Bergedorf. Beim Schwimmunterricht gibt es riesigen Nachholbedarf. Doch Hallenzeiten sind in Bergedorf viel zu knapp.
Schwimmunterricht auf dem Trockenen – das klingt erstmal paradox. Genau diese Idee jedoch hat die DLRG an ihrem Aktionstag in der Grundschule Sander Straße umgesetzt: Wer kann ins Wasser atmen? Wer traut sich, unter Wasser die Augen zu öffnen?
Damit Kinder ihre Angst vorm Wasser überwinden, braucht es meist gar kein Schwimmbad. Claudia Beumer weiß das aus eigener Erfahrung: Sie ist Elternratsmitglied der Grundschule und selbst Sportlehrerin. Als DLRG-Mitglied kennt sie die Probleme der Kinder: „Die anfängliche Wassergewöhnung ist meistens der Teil, der beim Schwimmenlernen am längsten dauert.“
Schwimmen lernen fängt auf dem Trockenen an
Umso begeisterter war sie von dem Pilotprojekt, bei dem Erst- und Zweitklässler an verschiedenen Stationen spielerisch mit Wasser in Kontakt kommen. Dafür braucht es bloß eine Grünfläche, einige Alltagsgegenstände und ein paar Helfer.
„Gerade jetzt, wo Schwimmunterrichtsplätze rar sind, ist das eine gute Möglichkeit, um die Wassergewöhnungskurse zu entlasten“, so Beumer. Und auch für die Kinder sei der „Schwimmunterricht ohne Schwimmbad“ ein Riesenspaß gewesen. „Wir haben sechs unterschiedliche Wasserbassins aufgebaut, an denen die Schüler verschiedene Übungen machen konnten.“
Kinder können Übungen auch zu Hause machen
Alle gemeisterten Aufgaben seien dann in einem „Wasserpass“ vermerkt worden. „So können die Kinder die Übungen auch zu Hause weiterführen“, erklärt Beumer, deren Sohn (7) selbst mitgemacht hat.
Arne Schicke, Chef der Bergedorfer DLRG, findet die Idee sinnvoll. Denn den aktuellen Mangel an Schwimmbädern und -stunden sieht er höchst problematisch: „Laut Statistiken ertrinken in Deutschland immer mehr Menschen, das hängt auch mit dem wenigen Schwimmunterricht zusammen.“
Schon seit mehreren Jahren gebe es ein bundesweites Bädersterben – das habe schließlich Folgen. Trotz der mehr als 130.000 Einwohner stehe in Bergedorf eben nur das Bille-Bad zu Verfügung.
Coronabedingt gibt es einen riesigen Nachholbedarf
Und dessen Kapazitäten sind mehr als ausgelastet. Da durch die Pandemie ein Großteil des Schwimmunterrichts seit Frühjahr 2020 ausgefallen ist, gibt es nicht nur einen riesigen Nachholbedarf sondern auch neue Interessenten, betont Björn Andressen, Vorsitzender der Schwimmgemeinschaft Bille.
„Mit der Schwimmlern-Offensive des Senats sind uns zwar in den Sommerferien und noch bis Ende August mehr Schwimmstunden im Bille-Bad zugeteilt worden. So hatten auch Neulinge eine Chance auf die Abzeichen Seepferdchen, Seehund und Bronze“, sagt Björn Andressen. Doch bald gilt wieder die alte Stundenanzahl – mit der Folge, dass einige Kinder keinen Platz mehr im Folgekursus bekommen können.
Darüber ärgert sich etwa Alexander Reimers, dessen siebenjährige Tochter schon zehnmal bei der Eingewöhnung war: „Jetzt wollte sie gerade das Seepferdchen machen, um richtig schwimmen zu lernen. Doch da ist der weiterführende Kurs schon voll.“ Dass es zu wenig Kapazitäten gibt, findet er „unverschämt, zumal das Bad doch städtisch ist“.
Der Schwimmverbund verteilt die Nutzungszeiten auf die Vereine
Aber da lasse sich wenig machen: „Von 133 Kindern, die weitermachen wollten, mussten wir tatsächlich 43 absagen“, sagt Rita Schumann, die seit 30 Jahren als Trainerin bei der SG Bille arbeitet. Das sei wirklich schade, aber es gebe einfach zu wenig Schwimmzeiten. Schließlich müssten gleichzeitig noch Leistungssport und Regelbetrieb Platz finden. Schon seit circa 20 Jahren gebe es dieses Problem, so Schumann.
Doch dies ist nicht auf die Bäderland zu schieben: „Für ganz Hamburg verteilt der Schwimmverbund die Nutzungszeiten auf die Vereine“, sagt Bäderland-Sprecher Michael Dietel.