Hamburg. Die Auswirkungen der Pandemie auf die Auslastung des HVV – und die der Straßen – sind immer noch spürbar. Gibt es ein neues Normal?
Während in vielen Bereichen des öffentlichen Lebens wieder Normalität eingekehrt ist, hat die Corona-Pandemie immer noch spürbare Auswirkungen auf den Verkehr in Hamburg: Noch immer nutzen deutlich weniger Menschen Busse und Bahnen, und auf den Straßen gibt es in der Rushhour weniger Staus als vor Corona-Zeiten.
So waren im August 63,3 Millionen Fahrgäste im Hamburger Verkehrsverbund HVV unterwegs, zu dem unter anderem S-Bahnen, U-Bahnen, Busse und Fähren zählen. Das waren 21 Millionen oder rund ein Viertel weniger als im August 2019 (84,3 Millionen). „Mit Beginn der Corona-Pandemie sind die Fahrgastzahlen im HVV zunächst massiv zurückgegangen, sie lagen während des ersten Lockdowns im Frühjahr 2020 teils bis zu 70 Prozent unter dem Vor-Corona-Niveau“, sagte HVV-Sprecher Rainer Vohl auf Anfrage des Abendblatts. So wurden im April 2020 sogar nur 29,6 Millionen Fahrgäste verzeichnet.
Verkehr in Hamburg nach der Corona-Pandemie: Zurück zur Normalität
Bis zum Spätsommer 2020 hatte es zwar eine kräftige Erholung gegeben, sodass im August 2020 wieder 58,9 Millionen Menschen in Hamburg öffentliche Verkehrsmittel genutzt hatten. Doch der zweite Lockdown im Herbst 2020 hatte erneut zu einem Rückgang geführt. „Bis zum Frühjahr 2021 mit seinen Ausgangssperren lagen die Fahrgastzahlen um 50 bis 60 Prozent unter Normalniveau“, so Vohl. „Seitdem zeigt der Trend wieder deutlich nach oben.“
Die Zahlen werden mithilfe von automatischen Fahrgastzählsystemen ermittelt. Dabei gilt jeder Einstieg als Fahrt: Wer also mit der S-Bahn startet, dann in die U-Bahn und dann in einen Bus umsteigt, zählt als drei Fahrgäste.
Bemerkenswert an dem Anstieg der Nutzerzahlen: Obwohl in diesem August rund 4,4 Millionen Fahrgäste mehr gezählt wurden als ein Jahr zuvor, waren weniger HVV-Abos im Umlauf. Deren Zahl hatte im August 2019 noch bei 676.000 gelegen und war dann bis August 2020 auf 563.000 zurückgegangen. Ein Jahr später lag die Zahl der Abos sogar nur noch bei 542.000 – also 134.000 oder knapp 20 Prozent weniger als vor der Pandemie.
Weniger Staus auch in der Rushhour
Beim HVV erklärt man sich das so: Viele Nutzer, die sich vor der Pandemie angewöhnt hatten, regelmäßig Bus und Bahn zu fahren und sich ein Monats- oder Jahresticket gekauft hatten, scheinen nun nur noch ab und zu den öffentlichen Nahverkehr zu nutzen. Zwar würden seit einigen Monaten wieder mehr Abos abgeschlossen, „gleichwohl sind weiterhin viele Menschen noch im Homeoffice und fahren nicht oder nicht täglich zur Arbeit“, so Vohl. „Bei Einzel- und Tageskarten sowie Wochen- und Monatskarten verzeichnen wir in den vergangenen Monaten einen deutlichen Anstieg.“ Vor allem über die HVV-App würden mittlerweile mehr Fahrkarten verkauft als vor der Pandemie.
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Dass nach wie vor viele Menschen vom flexiblen Arbeiten Gebrauch machen, zeigt sich auch auf Hamburgs Straßen. „Es macht sich ganz klar bemerkbar, dass viele Menschen die Möglichkeit nutzen, aus dem Homeoffice zu arbeiten: Vor allem zu Wochenbeginn fehlen in 2020 und 2021 die sonst so typischen Spitzen des Stau-Niveaus in der Rushhour“, sagt Sarah Schweiger, Sprecherin des Navigationssoftwareherstellers TomTom. Das Unternehmen erhebt durchgehend das sogenannte Stau-Niveau, eine Prozentzahl, die angibt, wie viel länger man durch Verkehrsbehinderungen für eine Strecke braucht, als wenn man durchweg freie Fahrt hätte.
Obwohl sich die Spitzen im Stau-Niveau im Hamburger Berufsverkehr verändert haben, prognostiziert das Unternehmen, dass sich die Daten insgesamt wieder an die Werte vor der Pandemie annähern werden, also wieder mehr Menschen das Auto nutzen. „Insgesamt sehen wir in Hamburg eine ganz typische Entwicklung, die aktuell in vielen deutschen Großstädten zu beobachten ist“, so Schweiger. „Mit einer Rückkehr zur Normalität werden die Menschen wieder deutlich mobiler und der Autoverkehr nimmt wieder zu.“
Sieben Prozent weniger Autoverkehr als 2019
Auch in der Verkehrsbehörde beobachtet man, dass auf den Straßen noch etwas weniger los ist als in der Vor-Corona-Zeit. „Die Verkehrszahlen zeigen grundsätzlich, dass der Kfz-Verkehr auch 2021 rückläufig ist“, sagte Sprecher Dennis Heinert dem Abendblatt. Er kann das auch mit Zahlen belegen: „Schaut man sich die Werte für den Monat September an, erkennt man für 2020 im Verhältnis zu 2019 einen Rückgang von rund fünf Prozent.
Für September 2021 im Vergleich zum September 2019 lag der Rückgang sogar bei sieben Prozent.“ Grundlage für die Berechnung ist die automatische Zählung an 16 unter repräsentativen Gesichtspunkten ausgewählten Standorten, darunter die Knotenpunkte An der Alster/Schmilinskystraße, Bramfelder Straße/Habichtstraße, Breitenfelder Straße/Hoheluftchaussee, Mohnhof/Bergedorfer Straße, Wilstorfer Straße/Moorstraße und Kieler Straße/Langenfelder Damm.
Mehr Autos, die weniger bewegt werden
„Die Tendenz entspricht dem mehrjährigen Trend“, sagt Heinert. Wie berichtet, wird schon seit Jahren beobachtet, dass die Zahl der angemeldeten Kraftfahrzeuge, auch bedingt durch das Bevölkerungswachstum der Stadt, stetig zunimmt – gleichzeitig diese Autos aber weniger bewegt werden.
Die aktuelle Stärke des Rückgangs, vor allem im Vergleich zu 2019, sei aber „sicher pandemiebedingt“, so Heinert. „Offen bleibt die langfristige Entwicklung, unter anderem in Anbetracht des Wandels in der Arbeitswelt und des verstärkten Einsatzes von Homeoffice-Strukturen in den Unternehmen. Im Sinne der Verkehrsvermeidung kann hier auch nachhaltig ein positiver Effekt entstehen.“