Hamburg. Der vor 125 Jahren errichtete Stahlträgerbau sollte im Konkurrenzkampf gegen die Fischereiwirtschaft aus Hamburg punkten.
Der Andrang ist gewaltig, der Pomp bombastisch, das Bauwerk höchster Ehren wert: Die neue Fischauktionshalle in Altona, von Seiner Majestät dem Kaiser persönlich mit prunkvoller Zeremonie eingeweiht, ist ein Schmuckstück preußischer Prestigearchitektur. Im Basilika-Stil einer altrömischen Markthalle erbaut, vermählt sie zugleich norddeutsche Backsteintradition kühn mit einer futuristischen Eisen- und Glaskonstruktion.
Fast zwei Millionen Mark kostet die Fischauktionshalle
Im „Centralblatt der Bauverwaltung“ hebt der Wirkliche Geheime Oberbaurat Otto Sarrazin allerdings vor allem die Investitionsbereitschaft der städtisch-staatlichen Bauherren hervor: „Für diese Anlagen sind einschließlich Grunderwerb und Kaibefestigung 1.931.800 Mark aufgebraucht worden“, berichtet der hochrangige Bauingenieur aus dem Berliner Finanzministerium. „Von dieser Summe entfallen auf den Grunderwerb nicht weniger als 1.048.931 Mark, d. h. für 1 qm etwa 383 Mark.“
Der exorbitante Quadratmeterpreis (heute ungefähr 2738 Euro) erklärt sich daraus, dass für das Projekt mehrere Wohnhäuser abgerissen wurden: Der Druck der Hamburger Fischereiwirtschaft auf die Konkurrenz im damals noch preußischen Altona verlangt Opfer, denn er ist zuletzt fast übermächtig geworden.
Altona und Hamburg im Wettbewerb
Die Vorgeschichte wird von einem beinharten Wettbewerb geprägt. Seit dem 14. Jahrhundert holen sich die Hamburger ihr Seafood auf einem Platz südlich der Petrikirche, der bis heute „Alter Fischmarkt“ heißt. Als aber das vornehme Johanneum 1840 vom Rathaus- auf den nahen Domplatz umzieht, gibt es Dauerstress: Der fröhliche Trubel des Flossentierhandels nervt das professorale Personal der berühmten Gelehrtenschule, und immer wieder hagelt es Beschwerden.
Zudem ärgert Altona die reiche Hansestadt schon seit dem 16. Jahrhundert mit einem eigenen, höchst unerwünschten Markt auf dem Anlandeplatz der Elbfischer. Der liegt direkt an der Grenze zu St. Pauli, die damals etwas anders verläuft: Die „Große Freiheit“ gehört noch zu Altona, der „Pinnasberg“ dagegen zur Hansestadt, bis das „Groß-Hamburg-Gesetz“ von 1937 die beiden Konkurrentinnen mehr oder weniger zwangsvereinigt.
1703 errichtet Altona einen eigenen Fischmarkt
Auch viele Hamburger kaufen seit jeher gern bei den Altonaer Elbfischern ein. Das wurmt die hanseatischen Netzwerker gewaltig. Nach der Legende geht sogar der Name der Schwesterstadt auf den ins Jahr 1536 datierten Ausruf „All to nah!“ eines empörten Hamburger Fischers zurück. Schon 1664 fördern die neuen Nachbarn ihren Handel mit dem ersten Freihafen Europas. 1703 wird der Wettbewerb schon fast zur Wirtschaftsfehde, weil das damals noch dänische Altona den ersten eigenen Fischmarkt einrichtet – ein No-Go für die stolzen Hanseaten!
Der nervige Krach in der City und die lästige Konkurrenz an der Peripherie bringen die Hamburger schließlich auf eine zündende Idee: 1861 verlegen sie ihren maritimen Handel ebenfalls ans Elbufer und bauen den St. Pauli-Fischmarkt auf. Das macht nun den Altonaern schwer zu schaffen. Als 1881 auch noch die Zollgrenze zwischen Hamburg und dem Deutschen Reich fällt, geraten die Nachbarn endgültig in Zugzwang. Inzwischen preußische Untertanen, kontern sie 1894 gleich mit einem komplett neuen Fischereihafen.
