Hamburg. Fischmarkt-Original und der Chef des Fischmarkt Bistro an der Großen Elbstraße fachsimpeln über die Qualität(en) des Rundstücks kalt.

Die norddeutsche Seele braucht Seeluft, der Körper ein Fischbrötchen. Oder zwei. Und zu Hause ist dort, wo einem die Möwen im Vorbeiflug ein Stückchen vom Matjesrundstück wegschnappen wollen. Wer sich also an den Hamburger Landungsbrücken, am Meer oder an einem der Seen in Holstein etwas Herzhaftes zwischen die Kiemen schiebt, ist auf den Geschmack der Küste gekommen.

Doch über die wahrhaftige Güte eines richtig leckeren Fischbrötchens streiten sich die Feinschmecker seit jeher. Mehr als ein Grund, zwei Koryphäen zu Tisch zu bitten, denen in Sachen Fisch und Meer keiner das Wasser reichen kann: Dieter Bruhn, Hanseaten, Seebären und Landratten besser bekannt als Aale-Dieter, und Roland Teichmeier, bodenständiger Betreiber eines renommierten Fischbistros mit Adresse Große Elbstraße 133.

Fischbrötchen-Gipfel direkt am Ufer der Elbe

Angemessener Treffpunkt für diesen Fischbrötchen-Gipfel ist das Restaurant Dübelbrücker Kajüt, backbords des Anlegers Teufelsbrück vortrefflich gelegen. Es spricht für den Wirt, dass wir Tisch und Stühle direkt ans Elbufer verlagern dürfen. Klar ist: Wer mit urigen Typen dieser Kategorie beisammensitzt, sollte das vornehme Sie daheim lassen. „Mien Jung, was hast du denn da aufgefahren“, ruft Aale-Dieter bei der Begrüßung begeistert.

Kollege Roland trägt eine mobile Vitrine in den Händen. Gekühlt warten unter dem Glasdeckel vier Fischbrötchen darauf, ihrer Bestimmung zugeführt zu werden. Was postwendend passiert. Herrlich knusprig die Brötchen, frisch der Fisch, kein Gedöns – da kommt Appetit auf. Und da sich einer wie Dieter Bruhn nicht lumpen lässt, reichert er diesen Bilderbuchnachmittag mit einem Tablett erster Klasse an: zarter Räucheraal auf Brot. So schmeckt der Sommer in Hamburg!

Wer hat das Fischbrötchen erfunden? "Niemand!"

Nachdem die ersten Bissen gute Laune bescheren, stellt sich Frage Nummer eins: Wer hat die Delikatesse Fischbrötchen eigentlich erfunden? „Niemand“, weiß Aale-Dieter, „das hat keiner entdeckt; es hat sich entwickelt.“ Als die Fischer früher auf ihren Kuttern zur See fuhren, hatten sie als Speisen meist nur Brot und eingelegte Heringe an Bord. Der Rest ergab sich. Um während des Essens weiterarbeiten zu können, steckte man die Filets zwischen zwei Brotscheiben oder Brötchenhälften. Fertig. Sparte Zeit, Geld und Pausen im Sitzen.

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Wann haben die Herren das erste Fischbrötchen vertilgt? „Meine Eltern waren Gas­tronomen in Mecklenburg“, sagt Roland Teichmeier. Da gehörte Fisch im knackigen Rundstück zum Alltag. Dieter Bruhn biss später zu, etwa mit 35. Geboren in Hamm, aufgewachsen in Eimsbüttel und seit 57 Jahren in derselben Wohnung in Eppendorf zu Hause, gab es in der Kaufmannsfamilie von jeher viel Fisch. Nur eben nicht im zusammengeklappten Brötchen.

Aale-Dieter verkauft seit einem halben Jahrhundert Fisch

Als der gelernte Maschinenbauer Dieter 1959 auf der Trabrennbahn über seinen Vater den legendären Aal-Wilhelm kennenlernte, nahm der Berufsweg Fahrt auf. Als selbstständiger Verkäufer tourte Dieter Bruhn von 1965 an über Jahr- und Wochenmärkte. In seiner Heimatstadt, im Ruhrgebiet sowie im Rheinland. Fast überall.

Der aktuell 82-Jährige hat sich zum Hamburger Original entwickelt. Markenzeichen: Fischerhemd, rote Hosenträger, Elbsegler, kernige Schnacks, Mutterwitz. Das „Manager Magazin“ kürte ihn zu einem der zehn talentiertesten Verkäufer Deutschlands. Aale-Dieter brüllt nicht nur, er preist an, lockt, kobert, jongliert mit Sprüchen.

Fischmarkt-Bistro-Chef: "Einen wie Dieter kann man nicht imitieren"

„Ich habe heimlich um die Ecke geluschert“, bekennt Roland Teichmeier. Da er selbst jahrelang als Marktschreier im Einsatz war, wollte er Bruhns Tricks genialen Verkaufens studieren. Seine Erfahrung: „Einen wie Dieter kann man nicht imitieren.“ Folglich konzentrierte sich der ausgebildete Nukleartechniker aus Güstrow auf eigene Stärken und sein Faible für die Feinkost des Meeres.

