Hamburg. Schulbehörde räumt Ärger um neue Corona-Tests der Marke Genrui ein. Was Eltern und Lehrer sagen und fordern, wie die Politik reagiert.
Die vielen falsch positiven Corona-Schnelltests sorgen an Hamburgs Schulen weiterhin für Ärger. Die Elternkammer fordert nun „einen zügigen Austausch der derzeit an Hamburger Schulen verwendeten Schnelltests“, wie ihr stellvertretender Vorsitzender, Thomas Kegat, sagt. Viele Eltern und Kinder seien verunsichert.
„Für die von einem positiven Schnelltest betroffenen Schülerinnen und Schüler fordern wir dort, wo dies bisher nicht gewährleistet werden konnte, einen schnellen und ortsnahen Zugang zu PCR-Testungen, um die Zahl der versäumten Unterrichtsstunden und den organisatorischen Aufwand für die Familien so gering wie möglich zu halten.“
Schnelltest-Problem: Bezirksversammlung vertagt Eilantrag
Auch die FDP in Wandsbek hatte in einem Eilantrag verlangt, dass so lange, bis sich andere Lösungen ergeben, die Familien seitens des Gesundheitsamtes mit einem PCR-Testtermin noch am Tag des falsch positiven Schnelltests zu unterstützen, um Wartezeiten auf einen regulären Test-Termin zu verkürzen und die Kinder und ihre Eltern von möglicherweise unnötigen Stresszeiten zu entlasten. Zwischen Schnelltest und Ergebnis des PCR-Tests könnten gut 48 Stunden vergehen.
„Wir hatten eigentlich gedacht“, so die Wandsbeker FDP-Fraktionsvorsitzende Birgit Wolff, „dass die anderen Fraktionen in der Bezirksversammlung diese für die betroffenen Eltern erheblich herausfordernden Umstände ebenfalls schnellstmöglich beheben wollen würden – dem war aber keineswegs so.“ Das Thema wurde vertagt – auf den nächsten Hauptausschuss am 8. November.
Neue Corona-Schnelltests nach den Herbstferien
Der Hintergrund: Neue Corona-Schnelltests haben nach den Herbstferien an Hamburgs Schulen zu einer Vielzahl von falschen Positivergebnissen geführt. Von rund 200.000 am ersten Schultag durchgeführten Tests seien die Ergebnisse bei 287 Schülerinnen und Schülern sowie sieben Schulbeschäftigten positiv ausgefallen, sagte der Sprecher der Schulbehörde, Peter Albrecht, vor einer Woche.
Weniger als ein Drittel dieser Ergebnisse seien später durch einen PCR-Test bestätigt worden, zwei Drittel hingegen nicht. Die Schulbehörde macht Probleme bei der Handhabung der neuen Tests mit für die hohe Fehlerquote verantwortlich.
Corona-Arbeitsstab räumt Problem ein
Auch Uta Köhne, Leiterin des internen Corona-Arbeitsstabes der Schulbehörde, räumte das Problem in einem Schreiben ein. „Die zurzeit eingesetzten Schnelltests der Marke Genrui melden offensichtlich sehr häufig eine Corona-Infektion, die sich bei der Überprüfung mit einem PCR-Test nicht bestätigt. Diese hohe Zahl von ,falsch-positiven‘ Meldungen verunsichert die Schulgemeinschaften und führt zu zahlreichen Rückmeldungen von Schulen und Eltern“, heißt es in ihrem Schreiben. „Das nehmen wir sehr ernst.“
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Leider könne man nicht kurzfristig die erforderlichen Mengen von Millionen anderer Schnelltests für die Schulen beschaffen. Über den Wechsel des Test-Anbieters hatte nicht die Schul-, sondern zentral für alle staatlichen Einrichtungen in Hamburg die Behörde für Justiz und Verbraucherschutz im Rahmen einer Ausschreibung entschieden. Der Test sei vom Paul-Ehrlich-Institut validiert und weise nach Angaben des Bundesinstituts für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) eine Spezifität von 100 Prozent auf.
