Hamburg. Der Bedarf an Kinderkursen ist riesig, die Wartelisten sind lang – warum der Stau in den Schwimmbädern immer größer wird.

Man kann die Situation von Christin Pump durchaus als ausweglos bezeichnen, zumindest im Moment. Die junge Frau arbeitet seit zehn Jahren als Schwimmlehrerin in Hamburg. Doch seit Beginn der Corona-Pandemie kann sie ihren Beruf quasi nicht mehr ausüben. „Von heute auf morgen saß ich zu Hause, konnte nicht mehr arbeiten – und musste 7500 Euro an Kursgebühren zurückzahlen“, sagt sie.

Das ging ja erst einmal vielen so. Das Besondere bei Pump: Auch als die meisten anderen Menschen wieder ihren Berufen nachgehen konnten, musste sie weiter zu Hause bleiben. Der Grund: Die Schwimmlehrerin fand kein Bad, in dem sie ihre Kinder trainieren konnte. „Ich habe bisher immer in Hotelpools unterrichtet. Teilweise in den Schwimmbädern der Fitnessstudios.“ Diese Wasserflächen waren nun alle geschlossen – und sind es bis heute.

Bäderland: Hamburger Schwimmlehrerin findet keine Flächen

Für Christin Pump nach rund eineinhalb Jahren ein schwer zu ertragender Zustand. „Es kann doch nicht sein, dass ich in der ganzen Stadt keine noch so kleine Wasserfläche finde, auf der ich den Jungen und Mädchen Schwimmen beibringen kann.“ Überall habe sie angefragt – natürlich auch bei Bäderland. „Doch bisher nur Absagen eingefangen.“ Christin Pump versteht die ablehnende Haltung nicht. „Ich komme mit einem, höchstens zwei Kindern, bezahle den Eintritt und störe niemanden. Warum wird es mir so schwer gemacht.“

Zumal der Bedarf riesig ist. „In den vergangenen Monaten hatte ich mehr als 3000 Anfragen“, so Christin Pump. „Schließlich ist es durch die Corona-Pandemie noch einmal schwieriger geworden, seinem Kind das Schwimmen beizubringen.“ Sogar geweint hätten Mütter bei ihr am Telefon. „Es ist wirklich traurig. Ich möchte doch Eltern nur helfen, und endlich wieder in meinem Beruf arbeiten können.“

Wegen Corona weniger Menschen in Schwimmbädern

Bei Bäderland versteht man die Sorgen der privaten Schwimmlehrer durchaus. „Aber aktuell sind die Ressourcen einfach begrenzt“, sagt Sprecher Michael Dietel. Die Wasserflächen der Bäder seien komplett verplant. „Wir haben das Angebot an Schwimmkursen massiv erweitert“, so Dietel. Allein in den Sommerferien sei das Angebot viermal so groß gewesen. Derzeit liege der Fokus auf den Anfängerkursen. „Den Auftrag haben wir von der Stadt erhalten.“ Und könnten ihn selbst durch die Beschränkungen nur mäßig erfüllen, so Dietel. Neben den Seepferdchenkursen gebe es Bronzekurse, Babyschwimmen und Aquafitkurse für die Erwachsenen. Auch die Schwimmvereine, die die Wasserflächen von Bäderland nutzen, seien aufgefordert worden, sich um die Schwimmanfänger zu kümmern.

Dietel berichtet, dass das Unternehmen durch die strengen Corona-Auflagen viel weniger Menschen in die Bäder lassen könne. „Nur ein Beispiel: Im Festland-Bad durften vor der Corona-Pandemie gleichzeitig 2000 Menschen schwimmen und planschen, jetzt sind es gerade einmal 150.“ Rund 60 Prozent weniger Gäste dürften rein gelassen werden, auch weil so viele Kurse angeboten würden.

Bei Bäderland in Hamburg gilt die 3G-Regel

Bei Bäderland gilt die 3G-Regel, dafür wird ein reduzierter Eintrittspreis genommen. „Betriebswirtschaftlich würde es sich sicher mehr lohnen, wenn wir auf die 2G-Regel umschwenken würden und den vollen Eintritt verlangen“, so der Sprecher. Das widerspreche aber dem eigenen Anspruch, vielen Menschen Zugang zum Wasser zu ermöglichen. Aus diesen Gründen könne das städtische Unternehmen derzeit keine privaten Schwimmschulen in seine Bäder lassen.

