Hamburg. In 20 Jahren hat sich die Beziehung des Internet-Riesen zur Hansestadt gewandelt. Was man über Google in Hamburg wissen muss.
Um die Internetsuchmaschine Google und ihr Deutschland-Büro in Hamburg ranken sich Mythen und Legenden. Die lassen sich natürlich ergoogeln – doch die Wahrheit ist meist komplexer, als die ersten Links in der Trefferliste nahelegen. Genau 20 Jahre nach dem Start des Web-Giganten mit der ersten Europa-Filiale ist es an der Zeit, einige Anekdoten auf ihren Wahrheitsgehalt abzuklopfen und die Google-Hamburg-Beziehung zu beleuchten.
In einer Promi-Hochburg wichtig: Haben die Google-Gründer Larry Page und Sergey Brin je Hamburg besucht? Ja, Sergey Brin trug sogar einen Sweater mit Hamburg-Aufdruck. Was er nicht trug: Euros in seinem Portemonnaie. Eine Mitarbeiterin kaufte ihm etwas Essbares.
Google in Hamburg: Diebe stehlen das G
Stimmt es, dass Diebe – oder Fans – sich am Namensschild an der ABC-Straße bedienten? Ja, um den Jahreswechsel 2013/2014 stahl jemand das große, blaue G. Google hieß plötzlich nur noch oogle. Nicht einmal die Mitarbeiter haben es sofort bemerkt. „Vielleicht hat ja der Buchstabenverkäufer Schlemihl aus der Sesamstraße bei unserem Logo seine Finger im Spiel gehabt“, erklärte damals eine Firmensprecherin. Von der im NDR beheimateten Lokstedter Sesam- an die ABC-Straße gab es zumindest kein Dementi.
Und ist es wahr, dass bei der weltweiten Namenssuche für die neue Muttergesellschaft das Hamburger Google-Büro den Ausschlag gab, weil es an der ABC-Straße liegt? Ja, die Konzernmutter wurde „Alphabet“ getauft. Aber: Nein, mit der Straße hat dieser Namensfindungsprozess nichts zu tun. Dazu später mehr.
Google hat ein spezielles Verhältnis zu Hamburg entwickelt. Das liegt nicht so sehr an den extra eingerichteten Räumen mit HSV- und St.-Pauli-Motto, solche Motto-Zimmer gibt es auch als Kreißsaal-Variante in der Geburtsklinik Elim. Wichtigster anfänglicher Standortfaktor: Googles erster Deutschland-Mitarbeiter wohnte an der Elbe. Hier verursachten die Google Street View Autos Entzücken (bei Internet-Enthusiasten) und Entsetzen (bei Datenschützern). Eine Spielzeug-Ausgabe des Kamera-Gefährts kam ins Miniatur Wunderland. Das ist inzwischen auch ein Google-Partner. Die Elbphilharmonie ließ sich mit Google noch vor der Eröffnung digital besuchen – und in Hamburg sitzen die schärfsten Google-Kritiker.
Datenskandal und brisante Autovervollständigung
Sie entlarvten den Daten-Skandal um die Street View Autos, die nebenbei WLAN-Daten abfischten. Sie machten sich für die informationelle Selbstbestimmung der Internetnutzer und für ein „Recht auf Vergessen“ stark und setzten einen Prozess in Gang, in dem sich jeder an Google wenden und Suchergebnisse löschen lassen kann, wenn es ein nachweisbares Interesse gibt.
Gleichfalls in Hamburg verklagte die ehemalige First Lady Bettina Wulff, damals Frau von Bundespräsident Christian Wulff, die Suchmaschine. Schon beim Eintippen ihres Namens kamen in der sogenannten Autovervollständigung Begriffe, die sie in Zusammenhang mit Rotlicht-Gerüchten brachten. Beim früheren Automobilweltverbands-Präsidenten Max Mosley, der vor dem Hanseatischen Oberlandesgericht klagte, ging es um eine obskure Party mit, nun ja, freizügigen Damen und einem strengen Leder-Outfit, das mit Hakenkreuzen versehen war. Auch hier einigte man sich ohne Gerichtsurteil.
