Hamburg. Das Kunstspiel zum Mitmachen – jeden Montag im Abendblatt. Heute: „Revolution des Viaductes“.
Normalerweise sind Viadukte in Stein gemeißelte Symbole der Statik und Symmetrie, die ein Tal oder eine Schlucht überspannen. Paul Klee (1879-1940), einer der einflussreichsten deutschen Maler des 20. Jahrhunderts, hatte mit den Brückenelementen etwas anderes vor. Er ließ sie aus der Reihe tanzen. Vor einem graublauen Hintergrund sieht man zwölf Brückenbögen geradezu auf die Betrachter zumarschieren. Sie unterscheiden sich in Höhe, Breite und Farbe – Gelb, Rosa, Orange und Rot.
Kunstkritiker dachten, Klee nehme hier die Bedrohung durch eine totalitäre Massenbewegung aufs Korn. Tatsächlich handelt es sich bei den einzelnen Bögen um deutlich unterscheidbare Individuen, die offenbar aus dem für sie vorgesehenen Verwendungszweck „ausgebrochen“ sind. Sie weigern sich sozusagen, nur Glieder in einer Kette zu sein. Vom Gleichschritt halten sie auch nichts.
Paul Klee war ein vielseitiger Künstler
Weil er unter der unheilbaren Autoimmunkrankheit Sklerodermie litt, musste er in den 30er-Jahren kürzer treten. 1937, als „Revolution des Viaductes“ entstand, wird als der Beginn seiner späten Schaffensphase angesehen. Das Bild, das früher auch unter dem Titel „Abwanderung der Brückenbögen“ bekannt war, zeigt ein Motiv, das ihn sehr beschäftigte. Fünf Versionen malte er davon, diese ist die letzte und zugleich eines seiner bekanntesten Werke.
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Klee war ein ungeheuer produktiver und vielseitiger Künstler. Seine Werke lassen sich dem Surrealismus, Primitivismus, Kubismus, Konstruktivismus und Expressionismus zuordnen. Viele Bilder wirken farbenfroh und heiter. Er war mit August Macke und Wassily Kandinsky befreundet, lehrte am Bauhaus in Weimar und Dessau. Die Zeit sollte er später als die frucht- und glückbringendste Periode seines Lebens bezeichnen. Er nahm Kontakt zu den Mitgliedern der Künstlergruppe Blauer Reiter auf.
Ausstellung in München mit Bildern von Paul Klee
1937 wurde in München auch die Ausstellung „Entartete Kunst“ eröffnet. 17 Klee-Bilder wurden darin gezeigt. Danach wurden 102 weitere seiner Werke als „entartet“ beschlagnahmt und verkauft. Nach seinem Tod im Jahr 1940 ließ Sohn Felix auf die Grabplatte einen Text seines Vaters von 1920 einmeißeln: „Diesseitig bin ich gar nicht fassbar/Denn ich wohne gerade so gut bei den Toten/Wie bei den Ungeborenen/Etwas näher dem Herzen der Schöpfung als üblich/Und noch lange nicht nahe genug.“