Hamburg. Krabben, Matjes, Räucherlachs oder Backfisch? Der große Überblick: Welcher Belag auf dem Fischbrötchen die beste Ökobilanz hat.

Fischbrötchen zu futtern, das gehört für viele Besucher der Hansestadt so selbstverständlich zum Programm wie eine Hafenrundfahrt. Aber auch Hamburger lassen sich den Snack für Zwischendurch gerne schmecken.

Von Touristikern und Imbissen als „kulinarisches Kulturgut Hamburgs“, „fangfrische Köstlichkeit“ oder „maritime Delikatesse“ beworben, verschleiern solche Umschreibungen allerdings oft, dass der Fisch aus weit entfernten Regionen stammen kann und einen entsprechend langen Transport hinter sich hat, wenn er in den Verkauf kommt.

Nachhaltigkeit: Welches Fischbrötchen kann man guten Gewissens kaufen?

Und das ist nicht das einzige Pro­blem. Seit vielen Jahren schon prangern Umweltschützer die Überfischung in etlichen Regionen an, kritisieren Fangmethoden wie die Grundschleppfischerei. Kann man überhaupt noch Fischbrötchen guten Gewissens essen? Wie nachhaltig ist die damit verbundene Bewirtschaftung?

Es kommt darauf an, wie hoch man die Latte legt. Was für die einen noch vertretbar ist, kann für andere ein Ausschlusskriterium sein. Geht es nach Umweltschützern, gilt als erste Regel: weniger ist mehr. Der WWF gibt zu bedenken: „Jede Aquakultur und Fischerei hat Auswirkungen auf die Umwelt. Eine pflanzliche Ernährung hat den besten ökologischen Fußabdruck.“ Greenpeace-Meeresbiologe Thilo Maack sagt: „Wir sollten Fisch als Delikatesse sehen und nur zu besonderen Gelegenheiten essen.“

Woher der Fisch für das Fischbrötchen in Hamburg kommt

Bei der Auswahl erleichtert es die Orientierung, dass die allermeisten Fischbrötchen in wenigen Varianten verkauft werden: belegt mit Hering (Matjes und Bismarck), Räucherlachs, mit Backfisch (hauptsächlich Alaska-Seelachs) oder Krabben. Doch schon in dieser überschaubaren Gruppe unterscheiden sich die verwendeten Lebensmittel erheblich etwa in der Verarbeitung und beim Transport.

Wer eine der genannten Meerestierarten in Hamburg kaufe, könne davon ausgehen, dass diese zum überwiegenden Teil aus Fanggebieten der Europä­ischen Union stammen, sagt Gerd Kraus, Direktor des Thünen-Instituts für Seefischerei in Bremerhaven.

Welche Regeln für Fischfang in der EU gelten – und welche nicht

Dem Biologen zufolge einigen sich die EU-Mitgliedsländer regelmäßig auf Fangquoten in Nordsee und Nordostatlantik – mit dem erklärten Ziel, die Fischbestände nur so weit zu dezimieren, dass ihre volle Produktivität erhalten bleibt beziehungsweise sie sich schnellstmöglich wieder erholen. Stichprobenartig überwacht werden die Fangquoten durch staatliche Fischereibeobachter auf See und bei der Umladung der Fische an Land.

Die EU legt fest, welche Fischarten in welcher Menge gefangen werden dürfen. Vorgaben zu den Umweltauswirkungen der Fangmethoden – zum Beispiel auf dem Meeresboden – finden sich hingegen häufig nicht in den Vorgaben.

MSC: Das bekannteste Siegel für umweltverträglich gefangenen Fisch

Über die EU-Vorgaben hinaus geht der wohl bekannteste Anbieter von Zertifizierungen für umweltverträglich gefangenen Fisch: der Marine Stewardship Council (MSC). Die gemeinnützige Organisation mit Sitz in London war 1997 von dem Lebensmittelunternehmen Unilever und dem WWF gegründet worden, wurde aber schon 1999 unabhängig von ihnen.

Heute finanziert sich die Einrichtung aus Spenden und aus Lizenzgebühren, die Fischereien bezahlen müssen, wenn sie das blaue MSC-Siegel erhalten wollen. Eine Geldzahlung reicht dafür aber nicht: Laut MSC müssen die Fischereien vielmehr gegenüber unabhängigen Gutachtern beweisen, dass sie bestimmte Kriterien für Nachhaltigkeit erfüllen, etwa Fangmethoden einsetzen, durch die nur wenige Jungfische und andere Meerestiere in den Netzen landen.

