UKE-Infektiologin gilt als eine der wichtigsten Expertinnen für das Coronavirus. Im Abendblatt-Fragebogen geht es um Persönliches.

Die Hamburger Infektiologin Prof. Dr. Marylyn Addo vom Universitätsklinikum Eppendorf (UKE) gilt als eine der führenden Expertinnen zum neuartigen Coronavirus und zu Covid-19. Im Hamburger Abendblatt spricht sie im Podcast und im Fragebogen über ihren Werdegang, Privates wie ihre Familie und über Geld. Sie musste sich in ihrer Karriere den Satz sagen lassen: „Frau Addo, das schaffen Sie nie.“

Was wollten Sie als Kind werden?

Marylyn Addo: Ich wollte schon immer Ärztin werden. Sicherlich hatte mein Vater und das befreundete Umfeld einen nicht unerheblichen Anteil daran. Er war als Urologe tätig und hat mich und auch meinen Bruder, der jetzt als Kardiologe arbeitet, sicher auch für diesen Beruf fasziniert.

Was war der beste Rat Ihrer Eltern?

Das Credo meines Vaters war: Was du weißt, kann dir keiner nehmen.

Wann und warum haben Sie sich für den Beruf entschieden, den Sie heute machen?

Eigentlich wollte ich ursprünglich mehr in Richtung Kinderheilkunde gehen, aber das Interesse an der Infektiologie hat mich schon Anfang der 90er-Jahre als Erasmusstudentin in Frankreich gepackt. Dort war ich auf einer Aids-Station im Krankenhaus eingesetzt, ein damals nicht sehr beliebter Arbeitsplatz, denn damals sorgte das neue Virus für viele Ängste und viel Ausgrenzung der Betroffenen. Ich empfand die Erkrankung und den Umgang damit, nicht nur medizinisch, sondern auch im Hinblick auf die sozialen und gesellschaftspolitischen Aspekte, als spannend. Das Thema hat mich nicht losgelassen, anschließend habe ich deshalb im Rahmen meiner Doktorarbeit in Lausanne zu Pilzerkrankungen bei Aids-Patienten geforscht und habe mich dann auf Stellen in der Infektiologie beworben.

Prof. Marylyn Addo: "Ich höre auf meinen inneren Kompass"

Prof. Dr. Marylyn Addo
Prof. Dr. Marylyn Addo © Marcelo Hernandez / FUNKE Foto Services | Unbekannt

Wer waren Ihre wichtigsten Förderer?

Ich hatte mehrere großartige Mentor/-innen auf meinem Weg, die mich in verschiedenen Phasen meiner Karriere sehr unterstützt und inspiriert haben. Zwei der Personen, die mich menschlich, klinisch und wissenschaftlich wohl am meisten geprägt haben, sind im Rückblick wohl: Professor Jürgen Rockstroh von der Universität Bonn und Professor Bruce Walker, Leiter meiner ehemaligen Forschungsinstitution, dem Ragon Institute of MGH, MIT and Harvard in den USA.

Hier finden Sie den Podcast mit Marylyn Addo

Auf wen hören Sie?

Meistens auf meine innere Stimme und meinen inneren Kompass. Aber ich tausche mich auch mit Menschen meines Vertrauens aus, hole mir Rat und Einschätzungen bei meinen Freunden und meiner Familie.

Was sind Eigenschaften, die Sie an Ihren Chefinnen bewundert haben?

Transparente und geradlinige Kommunikation. Gelassenheit, Vision und Mut. Mit ihrem eigenen Wissen andere begeistern und inspirieren zu können.

Was sollte man als Chef/Chefin auf keinen Fall tun?

Fehlender Respekt und mangelnde Wertschätzung den Mitarbeiter/-innen gegenüber.

"Dankbar über finanzielle Unabhängigkeit"

Was sind die Prinzipien Ihres Führungsstils?

Teamspirit, Vertrauen und Integrität: Nähe zu meinem Team, der gegenseitige Austausch, die gegenseitige Stärkung und Inspiration, aber auch eine offene Fehlerkultur leben.

Wie wichtig war/ist Ihnen Geld?

Nicht wichtig. Aber ich bin dankbar über meine finanzielle Unabhängigkeit.

Was erwarten Sie von Ihren Mitarbeiterinnen?

Engagement („Give it your best!“), ein respektvolles Miteinander, Teamgeist – Das „Wir“ und nicht das „Ich“ sollten im Vordergrund stehen. Persönliche Inte­grität und Eigenverantwortung.

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Besonderheiten im Lebenslauf

Worauf achten Sie bei Bewerbungen?

Ich achte schon auf gute Schulleistungen und akademische Exzellenz, aber sehe mir gern das gesamte Bild einer Person an. Welche Interessen hat sie, welche Erfahrungen hat sie gesammelt – vielleicht im Ausland oder über den zweiten Bildungsweg? Welche Besonderheiten gibt es in ihrem Lebenslauf?