Im Youtube-Video: So funktioniert die Google-Suche
Google und seine Milliarden Nutzer haben gelernt. Die „Maschine“ hat sich krakenartig weiterentwickelt, aber eben auch „Tools“ geschaffen, Werkzeuge, die zum Alltag gehören, so natürlich, wie das „Googeln“ Einzug in den Duden feierte. Das war 2004 und es gehört mittlerweile laut Duden zum Wortschatz des Goethe-Zertifikats B1. Auch Goethe ist ein Googler geworden. Zur Expansion zählen Google News, Google Maps, Youtube, der Browser Chrome, Chromebook, Handy, Google Pay …
Deutsche Bahn und Hamburger Hochbahn sind längst Google-Partner. Mit Air View als Kooperationsprojekt der HafenCity Universität kommt eine neue Schadstoffmessung hinzu. Auch das Hamburger Abendblatt ist Teil des Google News Showcase, ein Internet-Dienst, der laut Google „qualitativ hochwertige journalistische Artikel“ bündelt und für den Google Lizenzgebühren bezahlt.
Einblick ins Hamburger Google-Büro
Eine Milliarde Euro investiert Google nach eigenen Angaben ab sofort in den Standort Deutschland. Philipp Justus, Vizepräsident von Google Zentraleuropa, sagte dem Abendblatt: „Wir wünschen uns für Hamburg weiter solch ein innovationsgetriebenes Zusammenspiel mit Politik, Gesellschaft und Wirtschaft.“ 550 der 2500 deutschen Googlerinnen und Googler werkeln in Hamburg. Ihre Schwerpunkte: Marketing, Rechtsabteilung, Kommunikation, Personalabteilung und Vertrieb. In Berlin, Frankfurt und München arbeiten unter anderem Entwickler, Youtuber und Cloud-Experten.
Für Jüngere, die „digital natives“, gehört die Google-Welt zur elementaren Kommunikation. Lisa Merten vom Leibniz-Institut für Medienforschung an der Rothenbaumchaussee hat die Nachrichtennutzung untersucht. Sie sagt: „Google hat eine Umgebung geschaffen, in der die Kontakte zu Nachrichten mit Voreinstellungen in Smartphones, beim Browser und durch die Google News App extrem personalisiert werden können. Die Nachrichten werden dann auf die eigenen Themeninteressen zugeschnitten.“ Dennoch sind schon Jugendliche offenbar geübt darin, genau hinzuschauen. „Jüngere sind sich bewusst, dass sie in Kontakt mit Fake News geraten können. Die Suchmaschinen und die von ihnen präsentierten Nachrichtenquellen erscheinen ihnen dabei vertrauenswürdiger als soziale Medien“, sagt Merten.
Google macht Homeoffice
Derzeit machen auch Hamburgs Googler vornehmlich Homeoffice. Anfang 2022 soll der Standort ABC-Straße wieder mit voller Besetzung brummen– allerdings wie in vielen Unternehmen mit einer neuen „Flexibilität“. Ob der vor Corona angedachte Umzug innerhalb Hamburgs noch realisiert wird, scheint offen. Der Senat hätte für ein expandierendes Unternehmen aus dem Silicon Valley sicher einen roten Teppich hin zu einer neuen Immobilie parat. Bürgermeister Peter Tschentscher ließ sich vor drei Jahren vom früheren Ober-Googler Eric Schmidt durch die hippe Zentrale führen. Tschentscher erinnerte daran, dass die Google-Mutter Alphabet ja nach der ABC-Straße benannt worden sei. Hat er das gegoogelt?
Zum 20-jährigen Jubiläum klärt eine Google-Sprecherin im Abendblatt auf. „Wie es mit Legenden so ist, sind sie am schönsten, wenn die wahren Hintergründe nicht verraten werden.“ Das mit der ABC-Straße und Konzernmutter Alphabet – echt niedlich. „Es ist eine schöne Geschichte, die allerdings nicht der Wahrheit entspricht.“
Google – was gesucht wurde
Zu den kuriosen, extrem häufig gesuchten Begriffen über die vergangenen Jahre zählten zum Beispiel die Hommingberger Gepardenforelle (2005), Der Gerät (2011) oder die Spaghettisierung (2014). Im Jahr 2020 war es – Toilettenpapier.
Das waren die meistgesuchten Personen in Deutschland:
- 2006 Bushido
- 2007 Bushido
- 2008 Bushido
- 2009 Michael Jackson
- 2010 Lena Meyer-Landrut
- 2011 Justin Bieber
- 2012 Cro
- 2013 Helene Fischer
- 2014 Michael Schumacher
- 2015 Helene Fischer
- 2016 Sarah Lombardi
- 2017 Donald Trump
- 2018 Daniel Küblböck
- 2019 Helene Fischer
- 2020 Donald Trump
Die meistgenutzten Suchmaschinen in Deutschland (Quelle: Globalstats)
- Google 90,8 Prozent
- Bing 5,51 Prozent
- Ecosia 1,04 Prozent
- Duckduckgo 0,96 Prozent
- Yahoo 0,65 Prozent
- Yandex 0,34 Prozent