Hamburg. Protest gegen drohendes Aus der Wilhelmsburger Klinik. Das Erzbistum wirkt führungslos. Offenbar ein Kauf-Interessent für Groß-Sand.
Gibt es eine Rettung für das finanziell angeschlagene Krankenhaus Groß-Sand in Wilhelmsburg? Die Antworten heißen ja, nein und vielleicht. Es hängt davon ab, wen man fragt. Trotz der Verkaufspläne wollen Ärzte und Pflegekräfte Groß-Sand unbedingt erhalten, bangen aber um ihre Arbeitsplätze an der Elbinsel-Klinik, die über viele Jahre von der Kirchengemeinde St. Bonifatius getragen wurde, jetzt aber vom katholischen Erzbistum Hamburg gemanagt wird.
Für die Bewohner und Patienten in Wilhelmsburg ist Groß-Sand ihr Anker in die Gesundheitsversorgung. Der bunte Stadtteil wächst weiter, die Infrastruktur mit Ärzten, Therapeuten, Apotheken kommt nicht hinterher.
Für den Hamburger Senat kann sich Groß-Sand als Politikum entpuppen
Und für den Hamburger Senat kann sich das Groß-Sand im Bundestagswahljahr als Politikum entpuppen, das den Zorn der Corona-geplagten Bürger anstachelt. Eine Kostprobe davon gibt es an diesem Mittwoch. Zum Protest am internationalen Tag der Pflege um 17 Uhr auf dem Rathausmarkt gesellen sich die Unterstützer von Groß-Sand wie der ehemalige Wilhelmsburger Praxisarzt Manuel Humburg.
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Er sagt: „Es mag ja sein, dass in der Krankenhausplanung für ganz Hamburg unser Krankenhaus Groß-Sand verzichtbar erscheint. Das berücksichtigt jedoch nicht die besondere Situation auf der Elbinsel, mit einer sozial schwachen Bevölkerung. Dass das Bistum und die Sozialsenatorin bewusst in Kauf nehmen, dass das Krankenhaus entweder geschlossen oder an einen profitorientierten Investor verkauft wird, halten wir für gesundheitspolitische Geisterfahrerei.“
Erzbistum bemüht sich seit Langem vergeblich, das Haus zu verkaufen
Die Sozialbehörde von Melanie Leonhard (SPD) sitzt seit Monaten mit einer „Lenkungsgruppe“ aus Kirche, Kassenärztlicher Vereinigung und Krankenkassen zusammen, die Ideen für Groß-Sand entwickelt. Das Erzbistum bemüht sich seit Langem vergeblich, das Haus zu verkaufen. Auf Groß-Sand lasten Pensionszusagen in Höhe von zuletzt 34 Millionen Euro. „Die Summe wächst täglich“, sagt einer, der es wissen muss.
Aus der Lenkungsgruppe ist zu hören, dass die bisherigen Kaufinteressenten vor allem deshalb abgesprungen sind, weil das ohnehin gebeutelte Erzbistum sie beim Verkauf nicht übernimmt.
Asklepios sprang nach einer Inspektion ab
Ob das stimmt? Domkapitular Berthold Bonekamp teilte dem Abendblatt mit: „Es gibt keine Neuigkeiten.“ Ein Kaufinteressent war Asklepios, doch der Konzern sprang nach einer Inspektion ab. Konkurrent Helios (Mariahilf in Harburg und Endo-Klinik) erklärt schriftlich: „Als Deutschlands und Europas größter privater Klinikbetreiber werden wir regelmäßig mit zum Verkauf stehenden Kliniken in Verbindung gebracht. Bitte haben Sie Verständnis, dass wir solche Gerüchte grundsätzlich nicht kommentieren.“
In Groß-Sand heißt es, die Chirurgie und die Notaufnahme liefen normal. Einschränkungen wegen Corona seien natürlich zu berücksichtigen. Nach dem Abgang des Spezialisten Dr. Wolfgang Reinpold vom weit beachteten Hernienzentrum (jetzt Helios und Fleetinselklinik) waren weitere Rückschläge in Groß-Sand befürchtet worden.
Pflegerin: „Wir müssen Ruhe in die Klinik reinbringen“
„Wir müssen Ruhe in die Klinik reinbringen“, sagt eine Pflegerin. Schwerwiegende Wilhelmsburger Notfälle, Herzinfarkt- oder Schlaganfall-Patienten kommen mit dem Rettungswagen ohnehin ins AK St. Georg oder ins AK Harburg. Doch wer etwa nach einem Schlaganfall eine neurologische Früh-Reha macht oder in die Geriatrie soll – der ist in Groß-Sand nach Expertenmeinung gut aufgehoben.
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Die Krankenkassen drängen darauf, dass nicht jedes Krankenhaus alle Behandlungen machen soll. Gerade in einer Medizinmetropole wie Hamburg sei die komplette Versorgung innerhalb kurzer Distanzen verfügbar. Der Verband der Ersatzkassen spricht von „Konzentration auf weniger Standorte“ in Ballungsgebieten.
Linke: UKE soll Groß-Sand übernehmen
Mit Blick auf die Bundestagswahl betont der katholische Krankenhausverband die besondere Form des „nachhaltigen Wirtschaftens und der Patientenorientierung“ der kirchlichen Häuser. Aber: „Reformen sind nötig und nicht jeder Klinikstandort wird in den kommenden Jahren noch gebraucht“, heißt es in einem Positionspapier.
Was heißt das alles für Groß-Sand? Hamburger Experten sagen: Es gibt keinen Übernehmer mehr, kirchliche oder frei-gemeinnützige Träger wollten das Haus nicht. Andere sagen: Es gebe noch genau einen Interessenten – eine renditeorientierte Gesellschaft. Die Linke hatten vorgeschlagen, das UKE könne Groß-Sand übernehmen. Senatorin Leonhard ist in der Zwickmühle.
Umbau in ein Medizinisches Versorgungszentrum?
Sie muss auf weißen Rauch aus dem Bistum warten, während ihre politische Basis bröckelt. Eine Krankenhausschließung oder ein verunglückter Verkauf wären im Corona-getriebenen Wahljahr unangenehm. Leonhard stammt selbst aus Wilhelmsburg.
Aus ihrer Behörde heißt es, man sei weiter "im Gespräch mit den beteiligten Akteuren, um den Erhalt eines stationären Versorgungsstandortes zu befördern". Eine Entscheidung über die nächsten Schritte liege nicht in der Hand der Stadt.
Ein Umbau in ein Medizinisches Versorgungszentrum mit Notaufnahme und Fachärzten ist ein Denkmodell. Das lehnen die Groß-Sand-Unterstützer ab. Sie befürchten eine schlechtere medizinische Versorgung. „Wie bei Arztpraxen folgen dann auch die Krankenhausbetten dem Weg des Geldes: Arme Stadtteile bluten aus, reichere profitieren“, heißt es beim Verein Zukunft Elbinsel.
Krankenhausexperte: „Im Bistum geht es nicht voran“
Das Bistum wird quasi kommissarisch geführt, seit Erzbischof Stefan Heße wegen möglicher Versäumnisse im Kölner Missbrauchsskandal dem Papst seinen Rücktritt angeboten hat. „Im Bistum geht es nicht voran“, klagt ein Krankenhausexperte. „Am Ende muss vielleicht Papst Franziskus über Groß-Sand entscheiden.“ Nimmt man dessen Aussagen zur Barmherzigkeit gegenüber Bedürftigen ernst, muss das für Wilhelmsburg keine schlechte Nachricht sein.