Hamburg. Einmal umkrempeln, bitte: In Hammerbrook, Rothenburgsort und Veddel sollen auf bestehenden Strukturen lebenswerte Stadtteile entstehen.

Jahrzehntelang waren es Stiefkinder der Stadtentwicklung und Stadtteile, um die sich keiner so recht kümmern wollte: Veddel, Rothenburgs­ort, Hammerbrook. Diesen Quartieren, im Krieg fast völlig zerstört und seitdem vor allem mit viel Verkehr, Industrie und billigem Wohnraum assoziiert, soll nun neues Leben eingehaucht werden.

Stadtentwicklungssenatorin Dorothee Stapelfeldt (SPD) und Oberbaudirektor Franz-Josef Höing sprechen geradezu euphorisch von diesem „Stadteingang Elbbrücken“, der in den kommenden Jahrzehnten zu bunten, lebenswerten Stadtteilen aufgewertet werden soll. „Ein ruppiger, spröder Ort mit unglaublichem Entwicklungspotenzial“, sagt Höing.

Alten Arbeitervierteln soll neues Leben eingehaucht werden

Das Gebiet, für das jetzt ein „Rahmenplan“ vorgestellt wurde, umfasst etwa 80 Hektar. 860 Wohnungen sollen dort mittelfristig entstehen, allerdings ist der Wohnungsbau nicht der einzige Kern der Planungen. Stapelfeldt nennt fünf Ziele, die behördenübergreifend und gemeinsam mit den Bürgern vor Ort erarbeitet worden seien:


Die Vernetzung der Quartiere unter­einander und zur Innenstadt hin.
Identitätsbildung mit dem Erhalt des historischen Erbes.
Parks und Grünflächen sollen erweitert, verschönert und miteinander verknüpft werden.
Die Uferbereiche an Elbe und Bille werden aufgewertet und besser zugänglich gemacht.
Nutzungsvielfalt mit Wohnen, Gewerbe, Naherholung und Kulturangeboten.

Zum Altonaer soll sich der Veddeler Balkon gesellen

Dem Oberbaudirektor ist seine Begeisterung für dieses Projekt anzumerken, gerade weil er es für ungewöhnlich und herausfordernd hält. „Die Veddel“, sagt er, „ist 300 Meter von der Elbe entfernt, hat aber noch nie das Wasser gesehen.“ Genau dort am Ufer, zwischen S-Bahn-Trasse und Bundesstraße, sollen Wohnungen entstehen, die denkmalgeschützten alten Zollgebäude sind für die Nahversorgung gedacht.

Und eine Brücke (Fertigstellung in spätestens drei Jahren) wird als eines der ersten Projekte zum Grasbrook herüberführen, wo ja ebenfalls ein neuer Stadtteil entsteht (wir berichteten). Und es wird einen neuen Park an der Elbe geben: „Veddeler Balkon“ wird er heißen, wohl auch in der Hoffnung, dass er ähnlich belebt und beliebt wird wie der Altonaer Namens­vetter.

Auf dem aufbauen, was bereits da ist

Eine weitere Brücke ist von der HafenCity über den Oberhafenkanal zum Elbpark Entenwerder vorgesehen. „Potenzial liegt auf beiden Seiten der S-Bahn-Haltestelle Elbbrücken“, sagt Jürgen Bruns-Berentelg, Chef der HafenCity und der Billebogen GmbH, die das Projekt umsetzen soll. Ohne Steuergeld, wie er betont. „Die Finanzierung der In­frastruktur erfolgt über Pachtverträge und Grundstücksverkäufe.“

Es ist gewissermaßen das Gegenteil dessen, was Bruns-Berentelg seit 20 Jahren in der HafenCity macht, wo auf freier Fläche ein Stadtteil völlig neu gedacht werden konnte. Östlich davon sollen – viel behutsamer – bestehende Strukturen erweitert und miteinander verbunden werden.

Veddel, Rothenburgsort, Hammerbrook: Unterschätzte Stadtteile

„Mehr Stadt in der Stadt“ nennt Höing­ das. „Der Raum zwischen Veddel, Rothenburgsort, Hammerbrook und der City-Süd ist durch große Infrastrukturen stark belastet, laut, zerschnitten; aber eben auch sehr zentral, spannend, unentdeckt und unterschätzt.“ Und Gordon Nelkner vom Bezirksamt Mitte sagt: „Das Gebiet soll ein Baustein der Stadtentwicklung sein, nicht ihr Trittstein.“

Rothenburgsort? Ja, so könnte der Blick über die B  75 Richtung Stadtzentrum einmal aussehen.
Rothenburgsort? Ja, so könnte der Blick über die B  75 Richtung Stadtzentrum einmal aussehen. © moka-studio

Und so werden auch Verkehrs­flächen zurückgebaut, etwa das „Autobahn-Kleeblatt“ an der Billhorner Brückenstraße, das als „untergenutzt“ gilt. Dort sollen zur Straße hin Neubauten für Gewerbe, Kultur- und Kreativwirtschaft, vielleicht auch ein Hotel, entstehen. Weiter östlich und daher lärmgeschützter sind Wohnungen geplant.

Die Vorgehensweise: „Bauen, frei lassen und verknüpfen“

Etwas anders als üblich dürfte auch das „Grüne Netz“ werden, das sich als Parklandschaft von der Elbe bis zur Bille (und später bis zur Alster) ziehen wird. So soll es einen Weg vom Hochwasserbassin in Hammerbrook bis zur Brandshofer Schleuse geben, der teilweise auch über Stege auf dem Wasser geführt wird. Bisher unerreichbare Uferbereiche werden dann zugänglich. Und der neue Billepark – eingerahmt von Straßen, Brücken und Industriegebäuden, wird auch seinen ganz eigenen Charme entwickeln.

Den Brandshof nennt der Oberbaudirektor einen „Torso“ – mit  diesem Quartiersplatz wäre er es nicht mehr.
Den Brandshof nennt der Oberbaudirektor einen „Torso“ – mit diesem Quartiersplatz wäre er es nicht mehr. © moka-studio

Das alles ist bisher nur ein Rahmenplan, Details werden in der folgenden Bauplanung folgen. Ein Zeitraum von etwa 15 Jahren ist vorgesehen, um alles umzusetzen. „Das soll weiterhin gemeinsam mit den Bürgerinnen und Bürgern geschehen“, betont Stadtentwicklungssenatorin Stapelfeldt. So ist für den 22. November eine weitere Informationsveranstaltung geplant.

Zubetontiert wird das Areal jedenfalls nicht. Höing sagt zur Vorgehensweise: „Bauen, frei lassen und verknüpfen“.