Falsch-positive Tests wegen Erkältungssymptomen?
„Diese fachliche Einschätzung deckt sich leider nicht mit Ihren und unseren Erfahrungen, das ist uns wohl bewusst“, schreibt nun Köhne. „Es ist möglich, dass die vielen falsch-positiven Testergebnisse auf zurzeit verbreitete Erkältungssymptome bzw. auf einen Keim, den sog. Staph. Aureus Keim, zurückzuführen sind, der bei einer ‚laufenden Nase‘ vermehrt im vorderen Nasenbereich auftritt.“ Auch im Frühjahr 2021 habe es mit Tests anderer Hersteller (Siemens, Lyher) viele falsch positive Tests gegeben.
In der konkreten Durchführung der jeweiligen Schnelltests gebe es kleine Unterschiede. Beim Genrui-Test soll nach der Bedienungsanleitung das Abstrichstäbchen etwas häufiger in der Pufferlösung hin und her gedreht werden als beim vorher genutzten Lyher-Test. Neu ist bei dem Genrui-Schnelltest auch, dass das Probenröhrchen nach dem Abstrich gut geschüttelt werden muss, bevor die Pufferlösung auf das Testkit geträufelt wird. Bei beiden Tests ist darauf zu achten, eine Minute abzuwarten, bevor die Pufferlösung auf das Testkit geträufelt wird.
Alternative Tests sollen Vergleichswerte schaffen
Auf jeden Fall bemühe sich die Schulbehörde um alternative Schnelltests, so Köhne. Die Schulen werden gebeten, die Schulgemeinschaft noch einmal darauf hinzuweisen, dass der Genrui-Test anders zu bedienen ist als die früheren Tests.
„Alle Schülerinnen und Schüler, die mit einem Genrui-Test mehr als einmal ein falsch-positives Schnelltestergebnis hatten (bestätigt durch einen negativen PCR-Test), sollten künftig ausschließlich mit einem Schnelltest der Marke Lyher getestet werden“, so Köhne. Von diesen Tests gebe es noch ein Restkontingent.
„Da wir zurzeit nicht wissen, ob andere Schnelltests unter den jetzigen Rahmenbedingungen zuverlässigere Ergebnisse produzieren, werden wir parallel an drei Schulen (Grundschule, Stadtteilschule und Gymnasium) mit vergleichsweise hohen Meldungen von falsch-positiven Schnelltestergebnissen versuchsweise für eine begrenzte Zeit ausschließlich Tests der Marke Lyher einsetzen, um einen Vergleichsmaßstab zu erhalten“, so Köhne.
Lehrer: Freitestung muss umorganisiert werden
„Die Schulbehörde begründet den weiteren Einsatz von Genrui-Tests damit, dass sie nicht kurzfristig andere Tests beschaffen könne, sich aber bemühe. ‚Sehr bemüht‘ hilft aber den Schulen wenig und führt zu einer zunehmenden, unnötigen Verunsicherung bei Kollegen und Kolleginnen, Schülern und Eltern und schafft zusätzliche Arbeit für die Beschäftigten, kritisiert Sven Quiring, Vorsitzender der GEW Hamburg.
Die Lehrergewerkschaft fühle sich in ihrer Haltung bestätigt, dass die Verantwortung für die ‚Freitestung‘ von Schülerinnen aus der Quarantäne nicht in den Schulen liegen darf, sondern in die Hände von medizinisch qualifizierten Personal gehört. „Die Schulbehörde muss ihre Hausaufgaben machen!“, so Quiring.
Elternkammer-Vize Thomas Kegat meint: „Bei aller Kritik gilt es aber auch, die Kirche im Dorf zu lassen.“ Die verwendeten Tests erfüllten offenbar ihren Hauptzweck: Sie erkennen positive Corona-Infektionen und leisten damit einen wichtigen Beitrag zur Bekämpfung der Ausbreitung der Pandemie an Schulen.