Peter Tschentscher und Infektionsmedizinerin Prof. Dr. Marylyn Addo (UKE)
Peter Tschentscher und Infektionsmedizinerin Prof. Dr. Marylyn Addo (UKE) © Andreas Laible / Funke Foto Services | Unbekannt

Duzen oder siezen Sie?

Ich habe viele Jahre in englischsprachigen Ländern gelebt, da wurde immer geduzt. Hier ist es meist so: Im Labor duzt man sich, in der Klinik geht es etwas formeller zu.

Was sind Ihre größten Stärken?

Eine optimistische Grundeinstellung, Humor und ein gesundes Maß an Gelassenheit waren bisher immer hilfreiche Begleiter. Ich kann mich und andere gut vernetzen, Menschen mit ganz unterschiedlichen Einstellungen, Ideen und Meinungen zusammenbringen.

Was sind Ihre größten Schwächen?

Wo soll ich da anfangen …? :-)

Welchen anderen Entscheider würden Sie gern näher kennenlernen?

Sehr gerne die Obamas (Michelle und Barack), aber auch Kamala Harris, die neue Vize-Präsidentin der USA und Fußballtrainer Jürgen Klopp. Gerne hätte ich Nelson Mandela persönlich kennengelernt.

Was würden Sie ihn oder sie fragen?

Ich würde fragen: What drives you? How do you overcome adversity? What were defining moments in your career? How do you bring out the best in your teams?

Was denken Sie über Betriebsräte?

Mit ihnen habe ich nur wenig Berührungspunkte, aber ihre Arbeit ist wichtig.

14 Jahre in den USA

Wann haben Sie zuletzt einen Fehler gemacht?

Es gibt ja fast keinen Tag ohne kleine oder größere Fehler auf irgendeiner Lebensebene. Ich bin eigentlich ein großer Fan von Fehlern und habe keine Angst davor, Fehler zu machen, aber es ist wichtig, dass man keinen zweimal macht und das Maximale daraus lernt. Wir haben eine sehr offene Fehlerkultur in meinem Team, auch in der Klinik insgesamt.

Welche Entscheidung hat Ihnen auf Ihrem Karriereweg geholfen?

Mich auf ein kompetitives Stipendium für meinen (letztendlich dann 14-jährigen) USA-Aufenthalt zu bewerben, obwohl mir jemand gesagt hat: „Frau Addo, das schaffen Sie nie.“

Wie viele Stunden arbeiten Sie in der Woche?

Sehr viele. :-)

Wie viele Stunden schlafen Sie (pro Nacht)?

In der Woche versuche ich, sechs bis sieben Stunden Schlaf einzurichten. Am Wochenende auch gerne mal acht, neun Stunden und mehr ... (das gibt es allerdings derzeit selten).

Wie gehen Sie mit Stress um?

Ich meditiere ganz regelmäßig und versuche ausreichend Sport bzw. Bewegung in meinen Alltag einzubauen, fahre mit dem Tretroller in die Klinik und gehe gern an der Alster spazieren. Ein wichtiger Ausgleich sind meine Kinder und mein Partner, wir spielen unter anderem abends gerne Brett- oder Kartenspiele. Das entspannt mich total, aber auch der enge Austausch mit Freundinnen und Freunden, der ja leider zurzeit vor allem per Messenger und Videochats möglich ist.

Wie kommunizieren Sie?

Kommunikation ist mir extrem wichtig. Fast alle schwierigen Situationen oder Konflikte, die ich im Arbeitsumfeld (aber auch privat) erlebe, haben sich aus einer inadäquaten Kommunikation (zu wenig, zu viel, falsches Medium, falsches Timing, falscher Ansprechpartner, zu laut, zu leise, etc.) ergeben. Daher versuche ich eine offene, transparente und direkte Kommunikation zu leben.

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Wie viel Zeit verbringen Sie an Ihrem Schreibtisch?

Wenig! „Work is not a place anymore“ ist der Slogan auf meinem Arbeitsrucksack. Ich sitze oft an den ungewöhnlichsten Orten, um zu arbeiten. Aber das macht mir nichts aus, ich bin da recht flexibel.

Wenn Sie anderen Menschen nur einen Rat für ihren beruflichen Werdegang geben dürften, welcher wäre das?

Finde einen Beruf/eine Tätigkeit, die dich begeistert, „Get out of your comfort zone“, und lerne mit Rückschlägen konstruktiv umzugehen.

Und zum Schluss: Was wollten Sie immer schon mal sagen?

Hier in Hamburg: ein kräftiges „Alaaf“ (ich bin als „rheinisches Kind“ ein Fan des Kölner Karnevals, der ja leider dieses Jahr ausgefallen ist.).