Er war im Hamburger Hafen Fuhrunternehmer für Seefracht, betrieb einen Fisch-Imbiss neben dem früher an der Versmannstraße präsentierten U-Boot, gab auf dem Fischmarkt alles. Vor 15 Jahren gründete er das Fischmarkt Bistro an der Großen Elbstraße. Kenner wissen: Bei Roland Teichmeier gibt’s formidable Fischbrötchen. Ein Feinschmecker-Journal wählte das kleine Geschäft unter die fünf besten Adressen unserer Stadt.

Noch ist corona- und ferienbedingt geschlossen, doch im August soll’s wieder herzhaft zur Sache gehen. Mit Matjes, Bismarck, Brathering, Räucherlachs, Backfisch oder Lachsfrikadelle belegte Rundstücke kosten zwischen drei und sechs Euro. Die Frischware kauft Roland auf dem Fischmarkt, bei Gabi, Susanne und anderen traditionsreichen Anbietern. „Entscheidend für den Geschmack ist das Brötchen“, philosophiert Teichmeier. Er schwört auf mit Sauerteig hergestellte Rundstücke der Bäckerei Hansen mit Hauptsitz in Sülldorf.

Tipps für das beste Fischbrötchen? Schwierig - einen Geheimtipp gibt es aber

Es herrscht Einigkeit am Tisch: Tipps für Lokale mit den besten Fischbrötchen sind mit Vorsicht zu genießen. Weil viele Firmen noch nicht wie gewohnt im Betrieb sind oder variable Öffnungszeiten haben. Weil Geschmäcker nun mal verschieden sind. Weil man über Geschäftskollegen ungern urteilt. Und weil mancher Genießer ganz persönliche Favoriten hat.

Auf dem Dom und auf Wochenmärkten offerieren Fischhöker oft wunderbare Fischbrötchen. Weit vorne beim seit 2011 zele­brierten „Weltfischbrötchentag“ ist Stefanie Hildebrand vom Fischhaus Rellingen mit ihren Bratheringsbrötchen nach Großmutters Rezeptur. Die Familie ist auf Märkten in Pinneberg, Prisdorf, Quickborn, Tornesch, aber auch in Altona, Lokstedt oder Sasel präsent.

Fischbrötchen-Qualität: Lage muss nicht unbedingt Geschmack versprechen

Umgekehrt muss die Lage nicht unbedingt Geschmack versprechen. An einem der Kioske nahe den Landungsbrücken wird für viel Geld ein pappiger Fabriksemmel mit ausgetrockneter Fischpampe verkauft. Auf Nachfrage reagierten selbst untrainierte Touristen betroffen. Die Qualität macht den Unterschied.

So kann ein Bremer, eine Kreation aus Brötchen, Fischfrikadelle, Ketch­up und Gurken, mal grauenhaft munden, mal der offenbarende Kick sein. Jeder nach seinem Gusto. Wer Schillerlocken, in Knoblauchöl marinierte Garnelen, künstlich gefärbten Seelachs oder Krabben mit Cocktailsauce zwischen den Hälften mag: guten Appetit.

Das betrifft nicht minder die Beilagen. Meistens wird der Fisch mit rohen Gemüsezwiebeln, Röstzwiebeln, Salatblättern, Gewürzgurken, Tomatenscheiben, Eisbergsalat, Pfeffer oder Paprikastücken serviert.

Hand aufs Hanseatenherz: Was sind die Lieblinge der beiden Experten?

Nachdem die Kronzeugen dieses Fischbrötchengipfels Gästen der Dübelsbrücker Kajüt Autogramme gegeben haben und für Fotos posierten, bringt Restaurantchef Vinod Batija eine Runde Kaffee zum Ausklang. Seine Kajüte ist als gute Adresse für prima Fisch bekannt – und für den famosen Blick über Elbe und Hafen. Auf das Nachspülen der Fischrundstücke mit Bier verzichten wir.

Welche Variante wissen Dieter Bruhn und Roland Teichmeier besonders zu schätzen? Aale-Dieter, der auf seinem Fischmarktstand ausschließlich Räucherlachs und Räucheraal feilbietet, liebt es schnörkellos. Aal, na klar, Lachs, Seelachsschnitzel, Bismarckhering. „Nur mit Zwiebelringen gekrönt. Ende“, sagt er. „Klassisches Fingerfood norddeutscher Art.“

Roland Teichmeier, mit 64 Jahren Junior des Fachgesprächs, wird bei knackfrischem Brötchen mit Matjesfilet und Hausfrauensauce schwach. Grundsätzlich gilt: Lieber einen Euro mehr ausgeben, dafür wirklich frische Spitzenqualität. Dann darf’s auch ein bisschen mehr sein.