Trotz Kritik: "Lieber zertifizierten Fisch kaufen als nicht zertifizierten"

Zuletzt hatten allerdings der WWF und andere Umweltorganisationen wie Greenpeace und der Nabu den MSC wiederholt kritisiert und strengere Regeln gefordert, etwa für die Fischerei mit Grundschleppnetzen, die den Meeresboden stark schädigen kann. Das MSC-Zertifikat sei „längst kein Rundumsorglos-Paket mehr“, sagt WWF-Fischereiexperte Philipp Kanstinger.

Es gebe „dringenden Reformbedarf“ in der britischen Organisation. Trotzdem sei das Siegel für Verbraucher immer noch die schnellste Orientierungshilfe beim Fischkauf“, erklärt der WWF und rät: „Lieber zertifizierten Fisch kaufen als nicht zertifizierten.“

Das sieht Gerd Kraus vom Thünen-Institut in Bremerhaven ähnlich: „Das MSC-Siegel steht für einen Mindeststandard bei umweltschonender Fischerei.“ Ähnliche Mindeststandards erfülle das ASC-Siegel, das für Zuchtfische aus Aquakulturen vergeben wird.

Fischbrötchen müssen nicht zertifiziert werden

Der Rat, auf diese Zertifizierungen zu achten, hilft dem Fischbrötchen-Käufer womöglich aber nur bedingt, denn Fisch und Krabben im Brötchen sind ausgenommen von der Kennzeichnungspflicht, die sich aus der EU-Verordnung 1379/2013 für Erzeugnisse der Fischerei und aus Aquakulturen ergibt.

Weder muss der Fischbrötchen-Verkäufer an den Landungsbrücken oder im übrigen St. Pauli ausweisen, woher etwa die Räucherlachsscheiben auf seinen Brötchen kommen, noch ist er zu einer Auskunft verpflichtet, ob es sich um zertifizierten Fisch handelt. Trotzdem sollte man am Fischbrötchenstand fragen, woher die Ware kommt, empfiehlt Greenpeace-Meeresbiologe Thilo Maack.

Woher der Fisch kommt, hat Einfluss auf die Nachhaltigkeit

Denn je nach Fanggebiet kann der Fisch bessere oder schlechtere Noten in puncto Nachhaltigkeit bekommen. Hat der Verkäufer keine präzise Antwort parat, können zumindest jene Kunden dennoch eine ordentliche Entscheidung treffen, die den WWF-Fischratgeber gelesen haben (fischratgeber.wwf.de).

Nach Angaben der Umweltorganisation fließen als Kriterien darin ein der Zustand von Fischbeständen, Auswirkungen der Fischerei auf die Umwelt sowie das Management von Fischereien und Aquakulturen. Zur Orientierung dient ein Ampelsystem: grün steht für „gute Wahl“, gelb für „zweite Wahl“, rot für „lieber nicht“.

Fischbrötchen: Krabben

  • Die in Hamburg an Imbissen erhältlichen Krabben werden zwar in der Nordsee gefangen, anschließend aber zum größten Teil erst nach Marokko transportiert, dort mit der Hand gepult und in der Regel mit Benzoesäure konserviert, bevor sie nach Deutschland kommen und in Geschäften und auf Fischbrötchen landen. „Diese Transporte verursachen einen vergleichsweise großen ökologischen Fußabdruck“, sagt Thünen-Forscher Gerd Kraus.
  • Zudem sei die Krabben-Fischerei nicht durch EU-Quoten begrenzt, die Fischerei gebe sich einen Großteil ihrer Standards selbst, um die MSC-Kriterien zu erfüllen. In puncto Nachhaltigkeit schnitten Krabben nur besser ab, wenn sie frisch vom Kutter und vor Ort gepult gekauft werden, was stellenweise an norddeutschen Häfen möglich ist.
  • Der WWF begrüßt zwar, dass die Krabbenfischerei in der Nordsee zum größten Teil MSC-zertifiziert ist, kritisiert aber, es seien Verbesserungen vor allem zum Schutz des Meeresbodens und zur Vermeidung von Beifang nötig und bewertet die Krabbenfischerei insgesamt nur mit „gelb“.

