Hamburg. Yvonne Nische hatte zwei Freikarten angenommen. Am Donnerstag wurde das Urteil gesprochen. Über den Prozess.

Nichts dürfte ihrer Karriere mehr geschadet haben als der Besuch des Rolling-Stones-Konzerts im September 2017 auf der Festwiese im Hamburger Stadtpark. Eigentlich hätte Yvonne Nische als Nachfolgerin von Harald Rösler längst im Chefsessel des Bezirksamts Nord sitzen sollen. Doch die Freikarten-Affäre riss auch sie mit in den Abgrund. Nische hatte zwei Freikarten für das Konzert angenommen und sich damit aus Sicht der Staatsanwaltschaft wegen Vorteilsannahme strafbar gemacht.

Überdies soll sie Untergebene zu einer Straftat verleitet haben, weil sie die Annahme von weiteren Freikarten durch vier Bezirksamtsmitarbeiter geduldet habe. Bereits zum Prozessauftakt hatte Nische die Vorwürfe zurückgewiesen – ihrer Argumentation vermochte das Amtsgericht jedoch nicht folgen.

Dezernatsleiterin zu 13.800 Euro Strafe verurteilt

Am Donnerstag verurteilte es die Dezernatsleiterin im Bezirksamt Nord zu einer Geldstrafe von 120 Tagessätzen á 115 Euro, insgesamt 13.800 Euro. „Sie haben einen Fehler gemacht, wenn auch keinen schweren“, sagte Richter Steffen Brauer. Eingestanden habe sie diesen Fehler in dem Prozess jedoch nicht, ein Unrechtsbewusstsein habe er nicht gesehen. „Dieser Prozess hat gezeigt, dass im Jahr 2017 das Gespür dafür abhanden gekommen war, was Beamte annehmen dürfen und was nicht“, so Brauer. Beamte indes unterlägen einem gesteigerten Treueverhältnis zum Staat.

Und gerade Nische mit ihrer langen Berufserfahrung und ihrer exponierten Stellung hätte es besser wissen müssen. Auch wenn sie einem Verbotsirrtum unterlegen sei, weil sie glaubte, der frühere Bezirksamtsleiter Harald Rösler habe die Annahme der Karten per E-Mail „genehmigt“, so sei sie dennoch zu bestrafen, weil dieser Irrtum eben nicht unvermeidbar gewesen sei. Insgesamt soll Rösler, Chef der für das Konzert zuständigen Genehmigungsbehörde, dem Veranstalter des Konzerts 103 Freikarten für „Freunde des Hauses“ abgetrotzt haben.

Nisches Rechtfertigungen abgeschmettert

„Sie bekommen Gratiskarten für die berühmteste Rockband der Welt, da hätten bei Ihnen alle Alarmglocken schrillen müssen“, so der Richter. Auch Nisches Darstellung, sie habe das Konzert als hochrangiges Mitglied der Verwaltung und Verantwortliche für den Katastrophenschutz im Bezirk Nord zu Repräsentationszwecken besucht, verfing nicht.

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Was sollte sie auch vor wem repräsentieren? Bei 80.000 Besuchern im Stadtpark sei die Chance, dass jemand sie als Repräsentanten des Amts erkannt habe, verschwindend gering gewesen. „Sie hatten nicht den Bekanntheitsgrad, um als Garant für die Sicherheit wahrgenommen zu werden“, so Brauer. Zudem habe sie geduldet, dass auch ihre vier Fachamtsleiter je zwei Karten annahmen, und sie so zu einer Straftat verleitet. Respekt gebühre Nische dafür, dass sie freiwillig auf den Posten als Bezirksamtsleiterin verzichtet und so Schaden von der Institution abgewendet habe.

Staatsanwaltschaft forderte höhere Strafe

Zuvor hatte die Staatsanwaltschaft eine Geldstrafe von 24.000 Euro gefordert, die Verteidigung hingegen auf Freispruch plädiert: Nische habe sich nach den Plazets von Rösler, des stellvertretenden Bezirksamtsleiters und des Leiters der Rechtsabteilung darauf verlassen dürfen, dass die Annahme der Karten statthaft gewesen sei. Gegen das Urteil kann Yvonne Nische Berufung einlegen.