Hamburg. Wilhelmsburger wollen das Krankenhaus retten, sie fürchten eine abgespeckte Versorgung. Am Dienstag tagt der Gesundheitsausschuss.

Die Sitzungen im Gesundheitsausschuss der Hamburgischen Bürgerschaft sind meist Expertenrunden mit wenig Gegenwehr. Die rot-grüne Mehrheit im Senat schwebt seit 2015 über jedem Thema. Auch die Fachleute, die hie und da hinzugezogen werden, um Besonderheiten bei der medizinischen Versorgung in Hamburg oder Auswirkungen von Bundesgesetzen zu erklären, können selten die geschäftsmäßige Routine durchbrechen. Das dürfte gänzlich anders sein bei der Sitzung am Dienstag im Rathaus. Die Straße hat sich angemeldet.

Wer im neu sortierten Gesundheitsausschuss sitzt, ist nicht nur näher dran am allumfassenden Thema Corona. Alle Mitglieder haben auch ein Protestschreiben vorliegen, in dem es um die Zukunft des Krankenhauses Groß-Sand in Wilhelmsburg geht. Und darin wird klar formuliert: Die Wilhelmsburger werden sich nicht abspeisen lassen mit einem abgespeckten Medizinischen Versorgungszentrum statt einer Vollversorger-Klinik mit Notaufnahme und Fachabteilungen wie Chirurgie.

Krankenhaus Groß-Sand: Protest geht weiter

Lutz Cassel vom Beirat für Stadtteilentwicklung und der Arzt Manuel Humburg vom Verein Zukunft Elbinsel Wilhelmsburg kündigten in „10 Thesen aus Wilhelmsburger Sicht“ weitere Aktionen an. Der Protest werde weitergehen, so Humburg.

In Hamburg weiß man seit der Abwicklung des Hafenkrankenhauses um die politische Sprengkraft bei mutmaßlichen Kürzungen oder Verschiebungen im medizinischen Angebot. Nicht nur Corona hat die Lage verändert. Dem Gesundheitsausschuss sitzt jetzt Peter Zamory vor, ein Grüner aus Ottensen, Arzt und nicht das, was man einen geschmeidigen Regierungspolitikvollstrecker nennt. Wie überhaupt die Grünen-Fraktion sich nach der Bürgerschaftswahl selbstbewusst gegenüber dem neuen Senat präsentiert.

Wilhelmsburg wächst – ein wichtiger Stadtteil für die SPD

Was in Wilhelmsburg geschieht, einem Quartier mit viel Grün und grauer Hafenwirtschaft, in dem in naher Zukunft über 5000 neue Wohnungen entstehen sollen – das ist dem kleinen Regierungspartner nicht egal. Auch die SPD, allen voran der Bundestagsabgeordnete Metin Hakverdi, sieht die Sorgen ihrer Kern-Klientel in einem Stadtteil, in dem jetzt 54.000 Menschen leben und bald womöglich 70.000 oder mehr.

Der Verein Zukunft Elbinsel weist darauf hin, dass auch Groß-Sand ein „Hafenkrankenhaus“ sei. Arzt Humburg schreibt: „Die große Flut von 1962 mit über 200 Toten allein in Wilhelmsburg, ist noch lange nicht vergessen. Auch später noch retteten sich viele nach Groß-Sand, als der Hafen mal wieder unter Wasser stand. Nirgendwo in der Stadt liegen Wohngebiete sowie Gewerbe und Industrie so nah beieinander wie auf der Elbinsel. Die Wohngebiete sind geradezu umzingelt von Gefahrgut-Lagern und Gefahrgut-Betrieben.“

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Der Verein fordert „ein klares Bekenntnis“ von Bürgermeister Peter Tschentscher und Sozialsenatorin Melanie Leonhard (beide SPD) zu Groß-Sand und warnt vor einem „Etikettenschwindel“ bei der Neuausrichtung des Hauses.

Krankenhäuser: Hamburger Senat in der Zwickmühle

Doch der Senat steckt in einer Zwickmühle: Für die Managementfehler der Gemeinde St. Bonifatius und des katholischen Erzbistums als Träger von Groß-Sand ist er nicht verantwortlich und kann auch nicht einfach die drückenden Pensionslasten von rund 34 Millionen Euro übernehmen.

Und doch schaut alles auf die Politik. Nach Abendblatt-Informationen wartet man im Rathaus auf konkrete Pläne des Erzbistums und einer „Lenkungsgruppe“ mit Experten aus Ärzteschaft und Krankenkassen. Wie beim Finanzdesaster um die katholischen Schulen sei das Bistum in der Pflicht, sehr schnell Offenheit über die Lage und mögliche Konzepte herzustellen.