Harburg. Der Hamburger Süden ist von der Ausbreitung besonders betroffen. Informationskampagnen sollen für Aufklärung sorgen.
Das Coronavirus verbreitet sich derzeit besonders rasant einerseits unter jungen Leuten sowie andererseits bei sozial weniger gut gestellten Menschen, die in kleinen Wohnungen eng zusammenleben und in Berufen arbeiten, die kaum Möglichkeit zu Homeoffice bieten. Im Süden Hamburgs kommt beides zusammen – hier leben sowohl die einen wie auch die anderen in großer Zahl.
Aus diesem Grund will der Bezirk Harburg jetzt auf neuen Wegen vorangehen und mit innovativen Informationskampagnen dafür sorgen, dass die Aufklärung über die Gefahren der Corona-Pandemie die Menschen vor Ort auch wirklich erreicht. „Wir nehmen dabei besonders auch die jüngere Zielgruppe in den Fokus“, sagt die für Bezirke zuständige Senatorin Katharina Fegebank (Grüne). Im Kampf gegen das Coronavirus wird jetzt auf lokaler Ebene angesetzt.
Aktionstag in Harburg zum Schutz vor Corona
Harburgs Bezirksamtsleiterin Sophie Fredenhagen hat bereits Ideen gesammelt und ist fündig geworden: Geplant ist ein Aktionstag in Zusammenarbeit unter anderem mit dem Harburger Citymanagement. Handzettel und Plakate sind in Vorbereitung. Deren Motto appelliert an das Gemeinschaftsgefühl und die Solidarität im Süden der Stadt: „Schütze Dein Harburg!“ steht über einem großen roten Herz.
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Weithin sichtbare Stelzenläufer sollen durch die Fußgängerzone gehen und Schutzmasken sowie Handzettel verteilen, auf denen die sechs wichtigsten Regeln zu Kontakten, Masken, Abstand, Hygiene und Tests ganz kurz und knapp erläutert sind. Denn: „Die Verordnungen des Senats sind manchmal in ihrer Ausführlichkeit schwer verständlich, wir wollen die Botschaften hier niedrigschwellig über die Rampe bringen“, sagt Fegebank. Auf den Handzetteln sind dazu gleich alle Schnelltest-Zentren in Harburg und Süderelbe mit Anmeldemöglichkeit aufgelistet.
Mehrsprachige Videos zur Aufklärung
Außerdem soll auf Initiative der Sozialbehörde ein Infomobil durch die Quartiere fahren. Auch Elternlotsenprojekte von Migranten für Migranten werden einbezogen. In den Wohnblöcken großer Vermieter wie der Saga und Genossenschaften sind Postwurfsendungen mit dem Wichtigsten in Kürze zur Pandemie geplant. Es soll mehrsprachige Videos zur Aufklärung geben. Auch über Straßenkunst, unter Einhaltung der Abstandsregeln, wird nachgedacht. Alles, was Aufmerksamkeit erzeugt.
Eine weitere Idee: Personen könnten als Coronavirus verkleidet durch die Stadt laufen und Menschen, die eng zusammensitzen oder -stehen, auf die Gefahren der Infektion ansprechen. „Wichtig ist uns eine kreative, niedrigschwellige Ansprache, die die Menschen mitten in ihrem Alltag erreicht“, sagt Fegebank. „Wir setzen auf Fantasie, um den Menschen nicht einfach mehr von demselben zu bieten.“ Denn nicht nur in Harburg sei spürbar, dass die Motivation der Bevölkerung in der Krise kleiner werde. „Viele sind der Pandemie müde, wir wollen sie wachrütteln“, sagt Fredenhagen.
Motivation und Information als Ansatzpunkte
Motivation ist der eine Ansatzpunkt, Information der andere. Die Bezirkschefin weiß aus der Kontaktnachverfolgung der Corona-Fälle zu berichten, dass es immer noch Menschen gibt, die nicht verstehen, welche Gefahren Corona birgt und wie man sich am besten schützt – und das nicht in erster Linie wegen der Sprachbarrieren.
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Auch deshalb setzt sie auf Multiplikatoren vor Ort, auf die etablierten Netzwerke, etwa auf den Integrationsbeirat oder die Imame der Moscheen, die zur Verbreitung der Botschaft gewonnen werden sollen. Um Jugendliche zu erreichen, sollen Influencer ins Boot geholt und die sozialen Medien stärker einbezogen werden.
Die dritte Welle ist im Süden der Stadt besonders heftig
„Wir sehen, dass die dritte Welle mit voller Kraft rollt, die Intensivstationen sind wieder voll“, sagt Bezirkssenatorin Fegebank. Deshalb soll der Kampf gegen die Pandemie nun in den Bezirken verstärkt werden. „Und da setzen wir auf diejenigen, die für die Menschen die größte Glaubwürdigkeit haben, weil sie vor Ort bekannt sind.“ Da seien jetzt alle gefragt, mitzuwirken.
Harburg ist derzeit, wie berichtet, besonders von Corona betroffen. Einer Auswertung des NDR zufolge lag die durchschnittliche Sieben-Tage-Inzidenz im März bei mehr als 300, im benachbarten Wilhelmsburg bei mehr als 250. Zum Vergleich: In Eimsbüttel und Niendorf lag sie am 23. März bei jeweils unter 60.
Familien mit vielen Kindern benachteiligt
Aber das war nicht immer so. Die Pandemie hatte zu Beginn vor einem Jahr vor allem in den Hamburger Regionen zu hohen Infektionszahlen geführt, in denen viele Menschen die Märzferien beim Skifahren verbracht hatten – also in den Bezirken Altona und Eimsbüttel. Im Verlauf sorgten dann insbesondere Ausbrüche in Pflegeeinrichtungen und an Schulen für örtliche Anstiege der Fallzahlen
„Erst jetzt in der dritten Welle ist Harburg besonders betroffen“, sagt Fredenhagen. So gerieten Bevölkerungsgruppen in den Fokus, denen wissenschaftliche Studien seit Längerem gesundheitliche Nachteile im Zusammenhang mit ihrer sozialen Lage attestieren, sagt Fegebank: Das sind beispielsweise Familien mit vielen Kindern in einer beengten Wohnsituation sowie Werktätige, die etwa als Lager- oder Industriearbeiter, Kassiererin oder in der Pflege keine Möglichkeit zum Homeoffice haben, oder Menschen mit Migrationshintergrund, die vor Sprachbarrieren stehen.
Britische Virusmutante trifft junge Menschen in Harburg
In Harburg gibt es auch besonders viele Kinder und junge Leute. „Wir sind ein sehr junger Bezirk, der zudem schnell wächst“, sagt Bezirksamtschefin Fredenhagen. „Das spielt derzeit in der Pandemie eine große Rolle, weil die britische Virusmutante junge Menschen im besonderen Maße betrifft.“ Schließlich hätten auch Ausbrüche in der Arbeitswelt die Zahlen nach oben getrieben.
In Harburg gebe es viel Industrie, aber auch Gewerbe und Handwerk. Bei der Sieben-Tage-Inzidenz hatte der Bezirk mit einem Wert von 198,3 stadtweit auf dem zweiten Platz hinter dem Bezirk Mitte gelegen – und deutlich über dem Hamburger Durchschnitt.