Finanzspritze von der Berliner Regierung
Die Regierung in Berlin fördert das Großprojekt mit kräftigen Geldspritzen aus dem preußischen Zollanschlussfonds, mit dem Reichskanzler Otto von Bismarck negative Folgen für die Wirtschaft zu lindern trachtet. Schon ein Jahr später beginnt auch der Bau einer neuen Fischauktionshalle, nur wenige Hundert Meter von der Hamburger Konkurrenz entfernt.
In der Kaiserzeit wird an öffentlichen Bauten nicht gespart. Deutschlands größte See- und Handelsstadt wird nach Einwohnern nur von Berlin getoppt und steht in Europa immerhin an neunter Stelle. Rathaus und Speicherstadt entstehen, obwohl Zweckbauten, mit viel historisierendem Gepränge. Ähnliches schwebt auch den Altonaern vor.
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Architektonischer Wettbewerb mit den Nachbarn
Die neue Fischauktionshalle soll zwar ganz nüchtern die Versteigerung, den Handel und den Versand dort angelandeter Fänge steuern. Außerdem dient das Gebäude als Lager und Werkstatt für Fischereigerät, und auch Kühleis wird dort verteilt. Vor allem aber will der Magistrat die Hamburger Konkurrenz dort nun auch architektonisch ausstechen.
Das Gerüst der Fischauktionshalle wird zwar aus einfachen Stahlprofilen, aus Puddelstahl, zusammengenietet, und die Wände sind mit Backsteinfachwerk ausgemauert. Die mittlere Vierung und die Vierungskuppel aber bestehen aus Glas. Bronzene Fischfiguren schmücken die bunten Fenster und Bögen. Eine Brücke führt auf das Elbufer zu einem Anleger für bis zu acht Dampfschiffe, die dort ihre Fracht entladen.
Gesamtes Projekt kostet 3,3 Millionen Mark
Kritiker attestieren dem Bau trotz der Verzierungen eine „industrielle Anmutung“ mit „rauem Charme“. Das ist indes total nach dem Geschmack des Kaisers, der sich Architektur nach kräftiger deutscher Art wünscht. Ein paar Jahre später wird Wilhelm II. den modernen Jugendstilentwurf für den neuen Hauptbahnhof als „einfach scheußlich“ vom Tisch fegen und stattdessen Renaissanceformen wie am Rathaus verlangen – nach dem Kunsthistoriker Hermann Hipp ein „reaktionärer Eingriff“, aber „fortschrittlicher als am Anfang geplant“.
An reinen Baukosten sind für die Fischauktionshalle 320.000 Mark fällig, zu zahlen je zur Hälfte von Altona und dem Zollanschlussfonds. Das gesamte Projekt mit Hafen- und Kaianlagen kostet knapp 3,3 Millionen Mark. Altona übernimmt davon 525.000 Mark.
Hamburg kontert mit eigener Fischauktionshalle
Die Hamburger bauen 1898 prompt ebenfalls eine Fischauktionshalle. Sie liegt nur ein paar Hundert Meter weiter östlich und wirkt mit ihren Türmchen, Giebeln und Rundbogenfenstern wie eine alte Burg. Zum Anleger führt eine Wassertreppe.
Noch einmal wird der Konkurrenzkampf heftig. Doch 1934 siegt die wirtschaftliche Vernunft, und die alten Gegner fusionieren zur Fischmarkt Hamburg-Altona GmbH. Die Auktionshallen werden 1943 bei Bombenangriffen stark beschädigt und nur notdürftig repariert. Die Hamburger Halle bietet Ende der 1960er-Jahre noch einmal die Kulisse für ein Krimi-Finale, wird aber 1971 abgerissen, weil der Senat an dieser attraktiven Lage eine Skyline mit Hochhäusern für Büros und Geschäfte sehen will. Heute indes wohnen an der Stelle Dauercamper auf einem großen Parkplatz.
In den 1970-Jahren wird die Halle saniert
Auch in Altona ist die Fischauktionshalle lange dem Tode geweiht. Doch 1973 organisieren Münchner Theaterleute für das Gebäude eine neue Aufgabe als sozio-kulturelles Zentrum mit Volkstheater, Kino, sozialen Diensten, Fischrestauration und Biergarten.
Der Senat legt die Abrisspläne zu den Akten und lässt den schon halb verfallenen Bau nach alten Fotos restaurieren. Heute steht dort eine schmucke Location für bis zu 3500 Besucher.