Schwimmen lernen per App aus Glinde

Für alle Eltern, die ihren Kindern selbst das Schwimmen beibringen wollen, gibt es seit kurzem eine Seepferderdchen-App. Entwickelt wurde sie von Mario und Carola Schlichting aus Glinde. „Wir konnten während des Lockdowns keinen Unterricht anbieten. Hatten aber immer wieder echt verzweifelte Eltern am Telefon“, sagt Carola Schlichting, die die Aquacademy mt Kursen in und um Hamburg betreibt. „Da haben wir kurzerhand die App enzwickelt.“ Hier bekommen Eltern genaue Anleitung, wie sie ihren Kindern die einzelnen Schritte erklären und vormachen können, mit Videos, Texten und Checklisten.

Die App kommt bei den Eltern gut an. Mehr als 800-mal wurde sie in den vergangenen Wochen bereits heruntergeladen. Anlass genug für die beiden, die App noch einmal zu überarbeiten. Im Oktober gibt es dann einen gesonderten Kinderbereich. Auch in Österreich, der Schweiz, Italien und sogar in den USA wird schon mit dem Angebot des Ehepaars Schwimmen gelernt. Deshalb soll sie bereits zum Ende des Jahres auch in verschiedenen Sprachen wie Englisch und Spanisch angeboten werden. Die Nutzung der Seepferdchen-App kostet einmalig 14,99 Euro. Sie kann im App-Store und bei Google Play heruntergeladen werden. Weitere Infos gibt es auf der Internetseite unter der Adresse www.aquacademy.de.

„Eltern, die ihren Kindern schwimmen beibringen möchten, können jederzeit bei uns einen Kurs buchen oder einfach hierher kommen und trainieren.“ Sollten dann irgendwann wieder mehr Menschen in die Bäder dürfen, könnten auch private Schwimmschulen sich wieder einbuchen. „So lange aber haben die nicht gewinnorientierten Kurse einfach Vorrang.“

Schwimmkurse in Hamburg: Bedarf ist hoch

Der Bedarf an Schwimmkursen scheint in der Stadt durch die Corona-Pandemie noch einmal in die Höhe geschnellt zu sein. Das liegt daran, dass eineinhalb Jahre lang quasi kein Kind sein Seepferdchen ablegen konnte. Auch Jerk Fiedler erlebt den großen Bedarf. „Wir sind dabei, eine Welle abzuarbeiten, die sich durch die langen Schließzeiten aufgebaut hat“, sagt Fiedler, der die gleichnamige Schwimmschule betreibt. Der Hamburger hat Glück, er kann seit Jahren die Wasserfläche der Kurt-Juster-Schule in Alsterdorf nutzen.

Derzeit könne auch er allerdings nur etwa 60 Prozent der ursprünglichen Kurse anbieten. Das liege zum einen an den Pausen, die er zwischen den Gruppen einbauen müsse. Und natürlich an der geringeren Teilnehmerzahl pro Kurs. „Wir sind weiter in den Abend gerutscht, um die geringeren Teilnehmerzahlen abzufangen. Aber nach 19.30 Uhr kann kein sechsjähriges Kind mehr konzentriert schwimmen“, so der erfahrene Lehrer. Selbst an Sonntagen habe er schon Unterricht gegeben.

Hamburger Schwimmlehrerin „würde überall trainieren"

Fiedler kann aber den Unmut seiner Kollegen durchaus verstehen. „Ich muss ja auch jeden Tag wieder Eltern enttäuschen, weil ich keine freien Plätze habe“, sagt er. Und regt an, dass in der Stadt gemeinsam versucht werden solle, diesen Mangel an Schwimmkursen entgegen zu wirken. Das wünscht sich auch Christin Pump. Sie sei zu allem bereit, sagt die Schwimmtrainerin. Zwischendurch habe sie in Freibädern trainiert. „Aber der durchwachsene Sommer hat da wenig Spielraum zugelassen.“ Nun hofft sie, dass endlich ein Betreiber eines Bades ihr entgegenkommen kann. „Ich würde überall trainieren, selbst in einem kleinen privaten Pool im Keller.“