Fischbrötchen: Backfisch

  • Unter der Panade steckt meistens Alaska-Seelachs, der im Nordpazifik oder in der Beringsee gefangen wurde. Die Fischerei in diesen Gebieten sei „sehr gut gemanagt“, sagt Forscher Gerd Kraus. Die langen Transportwege wirken sich allerdings ungünstig auf die Ökobilanz aus. Nur selten werde in der Nordsee gefangener, MSC-zertifizierter Seelachs für Backfisch verwendet.
  • Dem WWF zufolge sind viele Alaska-Seelachsfischereien zwar MSC-zertifiziert und werden nachhaltig bewirtschaftet. Durch den großen Umfang dieser Fischerei seien aber stellenweise negative Auswirkungen auf Ökosysteme zu befürchten, die Netze könnten den Meeresgrund berühren und etwa Korallen schädigen, erklärt die Umweltorganisation und bewertet den Alaska-Seelachs je nach Fanggebiet mit „gelb“ oder „rot“.

Fischbrötchen: Räucherlachs

  • Sofern nicht als „Lachsersatz“ gekennzeichnet, handelt es sich bei Räucherlachs im Fischbrötchen in der Regel um Atlantischen Lachs (Salmo salar), der vor allem aus Aquakulturzucht in offenen Netzgehegen in Norwegen stammt. Vergleichsweise geringe Mengen kommen aus Schottland und Irland.
  • Der WWF bewertet all diese Fanggebiete mit „gelb“ („Zweite Wahl“) und begründet das etwa damit, dass durch die Aquakulturzucht im Meer, in Flussmündungen und Seen von den Zuchtlachsen Krankheiten auf wilde Populationen übertragen werden können.
  • Weitere Kritikpunkte: In der Lachszucht in Aquakulturen könnten verschiedene Chemikalien und Antibiotika zum Einsatz kommen, das Futter für die Lachse stamme meist nicht aus nachhaltiger Fischerei, so der WWF. Von „Massentierhaltung unter Wasser“ spricht Greenpeace-Meeresbiologe Thilo Maack.
  • Wer unbedingt Räucherlachs essen wolle, sollte lieber Ware aus Biozucht kaufen, weil die Lachse dabei in geringerer Dichte gehalten werden, auf Chemikalien weitestgehend verzichtet und das Futter für die Tiere nachhaltig produziert werde, rät Thünen-Forscher Gerd Kraus. Diesen Rat unterschreibt auch Thilo Maack von Greenpeace. Bio-Räucherlachs im Fischbrötchen dürfte allerdings eine (teure) Ausnahme sein …

Fischbrötchen: Matjes

  • Im Fischbrötchen-Vergleich ist Hering insgesamt die ökologisch beste Wahl, darin sind sich die drei Experten einig. Ohne Einschränkungen empfehlen lasse sich Hering aus der Nordsee. Die Heringsfischerei erfolge dort nachhaltig und ohne viel Beifang, sagt Gerd Kraus. Nur mit „gelb“ bewertet der WWF die Heringsfischerei in Teilen des Nordost- und des Nordwestatlantik.
  • Die Bestände in der Irischen und Keltischen See, südwestlich und westlich von Irland sowie westlich von Schottland seien überfischt. Das Gleiche gelte für Heringsbestände in der westlichen Ostsee und Kanada. Fischereien, die norwegischen frühjahrslaichenden Hering fingen, hatten im Jahr 2020 ihre MSC-Zertifizierung verloren, „aufgrund fehlender Vereinbarungen bei der Fangmengenverteilung“, sagt Philip Kanstinger.
  • Der WWF stufe diesen sogenannten atlanto-skandischen Hering allerdings trotzdem immer noch als „grün“ ein, „da der Fischbestand dort auf einem nachhaltigen Niveau ist und mit beifangarmen Fanggeräten, die nicht den Meeresboden zerstören, befischt wird“.

Fischbrötchen: die Bilanz

Wem Nachhaltigkeit beim Fischbrötchen-Kauf wichtig ist, der kann guten Gewissens am ehesten zu Hering greifen, der vorzugsweise aus der Nordsee stammen sollte. Auch noch vertretbar ist der Verzehr von Bio-Räucherlachs, wenn er denn auf Fischbrötchen angeboten wird.