Hamburg. Generalstaatsanwalt hat ein Disziplinarverfahren gegen den Leitenden Oberstaatsanwalt Ralf Peter Anders eingeleitet.

Üblicherweise gilt unter Richtern und Staatsanwälten eine gewisse vornehme Zurückhaltung, was interne Auseinandersetzungen und öffentliche Auftritte in solchen Angelegenheiten angeht. In der Hamburger Justiz ist jetzt ein lange aufgestauter Konflikt ausgebrochen, der im Geviert zwischen der Justizbehörde an der Drehbahn und dem Gerichtszentrum am Sievekingplatz ohne Beispiel ist: Generalstaatsanwalt Jörg Fröhlich hat ein Disziplinarverfahren gegen den Leitenden Oberstaatsanwalt Ralf Peter Anders eingeleitet.

Anders ausgedrückt: Die Nummer eins in der Hierarchie der Anklagebehörde kämpft mit offenem Visier gegen die Nummer zwei. Zuerst hatte die „Bild“- Zeitung über den Vorgang berichtet. Für Justizsenatorin Anna Gallina (Grüne), erst seit Mitte Juni im Amt, ist der Machtkampf der Top-Staatsanwälte die erste Bewährungsprobe. Jetzt ist Krisenmanagement gefordert.

Worum geht es bei dem Streit? Fröhlich und Anders liefern sich eine seit Monaten andauernde Fehde über Kompetenzen und Befugnisse. Dabei gehen die Auseinandersetzungen bis in kleine und kleinste Verästelungen des Behördenapparats. Formal ist die große, personal­intensive Staatsanwaltschaft mit ihrem Chef Anders der kleinen Generalstaatsanwaltschaft unterstellt. Und Fröhlich ist gegenüber allen Staatsanwälten weisungsbefugt. Daraus leitet er auch ein umfassendes Vorschlagsrecht für Personalentscheidungen ab.

Konflikt war schon einmal eskaliert

Nach dem Eindruck von Fröhlich hatte sich die Staatsanwaltschaft im Laufe der Jahre unter seinen Vorgängern zu viel Macht und Kompetenzen angeeignet, die er, Fröhlich, nun für die Generalstaatsanwaltschaft zurückholen will. Die Wahl der Mittel und die Unerbittlichkeit seines Vorgehens sorgen allerdings in der Justiz für mehr als nur Stirnrunzeln.

Der Konflikt zwischen dem „General“ und dem „LOSta“ war schon einmal so eskaliert, dass zwischen beiden Seiten eine Art Friedensvertrag geschlossen werden musste. Das war Anfang dieses Jahres und das Werk trägt den etwas umständlichen Titel „Restrukturierung und Optimierung der Zuständigkeitsregelungen für die Bearbeitung von Verwaltungssachen bei den Hamburger Staatsanwaltschaften“. Dabei ging es zunächst nur um den Bereich „Personal“, offensichtlich das am heftigsten umkämpfte Terrain zwischen den beiden Top-Juristen, und Fröhlich setzte sich dabei mit seinen Forderungen weitgehend durch.

Doch der Frieden hielt nicht lange an, wenn er denn jemals geschaffen war. Bei der Frage, wer den Stellvertreterposten von Anders erhalten soll, gerieten Generalstaatsanwalt und Leitender Oberstaatsanwalt erneut aneinander. Fröhlich favorisiert Oberstaatsanwältin Kathrin Hiersemenzel, derzeit in der Generalstaatsanwaltschaft eingesetzt. Anders möchte dagegen Oberstaatsanwältin Mona Rickert durchsetzen, die in „seiner“ Staatsanwaltschaft tätig ist.

Entscheidende Phase der Dauerfehde

Die Dauerfehde geriet in die entscheidende Phase, als Anders die gemeinsame Vereinbarung vom 14. Januar 2020 aufkündigte. Die Antwort des Generalstaatsanwalts folgte mit nur wenigen Tagen Abstand: Er leitete das Disziplinarverfahren gegen seinen Kollegen ein und forderte die Justizbehörde auf, das Verfahren an das Personalamt als neutrale Stelle abzugeben, die für alle Behörden zuständig ist.

Diese Absicht Fröhlichs hat Gallina durchkreuzt, indem ihre Behörde das Disziplinarverfahren führt. Gallina setzte als externen „Ermittlungsführer“ Nikolas Hill ein, früherer Staatsrat in der Justizbehörde, Christdemokrat. Der Jurist kennt nicht nur die Justizbehörde sehr gut, sondern auch Hamburgs Behördenstruktur insgesamt als früherer Chef des Planungsstabs in der Senatskanzlei.

Die Beteiligten hüllen sich vorerst in Schweigen. Gallina setzt auf eine schnelle Beilegung des Konflikts, damit sich die Anklagebehörde auf ihre eigentliche Aufgabe konzentrieren kann: die Ermittlung von Straftaten und die Anklage der mutmaßlich Verantwortlichen.

Fröhlichs Amtsführung gilt als erratisch

„Eine seit Anfang 2020 geltende Vereinbarung zwischen der Generalstaatsanwaltschaft und der Staatsanwaltschaft Hamburg über Personal- und Verwaltungsangelegenheiten, die das Personalgeschäft weitgehend zur Generalstaatsanwaltschaft verlagert hatte, hat sich in der Praxis nicht bewährt“, sagte Marayke Frantzen, Sprecherin der Justizbehörde. „Damit es aber auch in Zukunft klare Leitlinien für die Verwaltungsabläufe gibt, hat die Behörde für Justiz und Verbraucherschutz den Beteiligten heute nunmehr einen Entwurf zur Neuorganisation der Personal- und Verwaltungsangelegenheiten vorgestellt.“ Der Entwurf soll nun mit Fröhlich und Anders abgestimmt werden.

Der damalige Justizsenator Till Steffen (Grüne) hatte Fröhlich vor drei Jahren aus Hannover nach Hamburg geholt. Vor einem Jahr kam Anders aus Lübeck. Die Stimmung zwischen beiden soll von Anfang an schlecht gewesen sein. Schon bei Anders’ Amtseinführung hatte Fröhlich, für viele Anwesende irritierend, sehr deutlich auf seine Weisungsbefugnis gegenüber Anders hingewiesen.

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Fröhlichs Amtsführung gilt als erratisch. Mehrfach war der „General“ auch mit dem Senator in Konflikt geraten, zuletzt weil er in einem Interview davon gesprochen hatte, die Staatsanwaltschaften würden zunehmend „politisch missbraucht“. Fröhlich sagte nach einem intensiven Gespräch mit Steffen, er habe seine Kritik nicht auf den Senat beziehen wollen. Manchen gilt der Generalstaatsanwalt mittlerweile als tragischer Fall.