Hamburg. Der Verein Rechtsstandort Hamburg fordert Justizsenatorin Anna Gallina auf, die personelle Ausstattung „mindestens zu halten“.

Es ist ein Aufruf in wohlgesetzten Worten, der aber deswegen nicht an Dramatik verliert. „Der Verein Rechtsstandort Hamburg … sieht in Anbetracht der derzeitigen Haushaltslage in Hamburg, aber auch in anderen Bundesländern die Arbeitsfähigkeit der Justiz gefährdet“, heißt es in dem dreiseitigen Schreiben des Vereins, in dem sich die wichtigsten rechtlichen Organisationen und Vereinigungen zusammengeschlossen haben.

Der Text ist an Justizsenatorin Anna Gallina (Grüne), die Gerichtspräsidenten sowie die rechtspolitischen Sprecher der Bürgerschaftsfraktionen gerichtet. „Damit es nicht zu nachhaltigen Schäden für Demokratie und Rechtsstaat kommt, braucht es eine ausreichende personelle und sachliche Ausstattung der Gerichte und Staatsanwaltschaften. Die Justiz darf weder als etwas Selbstverständliches genommen werden, noch darf sie auf Sparflamme gefahren werden“, schreiben die Autoren.

Belastungen der Justiz sind in den vergangenen Jahren gestiegen

Vorsitzender des Vereins Rechtsstandort Hamburg ist Friedrich-Joachim Mehmel, langjähriger Vorsitzender der SPD-Juristen sowie bis Anfang 2020 Präsident des Oberverwaltungsgerichts und des Hamburgischen Verfassungsgerichts und damit einer der Top-Juristen der Stadt. Zu den Unterzeichnern zählen auch Heiko Zier, Präsident der Hamburgischen Notarkammer, Christian Lemke, Präsident der Rechtsanwaltskammer, Heike Hummelmeier, Vorsitzende des Richtervereins, sowie Wolfgang Siewert, der Präsident des Landessozialgerichts.

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Die Autoren des Aufrufs weisen auf die gestiegenen Belastungen der Justiz in den vergangenen Jahren hin, die zusätzliche Personalbedarfe mit sich gebracht hätten. Dazu zählen die „massiven Steigerungen der Fallzahlen bei den Verwaltungsgerichten“ im Asylbereich, die Tendenzen zu längeren und komplexeren Verfahren in der Strafjustiz und den Staatsanwaltschaften sowie „Sonderentwicklungen in der Sozialgerichtsbarkeit im Zusammenhang mit dem Krankenversicherungsrecht“.

Lücken im Personal

Der damalige Justizsenator Till Steffen (Grüne) hat darauf von 2015 bis 2020 mit der Schaffung von gut 200 zusätzlichen Stellen für Gerichte und Staatsanwaltschaften reagiert. Damit konnten zumindest ein Teil der Altfälle abgebaut und Verfahrensdauern verkürzt werden.

Wie Hamburg so hätten auch andere Länder auf die Entwicklungen mit der Schaffung zusätzlicher Stellen reagiert, heißt es weiter. Nach Einschätzung des Vereins hat auch der allerdings bis 2021 befristete „kluge Pakt für den Rechtsstaat“ zur Entlastung beigetragen. Allerdings dienten die neuen Stellen manchmal auch nur dazu, „die durch frühere Sparwellen in der Justiz entstandenen Lücken im Personal auszugleichen“.

Schwindet das Vertrauen in die Justiz?

Die Justizetats würden zudem durch den Ausbau der Digitalisierung der Justiz und die Einführung des elektronischen Rechtsverkehrs sowie auch den pandemiebedingten Ausbau digitaler Kommunikation belastet. „Im Moment droht ein Rückfall auf den vor den Anstrengungen von Bund und Ländern in den vergangenen Jahren geschaffenen Zustand: So sollen die im Zuge der anstehenden Pensionierungswelle frei werdenden Stellen zu einem großen Teil nicht wiederbesetzt werden“, heißt es in dem Aufruf.

„Wenn Verfahren zu lange dauern, wenn Gerichte keinen zeitnahen Rechtsschutz gewähren können, wenn die Digitalisierung im Interesse einer bürgernahen Justiz in den Kinderschuhen stecken bleibt, wird das Vertrauen in die Justiz und damit in den Rechtsstaat gefährlich schwinden“, heißt es.

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Zwar sieht der Verein auch den Bund in der Pflicht und fordert eine Verlängerung des Paktes für den Rechtsstaat, aber die Forderungen an die Justizsenatorin sind sehr konkret: „Der Stand der personellen Ausstattung der Hamburger Justiz ist zumindest zu halten. Frei werdende Stellen … sind grundsätzlich ... wieder zu besetzen.“

Darauf reagiert Gallina nicht direkt, sondern sagt: „Der Rechtsstaat braucht eine starke Justiz. Um die bisher erreichten Ergebnisse des Paktes für den Rechtsstaat langfristig zu sichern, braucht es eine Verlängerung. Insbesondere die Digitalisierung der Justiz, die wir gerade in Hamburg stark vorantreiben, wird uns noch vor große Herausforderungen stellen.“ Der Pakt sei dabei eine große Hilfe und dürfe deshalb nicht ersatzlos auslaufen.