsky verglich ihn mit Böcklin und Rossetti. Sein Werk wird heute dem realistischen Symbolismus zugerechnet. Immer wieder setzte sich Segantini auch theoretisch mit der Malerei auseinander.

1899 stieg der Maler im Oberengadin auf den Schafberg hinauf, um dort zu arbeiten. Bald klagte er über Müdigkeit, Bauschmerzen und Bewusstseinsstörungen. Als seine Frau an sein Krankenbett eilte, sagte er: „Ich habe da unten eine große Menschenmenge gesehen, diese Menschen waren so klein, und ich war so groß.“ Dann starb er im Alter von nur 41 Jahren. Begraben ist er auf dem Friedhof von Maloja, den er drei Jahre vorher gemalt hatte. Seine letzten Worte waren: „Ich will meine Berge sehen.“