Hamburg. „Ich sehe was, was du nicht siehst“ zum Mitmachen – jeden Montag beim Abendblatt. Heute: Egon Erwin Kisch halbnackt und tätowiert.

Christian Schad (1894-1982) malte 1928 das „Bildnis Egon Erwin Kisch“ auf die Leinwand. Der Journalist, der durch seine zahlreichen Auslandsreisen das Klischee vom „rasenden Reporter“ mitbegründet hat, war damals 33 Jahre alt. Gemalt hat Schad es in der Berliner Wohnung seines Modells, auf dem Bild hat er den Mann aber in die Stahlträgerkonstruktion des Berliner Funkturms verfrachtet. Man meint heute, dass er damit wohl die innere Haltung eines Intellektuellen mit der äußeren Gestalt eines Arbeiters kombinieren wollte – eine Ambivalenz also.

Tattoos: Auslöser für „Bildnis Egon Erwin Kisch

Kischs Oberkörper ist mit Tattoos bedeckt, die nach Angaben von Schad Auslöser für dieses Bild gewesen sein sollen. Damals mögen sie ungewöhnlicher gewirkt haben als heute, da es schwerer ist Menschen ohne Tätowierungen zu finden.

Das „Bildnis Egon Erwin Kisch“ von Christian Schad (Ölgemälde auf Leinwand, 1928).
Das „Bildnis Egon Erwin Kisch“ von Christian Schad (Ölgemälde auf Leinwand, 1928). © © Hamburger Kunsthalle / bpk © VG Bild-Kunst, Bonn Foto: Elke Walford

Kühl wirkt das Bild, manche finden es „sezierend“. Kisch selbst hat im Jahr 1925 einen Essay über seinen Körperschmuck geschrieben. Auf seinem rechten Ober-arm sieht man einen dunkelhäutigen Varieté-Artisten. Links trägt er deinen Kopf eines chinesischen Mandarins, der von einem Messer durchbohrt worden ist.

Christian Schad simulierte einen Herzfehler

Schad wurde in Bayern geboren. Weil er auf keinen Fall Wehrdienst leisten wollte, simulierte er nach dem Ausbruch des Ersten Weltkriegs einen Herzfehler und wurde nicht eingezogen. In der Schweiz schloss er sich dann den Dada-Künstlern an. Ähnlich wie Man Ray experimentierte er in seiner Frühphase mit optischen Materialien und schuf sogenannte Schadografien, Fotogramme mit Konturbildern.

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Schad gilt als Vertreter der „Neuen Sachlichkeit“. Der Name geht auf eine Ausstellung zurück, zu der der Direktor der Mannheimer Kunsthalle 1925 eingeladen hatte. Er zeigte damals 124 Werke von 32 Künstlern. Gemeinsam war ihnen die Erforschung der „Eigengesetzlichkeit der Objekte unserer Umwelt“. Auf den Bildern werden die Gegenstände oft mit mikroskopischer Akribie, aber ohne Beziehung zueinander wiedergegeben. Franz Roth nannte diese statische Form der Malerei „Magischer Realismus“, ein Begriff, der später in der Literaturwissenschaft zur Anwendung kommen sollte.

Bei Schad wird der Mensch zum Objekt

Die Bilder von Schad gelten als Musterstücke der Neuen Sachlichkeit. Seelenverwandte waren Otto Dix und George Grosz, die ebenfalls von entindividualisierten Menschen in Großstadtlandschaften erzählen. Bei Schad wird sogar der Mensch zum Objekt. Er selbst hat das so beschrieben: „Mittelpunkt meiner Arbeit war und ist der Mensch und seine Zustände. Der Mensch als Einzelwesen, nicht in der politischen Masse.“